Jugendfürsorge hält an Dürrlauingen fest
Das Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum St. Nikolaus verkleinert sich. Warum das so ist und wie es mit Millioneninvestitionen fit für die Zukunft gemacht werden soll
Dürrlauingen Das „Ja“war nicht zu überhören, als Carmen Seitz die Mitarbeiter des Berufsbildungsund Jugendhilfezentrums St. Nikolaus fragte: „Und habt ihr Lust drauf?“Seitz ist Abteilungsleiterin für Wirtschaft und Finanzen in der Katholischen Jugendfürsorge (KJF). Die Organisation in der Diözese Augsburg betreibt St. Nikolaus. Die beiden Personalversammlungen endeten aber nicht in Jubelstimmung. Zu frisch war das eben Gesagte. Und zu lange wuchsen Befürchtung und Unsicherheit, dass es mit der Einrichtung für Kinder und Jugendliche, die gesellschaftlich eingegliedert werden und einen Beruf erlernen sollen, nicht mehr weitergeht. Bis die Erleichterung sich breitmachen kann, dauert es noch kurz. Die Vorzeichen standen auch nicht unbedingt gut in den vergangenen Wochen und Monaten: Der Fachkräftemangel macht Betriebe alles andere als wählerisch. Sie entscheiden sich häufiger als früher, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten; Menschen, die sie vor Jahren niemals genommen hätten. Ob die Ausbildung ohne die Expertise eines Berufsbildungsund Jugendhilfezentrums dann tatsächlich auch abgeschlossen wird, steht auf einem anderen Blatt. Für die Beteiligten spielt das zunächst eine untergeordnete Rolle.
Einrichtungen wie St. Nikolaus fehlen also zusehends diejenigen, mit denen eigentlich kalkuliert worden war.
Das Bundesteilhabegesetz habe auch seinen Teil zur Entwicklung beigetragen, erzählt Michael Breitsameter, der nicht mehr nur kommissarischer Chef der Einrichtung ist, sondern nun ganz offiziell die Leitung von St. Nikolaus übernommen hat. Denn die gestärkte Wahlfreiheit des Klientels bedeute nicht unbedingt, dass ein ländlich geprägter und mit seiner Infrastruktur in die Jahre gekommener Standort favorisiert werde. Die Zeichen der Urbanisierung seien eindeutig, sagt der KJFVorstandsvorsitzende Markus Mayer. „Alles drängt wieder in die Stadt.“
Noch eines macht der Katholischen Jugendfürsorge zu schaffen: Dass sich der Berufsbildungsmarkt stark ökonomisiert habe. Konkret bedeutet dies, dass Mitarbeiter anderer Einrichtungen längst nicht überall nach Tarif bezahlt werden. Daher hätten Mitbewerber bei der Ausschreibung eines Angebotes preislich mehr Spielraum. Die KJF wolle aber kein Preisführer sein, „sondern Qualitätsführer“, sagt Mayer und spielt auf die Herausforderungen an, die mit der Betreuung der jungen Leute verbunden sind. Auszubildende mit einer Lernbehinderung, die ansonsten „brav und lieb“seien, spielten nur noch eine untergeordnete Rolle, ergänzt Breitsameter. Früher stellten sie den Löwenanteil in St. Nikolaus. Inzwischen sei dieser Personenkreis auf ein Prozent zusammengeschrumpft. „Wir haben mit Menschen mit massiven Handicaps zu tun; mit welchen, die sexuell missbraucht wurden; mit welchen, die schwere psychische Störungen haben“, nennt er Beispiele.
Das aber spornt die KJF an, ihre Dürrlauinger Einrichtung kräftig umzukrempeln. Der Gesamtverband, der Vorstand und der Aufsichtsrat der kirchlich getragenen Einrichtung haben beschlossen, in den Standort zu investieren. Vorstandsvorsitzender Mayer sagt auf Nachfrage: „Klar ist aber auch, dass wir nie mehr so groß sein werden, wie wir schon einmal waren.“
Im eigentlichen Berufsbildungswerk werden ungefähr 100 junge Leute betreut. Auf dem Campus wohnen weitere 200. Die frühere Zahl 450 ist davon weit entfernt.
Etwa fünf Hektar des insgesamt 17 Hektar großen Geländes werden künftig nicht mehr genutzt. Zu den Veränderungen gehört, dass die Gebäude nördlich der Berufsbildungsstraße so hergerichtet werden, dass in ihnen das Kerngeschäft betrieben werden kann; die Gebäude zwischen Berufsbildungsstraße und Sankt-Nikolaus-Straße sollen im Lauf der nächsten Zeit geräumt werden, für die Nikolaus-von-Myra-Schule soll ein Neubau nördlich der Berufsbildungsstraße entstehen. Das höchste Gebäude Dürrlauingens, das bisherige Personalwohnhaus an der Direktor-Schneller-Straße, soll zum Verkauf angeboten werden, da es für die Einrichtung nicht mehr benötigt wird. Weiterhin ist unter anderem geplant, in die EDV zu investieren, einige neue Maschinen für die Ausbildungsbetriebe anzuschaffen und die Fassaden der Gebäude auf dem sogenannten Nordcampus zu erneuern. In einem ersten Schritt werden Investitionen in Höhe von 4,5 bis fünf Millionen Euro nötig ein, sagt Mayer, der als Ziel ausgibt, „Sankt Nikolaus fit für die Zukunft zu machen“.
Dass es zum Berufsbildungswerk in Dürrlauingen, das im Vergleich zu anderen Einrichtungen dieser Art überdurchschnittlich viele Schützlinge in Lohn und Arbeit bringt, keine Alternative gibt, formuliert der Leiter von St. Nikolaus folgendermaßen: „Wir sind Spezialisten für den Umgang mit schwierigen Jugendlichen, und auf diesem Gebiet sehen wir eine dauerhafte Nachfrage. Die Gesellschaft braucht uns.“ Berufsbildungswerk In Dürrlauingen können derzeit mehr als 20 Berufe erlernt werden. Es gibt 51 dieser Einrichtungen in Deutschland, zwei davon (St. Nikolaus in Dürrlauingen und St. Elisabeth in Augsburg) betreibt die KJF.