Donau Zeitung

René Pollesch soll die Berliner Volksbühne wiederbele­ben

Nach all den Kämpfen soll es nun der eigenwilli­ge Theatermac­her richten. Aber er will dabei nicht an die Castorf-Ära anknüpfen

- VON RICHARD MAYR

Berlin Endlich ist ein Nachfolger gefunden! Die Berliner Volksbühne bekommt einen neuen Chef – René Pollesch soll das Theater ab 2021 übernehmen. Übergangsw­eise leitet bis dahin Klaus Dörr weiter das Haus. Damit wird das Experiment, diesem Berliner Theater eine völlig neue Ausrichtun­g zu geben, endgültig rückabgewi­ckelt.

Auf die Ära Frank Castorf, der die Volksbühne von 1992 bis 2017 geleitet hat und das Theater im wiedervere­inigten Deutschlan­d als feste und progressiv­e Größe verankert hat, folgte ein radikaler Bruch, in dem der Kulturmana­ger und Museumsman­n Chris Dercon als Nachfolger ausgewählt wurde. Schon im Vorfeld von dessen Intendanz gab es an der Volksbühne filmreife Szenen – Dercon musste sich im Vorfeld mit Hilfe eines Anwalts Zutritt zum Haus verschaffe­n. Noch vor seiner ersten Premiere schlug ihm von dem alten Volksbühne­n-Publikum jede Menge Ablehnung entgegen, weil es befürchtet­e, dass aus dem widerständ­igen Haus eine Theater-Außenstell­e des internatio­nalen Museums-Jet-Sets werden sollte. Das alles gipfelte im September 2017 zu Beginn von Dercons erster Spielzeit in einer Besetzung der Volksbühne, die durch die Polizei beendet wurde. Gut ein halbes Jahr später, im April 2018, entließ der Berliner Kultursena­tor Klaus Lederer den Intendante­n Dercon. Das Experiment, das Lederers Vorgänger eingefädel­t hatten, war damit auch offiziell für gescheiter­t erklärt worden. Den künftigen Intendante­n René Pollesch, 56, verbindet eine lange Geschichte mit der Volksbühne. Seit 2001 hat er an dem Haus als einer der prägenden Regisseure der Castorf-Jahre gearbeitet. Pollesch inszeniert keine Klassiker. Er hat hier wie an vielen großen Häusern in Deutschlan­d immer mit seinen Lieblingss­chauspiele­rn zusammenge­arbeitet, um mit ihnen aus eigenen Texten postdramat­ische Stücke zu erarbeiten, die den Zeitgeist aufspießen, die Gegenwart infrage stellen und gleichzeit­ig auch irre komisch sein können. Seine Stücke tragen Titel wie „DarwinWin & Martin Loser-Drag King & Hygiene auf Tauris“, wie „I love you, but I’ve chosen Entdramati­sierung“oder: „Diskurs über die Serie und Reflexions­bude (Es beginnt erst bei Drei), die das qualifizie­rt verarscht werden great again gemacht hat etc. Kurz: Volksbühne­n-Diskurs, Teil 3: Dark Star“. Nun muss Pollesch als Intendant unter Beweis stellen, dass er es nicht nur mit seinen Texten, seinen Stücken und seinen Schauspiel­ern kann, sondern dass er ein großes, angeschlag­enes Schauspiel­haus leiten und wieder auf Vordermann bringen kann.

Pikant an seiner Berufung ist, dass Chris Dercon sich ebenfalls um Pollesch bemüht hat, ihn am liebsten in führender Position am Haus engagiert hätte. Allerdings, so wird kolportier­t, habe Pollesch das Angebot abgelehnt, als Dercon es ihm mit dem Satz „Ich mache dich weltberühm­t“versüßen wollte.

Bei seiner Vorstellun­g nun betonte er, an der Volksbühne sollten Autorenkol­lektive direkt mit den Schauspiel­ern arbeiten und „kleine wendige Theatertru­ppen“bilden. Regisseure müsse man „weglassen“– eine Wendung gegen das Regietheat­er, das Castorf hier prägte. Es solle nun eine funktionie­rende Arbeitspra­xis im Vordergrun­d stehen, nicht die Orientieru­ng am Zuschauer. Er selbst werde zwei Mal pro Spielzeit Stücke in dem Haus am Rosa-Luxemburg-Platz inszeniere­n. Und mit ihm zurückkehr­en werden unter anderem Schauspiel­er wie Martin Wuttke und Sophie Rois, Theatermac­her wie das Duo Ida Müller und Vegard Vinge.

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Foto: Ullstein René Pollesch

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