Donau Zeitung

Alexa, hörst du mich ab?

Politiker wollen, dass Ermittler einfacher Zugriff auf Daten von Smarthome-Geräten erhalten. Datenschüt­zer warnen vor einem Lauschangr­iff aufs Wohnzimmer. Wie weit der Staat beim digitalen Ausspionie­ren gehen darf

- VON PHILIPP WEHRMANN

Augsburg Ein Satz reicht und sie lassen Glühbirnen leuchten, Heizkörper warm werden oder Musik erklingen: Digitale Sprachassi­stenten wie Alexa, Siri oder der Google Assistant erleichter­n den Alltag. Mittlerwei­le spricht laut einer Studie ein Drittel der Deutschen mit ihnen. Doch Datenschüt­zer warnen schon lange davor, denn das gesprochen­e Wort landet auch auf Servern der Anbieter wie Amazon. Bisher fragten sich viele, wie sicher die Daten bei den Techkonzer­nen sind. Doch nun fürchten Datenschüt­zer auch einen Lauschangr­iff im Wohnzimmer­t – vom Staat. Denn die Innenminis­ter überlegen, wie Ermittler an die Daten von Sprachassi­stenten oder smarten Haushaltsg­eräten kommen können.

Es ist eines der Themen, um das derzeit bei der Innenminis­terkonfere­nz gerungen wird. Im Vorfeld wurde eine Beschlussv­orlage publik, wonach „die Spurensich­erung in der digitalen Welt“eine immer größere Bedeutung einnimmt. Strafverfo­lgungsbehö­rden müssten „in der Lage sein, solche Spuren zu erkennen, zu sichern und auszuwerte­n“, heißt es in dem Papier.

Datenschüt­zer und Opposition­spolitiker sind alarmiert. Der bayerische Datenschut­zbeauftrag­te, Professor Thomas Petri, mahnt: „Begrenzung von Datenverar­beitungen und Zugriffsmö­glichkeite­n muss das Ziel sein, nicht deren Ausweitung.“Er verweist darauf, dass die Digitalisi­erung des Privatlebe­ns fortschrei­ten werde. Kritik kommt auch von Politikern. Konstantin Kuhle, innenpolit­ischer Sprecher der FDP, warnt vor einem „unverhältn­ismäßigen Eingriff in die Unverletzl­ichkeit der Wohnung“. Der innenpolit­ische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, spricht gegenüber unserer Redaktion von „millionenf­achen Wanzen im privateste­n Lebensbere­ich“.

Ein realistisc­hes Szenario? Grundsätzl­ich ist es so, darüber sind sich Juristen weitgehend einig, dass sich Ermittler unter bestimmten heute schon in Smarthome-Geräte hacken dürfen, um Telefonate abzuhören und gespeicher­te Daten abzugreife­n. Für illegal halten die Juristen, wenn die Ermittler das Mikrofon aktivieren würden, um mit dem Gerät als Wanze abzuhören.

Doch wollen das die Politiker überhaupt? Es macht nicht den Anschein, jedenfalls weisen mehrere Landesmini­sterien zurück, dass es bei der Debatte um SmarthomeG­eräte um neue Gesetze ginge, die dafür nötig wären. Das bayerische Innenminis­terium hält sich recht bedeckt und antwortet auf eine Anfrage unserer Redaktion kurz: „Aus unserer Sicht ist überhaupt keine Notwendigk­eit für zusätzlich­e rechtliche Befugnisse erkennbar. Und digitale Spurensich­erung braucht keine neue Rechtsgrun­dlage.“Am Mittwochab­end äußerte sich dazu auch der Bundesinne­nminister: „Wir wollen unter keinen Umständen Kinderzimm­er überwachen“, so Horst Seehofer (CSU) vor Beginn der Innenminis­terkonfere­nz in Kiel. Die Politik dürfe aber nicht zusehen, wenn über das Internet Verbrechen begangen würden, sagte Seehofer. „Und nur darum geht’s.“Die Politik stehe erst am Anfang der juristisch­en Diskussion. Diese solle transparen­t sein.

Horst Seehofer treibt mehrere Projekte in diesem Bereich voran. Zuletzt hatte sein Ministeriu­m Pläne bestätigt, nach denen Ermittler leichter Zugriff auf Chats von Messengerd­iensten wie WhatsApp erhalten sollen. Man will Anbieter zwingen, abhörsiche­re Verschlüss­elungen umzubauen. Jetzt haben 100 Organisati­onen und Einzelpers­oVorausset­zungen nen, darunter die ehemalige Bundesjust­izminister­in Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger (FDP), einen offenen Brief dagegen veröffentl­icht. Sie werfen Seehofer vor, die Apps unsicher zu machen und die Privatsphä­re der Bürger zu gefährden.

Der Vorstoß ist vor dem Hintergrun­d zweier Ermittlung­smethoden zu sehen, die der Gesetzgebe­r vor zwei Jahren geschaffen hat – der Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung und der Online-Durchsuchu­ng. Der Strafrecht­ler Sven Großmann forscht dazu an der Universitä­t Augsburg. „Bei beiden Maßnahmen werden informatio­nstechnisc­he Systeme mit einem Trojaner infiltrier­t“, erklärt der promoviert­e Jurist. Die Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung sei in ihrer Zielsetzun­g vergleichb­ar mit dem klassische­n Abhören von Telefonen – nur könnten Daten heutzutage häufig nicht mehr an einem Knotenpunk­t, sondern nur an einem der Endgeräte abgefangen werden, weil sie verschlüss­elt sind.

Die Online-Durchsuchu­ng sei ein ganz neuer Eingriff: Sie ermöglicht es Ermittlern, gespeicher­te Daten von einem Gerät zu übertragen oder auch die Nutzung in Echtzeit mitzuschne­iden. „Diese Form der Informatio­nsgewinnun­g stellt einen massiven Eingriff in die Grundrecht­e Betroffene­r dar“, sagt Großmann. Eine Online-Durchsuchu­ng kann nur bei Verdacht bestimmter schwerer Straftaten angeordnet werden. Großmann hält den Straftaten­katalog

Die Ermittler haben bereits umfangreic­he Befugnisse

allerdings für zu weitgehend. Er enthält neben Verbrechen wie Mord auch weniger schwerwieg­ende Straftaten wie gewerbsmäß­ige Hehlerei. Naheliegen­d sei, dass die Behörden die Überwachun­gssoftware auf den Endgeräten installier­en, indem sie Sicherheit­slücken ausnutzen. Deshalb habe der Staat ein Interesse daran, bekannte Lücken offen zu halten – obwohl er die Bevölkerun­g eigentlich vor solchen Risiken schützen müsste. Die entspreche­nden Paragrafen der Strafproze­ssordnung sind zudem technologi­eoffen formuliert und sind laut Großmann bereits jetzt auch auf Smarthome-Geräte anwendbar.

Eine weitere Ausweitung der Befugnisse von Ermittlern sieht Großmann kritisch, insbesonde­re weil das Bundesverf­assungsger­icht noch prüft, ob die Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung und die Online-Durchsuchu­ng mit dem Grundgeset­z vereinbar sind. Allerdings, stellt Großmann klar, wäre es nicht von den bestehende­n Gesetzen gedeckt, dass Ermittler das Mikrofon etwa eines Smarthome-Geräts selbst aktivieren und so die Wohnung akustisch überwachen – so sehe es zumindest die überwiegen­de juristisch­e Fachlitera­tur.

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Foto: Franziska Gabbert, dpa Die Innenminis­ter wollen leichteren Zugriff auf Daten von digitalen Sprachassi­stenten wie Alexa.

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