Einstein, der unsäglichste Lover der Weltgeschichte
Eine schwedische Autorin untersucht die Beziehungen zwischen berühmten Männern und ihren Frauen
Sie kennen den ollen Spruch: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, die ihn stützt.“Das würde die Künstlerin Liv Strömquist wohl etwas anders formulieren. In etwa: Vor manch einer starken Frau steht ein Mann, der ihr den Weg versperrt. Der ihr das Leben zur Hölle macht. Die Schwedin Strömquist ist 41 Jahre alt, Feministin und Comiczeichnerin. „I’m every woman“heißt ihr neuer Band. Mit ihren Bildergeschichten sägt Strömquist am Fundament des männlichen Genie-Kults, der sich um Popstars, Politiker und Wissenschaftler dreht.
Strömquist posiert auf dem Buchcover als Mariengestalt mit Heiligenschein und Kopftuch. Doch diese Gottesmutter streckt dem Betrachter die Zunge entgegen – das erinnert unweigerlich an das bekannteste Porträt von Albert Einstein. Tatsächlich ist der Physiker aus Ulm einer jener Männer, die Strömquist mit wenigen Strichen als Ekel entlarvt.
Denn: Kennen Sie Mileva Maric´? Einsteins erste Frau war selbst Physikerin. Sie unterstützte ihren Gatten in seiner Arbeit an der Relativitätstheorie, in Briefwechseln sprach Einstein von einem gemeinsamen Werk. Doch dann verabschiedete er sich kurzerhand aus der Ehe, um mit seiner Cousine anzubandeln. Er strich die Ex-Frau aus Geschichtsund Physikbüchern. Maric´ fiel in eine Phase der Einsamkeit. Alleine zog sie zwei Kinder groß, eines litt an Schizophrenie. Gut 70 Jahre nach ihrem Tod widmen sich heute neue Biografien, wie „Einsteins Wife – The real story of Mileva EinsteinMaric´“, ihrer Rolle. Maric´ taucht aus der Verdrängung allmählich wieder auf. Strömquist fasst ihre tragische Geschichte in neun lakonische Bilder. Dabei verleiht sie Einstein „Rang eins“in der Hitliste der „unsäglichsten Lover der Weltgeschichte.“Strömquist seziert auch die Beziehung von Elvis Presley. Der „King“war kein Traummann: Seine Frau Priscilla hielt er wie Rapunzel auf Graceland behütet und gefangen. Auch das verpackt der Comic mit Humor und versieht die Geschichte mit Fußnoten, die zu Biografien und Fachliteratur führen.
Die Reihe der Schattenfrauen teilt sich in zwei Linien: Jene bessere Hälften, die ihre Zeit als Partnerin eines Genies überlebten und jene, die dem Kult zum Opfer fielen. Die malträtierte zweite Gattin von Josef Stalin – dieser war auch jenseits des diktatorischen Alltagsgeschäfts ein besitzergreifender Mensch – beendete die Ehe per Selbstmord. Die Ex-Freundinnen des Malers Jackson Pollock konnten sich dagegen von ihrer Schattenrolle, als Groupies und Pflegerinnen eines vom Alkohol zerstörten Genies, lösen.
Immer weiter führt Strömquists Zeitreise zurück, bis sie eine Wurzelbehandlung am Patriarchat vornimmt: Den Ursprung der männlichen Dominanz gründet in ihrer Betrachtung in jener Zeit, als die dominanten Göttinnen der alten Ägyptern, Griechen und Sumerer vom männlichen Monotheismus abgelöst wurde. Jesus und seine Jünger übernahmen den Kult.
Der Feminismus, dem oft ein dröges Image an den Fersen klebt, zeigt sich in „I’m Every Woman“hochironisch und ulkig. Er bürstet kräftig gegen den rechts-konservativen Strich und hinterfragt Geschlechterkonventionen. Dafür werden auch einmal frontal weibliche Geschlechtsorgane ins ComicBild rückt. Doch am stärksten wirken Strömquists Geschichten, wenn sie den Blick auf Einzelschicksale verlassen und soziale Fragen stellen: „Wäre es besser für die Arbeiterinnen in den Sweatshops der Dritten Welt, wenn Adidas und Nike mehr weibliche Anteilseigner hätten?“Oder: „Wäre es besser für die Gefangenen in Guantanamo, wenn die Hälfte der Wärter Frauen wären?“Für Strömquist ist klar: Die Frage der Gerechtigkeit geht über die Frage von Gleichstellung und Parität hinaus.
„I’m Every Woman“, Avant-Verlag, 120 Seiten, 20 Euro.