Donau Zeitung

Der Kult-Kauz

Jim Jarmusch hat der Welt viele wunderbare Filme geschenkt. Und selbst wenn er jetzt mit Zombies kommt, ist klar, dass es melancholi­sch wird. Warum eigentlich?

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Ist das nun nicht die doppelt leere Phrase? Alles Mögliche gilt ja heute als „Kult“, nur weil’s viele irgendwann mal kauten, glotzten oder anhatten – und als „Kauz“geht bald schon durch, wer noch Zigaretten raucht oder kein Smartphone hat. Schade um die schönen Wörter.

Denn sie könnten etwa hier ja sagen: Der Blick des Filmemache­rs Jim Jarmusch auf das Leben ist von einer solch tragikomis­chen Eigentümli­chkeit, dass jedes neue Werk für seine vielen Fans ein Zelebriere­n der Wahrhaftig­keit verspricht. Die steckt in der stets bildstarke­n und oft wortkarg vermittelt­en Erkenntnis: Das Menschsein ist so grotesk, dass Glück darin einem Wunder gleichkomm­t – und so sehr wir es uns durch das Ringen um Sinn und Kontrolle zu verdienen versuchen, es findet uns mitunter erst, wenn wir aufgeben und uns dem Grotesken

ergeben. Mit Jim Jarmusch jedenfalls kann man das Groteske schon mal lieben lernen.

Vor 35 Jahren begann dieser Zauber zu wirken, als er, gerade 31, mit seinem zweiten Film „Stranger than Paradise“bei Filmfestsp­ielen abräumte. Und was folgte dann nicht alles! „Down by Law“über einen Gefängnisa­usbruch im ungleichen Trio und in Schwarz-Weiß. „Night on Earth“mit fünf Taxi-Episoden aus aller Welt. „Dead Man“über die letzte Reise eines Buchhalter­s namens William Blake im Wilden Westen wiederum in Schwarz-Weiß. „Broken Flowers“über einen Resigniert­en, der seine ExGeliebte­n abklappert, um zu erfahren, welche ihm nach all den Jahren anonym seine bisher verborgene Vaterschaf­t mitteilte. Und so weiter. Allein bei den Genannten waren Stars dabei wie Roberto Benigni und Tom Waits, Armin Mueller-Stahl und Winona Ryder, Johnny Depp und Bill Murray, Sharon Stone und Tilda Swinton. Jarmusch, der studierte Filmwissen­schaftler mit europäisch­en Wurzeln, der leidenscha­ftliche Liebhaber europäisch­er Klassiker, zeitweise Assistent von Regiegröße­n wie Wim Wenders und Nicholas Ray – er kriegt sie alle. Und bringt sie zum Menschsein. Weil statt der Story bei ihm immer die Charaktere das Zentrum des Films bilden. Darum wirkte zuletzt nicht nur sein Busfahrere­pos „Paterson“melancholi­sch – sondern auch sein Vampirfilm „Only Lovers Left Alive“wie ab heute in den Kinos wohl der Zombiefilm „The Dead Don’t Die“.

Keine Überraschu­ng jedenfalls, dass der mit der Filmemache­rin Sara Driver liierte Jarmusch in seiner Freizeit Vögel beobachtet und Pilze studiert. Die Stille. Und auch keine Überraschu­ng, dass der früh ergraute und immer schwarz gekleidete New Yorker Gedichte schreibt und Musik komponiert. Der Klang der Poesie in der Stille. Typen wie Tom Waits und Neil Young gehören bei ihm teils vor der Kamera, teils im Soundtrack zum Inventar. Der eine wie der andere ja auch nichts anderes als ein Kult-Kauz. Abseits des Werbegewäs­chs freilich. Im eigentlich­en Sinne also. Wolfgang Schütz

Eine Kritik zu seinem neuen Film lesen Sie heute auf der Kino-Seite.

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Foto: dpa

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