Alexa, hörst du mich ab?
Politiker wollen, dass Ermittler einfacher Zugriff auf Daten von Smarthome-Geräten erhalten. Datenschützer warnen vor einem Lauschangriff aufs Wohnzimmer. Wie weit der Staat beim digitalen Ausspionieren gehen darf
Augsburg Ein Satz reicht und sie lassen Glühbirnen leuchten, Heizkörper warm werden oder Musik erklingen: Digitale Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder der Google Assistant erleichtern den Alltag. Mittlerweile spricht laut einer Studie ein Drittel der Deutschen mit ihnen. Doch Datenschützer warnen schon lange davor, denn das gesprochene Wort landet auch auf Servern der Anbieter wie Amazon. Bisher fragten sich viele, wie sicher die Daten bei den Techkonzernen sind. Doch nun fürchten Datenschützer auch einen Lauschangriff im Wohnzimmert – vom Staat. Denn die Innenminister überlegen, wie Ermittler an die Daten von Sprachassistenten oder smarten Haushaltsgeräten kommen können.
Es ist eines der Themen, um das derzeit bei der Innenministerkonferenz gerungen wird. Im Vorfeld wurde eine Beschlussvorlage publik, wonach „die Spurensicherung in der digitalen Welt“eine immer größere Bedeutung einnimmt. Strafverfolgungsbehörden müssten „in der Lage sein, solche Spuren zu erkennen, zu sichern und auszuwerten“, heißt es in dem Papier.
Datenschützer und Oppositionspolitiker sind alarmiert. Der bayerische Datenschutzbeauftragte, Professor Thomas Petri, mahnt: „Begrenzung von Datenverarbeitungen und Zugriffsmöglichkeiten muss das Ziel sein, nicht deren Ausweitung.“Er verweist darauf, dass die Digitalisierung des Privatlebens fortschreiten werde. Kritik kommt auch von Politikern. Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP, warnt vor einem „unverhältnismäßigen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung“. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, spricht gegenüber unserer Redaktion von „millionenfachen Wanzen im privatesten Lebensbereich“.
Ein realistisches Szenario? Grundsätzlich ist es so, darüber sind sich Juristen weitgehend einig, dass sich Ermittler unter bestimmten heute schon in Smarthome-Geräte hacken dürfen, um Telefonate abzuhören und gespeicherte Daten abzugreifen. Für illegal halten die Juristen, wenn die Ermittler das Mikrofon aktivieren würden, um mit dem Gerät als Wanze abzuhören.
Doch wollen das die Politiker überhaupt? Es macht nicht den Anschein, jedenfalls weisen mehrere Landesministerien zurück, dass es bei der Debatte um SmarthomeGeräte um neue Gesetze ginge, die dafür nötig wären. Das bayerische Innenministerium hält sich recht bedeckt und antwortet auf eine Anfrage unserer Redaktion kurz: „Aus unserer Sicht ist überhaupt keine Notwendigkeit für zusätzliche rechtliche Befugnisse erkennbar. Und digitale Spurensicherung braucht keine neue Rechtsgrundlage.“Am Mittwochabend äußerte sich dazu auch der Bundesinnenminister: „Wir wollen unter keinen Umständen Kinderzimmer überwachen“, so Horst Seehofer (CSU) vor Beginn der Innenministerkonferenz in Kiel. Die Politik dürfe aber nicht zusehen, wenn über das Internet Verbrechen begangen würden, sagte Seehofer. „Und nur darum geht’s.“Die Politik stehe erst am Anfang der juristischen Diskussion. Diese solle transparent sein.
Horst Seehofer treibt mehrere Projekte in diesem Bereich voran. Zuletzt hatte sein Ministerium Pläne bestätigt, nach denen Ermittler leichter Zugriff auf Chats von Messengerdiensten wie WhatsApp erhalten sollen. Man will Anbieter zwingen, abhörsichere Verschlüsselungen umzubauen. Jetzt haben 100 Organisationen und EinzelpersoVoraussetzungen nen, darunter die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), einen offenen Brief dagegen veröffentlicht. Sie werfen Seehofer vor, die Apps unsicher zu machen und die Privatsphäre der Bürger zu gefährden.
Der Vorstoß ist vor dem Hintergrund zweier Ermittlungsmethoden zu sehen, die der Gesetzgeber vor zwei Jahren geschaffen hat – der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung. Der Strafrechtler Sven Großmann forscht dazu an der Universität Augsburg. „Bei beiden Maßnahmen werden informationstechnische Systeme mit einem Trojaner infiltriert“, erklärt der promovierte Jurist. Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung sei in ihrer Zielsetzung vergleichbar mit dem klassischen Abhören von Telefonen – nur könnten Daten heutzutage häufig nicht mehr an einem Knotenpunkt, sondern nur an einem der Endgeräte abgefangen werden, weil sie verschlüsselt sind.
Die Online-Durchsuchung sei ein ganz neuer Eingriff: Sie ermöglicht es Ermittlern, gespeicherte Daten von einem Gerät zu übertragen oder auch die Nutzung in Echtzeit mitzuschneiden. „Diese Form der Informationsgewinnung stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte Betroffener dar“, sagt Großmann. Eine Online-Durchsuchung kann nur bei Verdacht bestimmter schwerer Straftaten angeordnet werden. Großmann hält den Straftatenkatalog
Die Ermittler haben bereits umfangreiche Befugnisse
allerdings für zu weitgehend. Er enthält neben Verbrechen wie Mord auch weniger schwerwiegende Straftaten wie gewerbsmäßige Hehlerei. Naheliegend sei, dass die Behörden die Überwachungssoftware auf den Endgeräten installieren, indem sie Sicherheitslücken ausnutzen. Deshalb habe der Staat ein Interesse daran, bekannte Lücken offen zu halten – obwohl er die Bevölkerung eigentlich vor solchen Risiken schützen müsste. Die entsprechenden Paragrafen der Strafprozessordnung sind zudem technologieoffen formuliert und sind laut Großmann bereits jetzt auch auf Smarthome-Geräte anwendbar.
Eine weitere Ausweitung der Befugnisse von Ermittlern sieht Großmann kritisch, insbesondere weil das Bundesverfassungsgericht noch prüft, ob die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und die Online-Durchsuchung mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Allerdings, stellt Großmann klar, wäre es nicht von den bestehenden Gesetzen gedeckt, dass Ermittler das Mikrofon etwa eines Smarthome-Geräts selbst aktivieren und so die Wohnung akustisch überwachen – so sehe es zumindest die überwiegende juristische Fachliteratur.