René Pollesch soll die Berliner Volksbühne wiederbeleben
Nach all den Kämpfen soll es nun der eigenwillige Theatermacher richten. Aber er will dabei nicht an die Castorf-Ära anknüpfen
Berlin Endlich ist ein Nachfolger gefunden! Die Berliner Volksbühne bekommt einen neuen Chef – René Pollesch soll das Theater ab 2021 übernehmen. Übergangsweise leitet bis dahin Klaus Dörr weiter das Haus. Damit wird das Experiment, diesem Berliner Theater eine völlig neue Ausrichtung zu geben, endgültig rückabgewickelt.
Auf die Ära Frank Castorf, der die Volksbühne von 1992 bis 2017 geleitet hat und das Theater im wiedervereinigten Deutschland als feste und progressive Größe verankert hat, folgte ein radikaler Bruch, in dem der Kulturmanager und Museumsmann Chris Dercon als Nachfolger ausgewählt wurde. Schon im Vorfeld von dessen Intendanz gab es an der Volksbühne filmreife Szenen – Dercon musste sich im Vorfeld mit Hilfe eines Anwalts Zutritt zum Haus verschaffen. Noch vor seiner ersten Premiere schlug ihm von dem alten Volksbühnen-Publikum jede Menge Ablehnung entgegen, weil es befürchtete, dass aus dem widerständigen Haus eine Theater-Außenstelle des internationalen Museums-Jet-Sets werden sollte. Das alles gipfelte im September 2017 zu Beginn von Dercons erster Spielzeit in einer Besetzung der Volksbühne, die durch die Polizei beendet wurde. Gut ein halbes Jahr später, im April 2018, entließ der Berliner Kultursenator Klaus Lederer den Intendanten Dercon. Das Experiment, das Lederers Vorgänger eingefädelt hatten, war damit auch offiziell für gescheitert erklärt worden. Den künftigen Intendanten René Pollesch, 56, verbindet eine lange Geschichte mit der Volksbühne. Seit 2001 hat er an dem Haus als einer der prägenden Regisseure der Castorf-Jahre gearbeitet. Pollesch inszeniert keine Klassiker. Er hat hier wie an vielen großen Häusern in Deutschland immer mit seinen Lieblingsschauspielern zusammengearbeitet, um mit ihnen aus eigenen Texten postdramatische Stücke zu erarbeiten, die den Zeitgeist aufspießen, die Gegenwart infrage stellen und gleichzeitig auch irre komisch sein können. Seine Stücke tragen Titel wie „DarwinWin & Martin Loser-Drag King & Hygiene auf Tauris“, wie „I love you, but I’ve chosen Entdramatisierung“oder: „Diskurs über die Serie und Reflexionsbude (Es beginnt erst bei Drei), die das qualifiziert verarscht werden great again gemacht hat etc. Kurz: Volksbühnen-Diskurs, Teil 3: Dark Star“. Nun muss Pollesch als Intendant unter Beweis stellen, dass er es nicht nur mit seinen Texten, seinen Stücken und seinen Schauspielern kann, sondern dass er ein großes, angeschlagenes Schauspielhaus leiten und wieder auf Vordermann bringen kann.
Pikant an seiner Berufung ist, dass Chris Dercon sich ebenfalls um Pollesch bemüht hat, ihn am liebsten in führender Position am Haus engagiert hätte. Allerdings, so wird kolportiert, habe Pollesch das Angebot abgelehnt, als Dercon es ihm mit dem Satz „Ich mache dich weltberühmt“versüßen wollte.
Bei seiner Vorstellung nun betonte er, an der Volksbühne sollten Autorenkollektive direkt mit den Schauspielern arbeiten und „kleine wendige Theatertruppen“bilden. Regisseure müsse man „weglassen“– eine Wendung gegen das Regietheater, das Castorf hier prägte. Es solle nun eine funktionierende Arbeitspraxis im Vordergrund stehen, nicht die Orientierung am Zuschauer. Er selbst werde zwei Mal pro Spielzeit Stücke in dem Haus am Rosa-Luxemburg-Platz inszenieren. Und mit ihm zurückkehren werden unter anderem Schauspieler wie Martin Wuttke und Sophie Rois, Theatermacher wie das Duo Ida Müller und Vegard Vinge.