Wie war das damals, mit dem Zeugnis?
Heute gibt es Zeugnisse. Ein ehemaliger Abiturient erinnert sich an seine Schulzeit. Seitdem hat sich einiges verändert
Heute bekommen rund 8000 Schüler im Kreis ihr Zeugnis. Manche werden belohnt. Doch wie war das vor 50 Jahren?
Höchstädt Heute erhalten die Schüler ihre Zeugnisse. Lena Römer, 17 Jahre, wird es auch ihrer Oma zeigen. Sind die Noten gut, bekommt sie etwas mehr Geld als für ein durchschnittliches Zeugnis, sagt die Schülerin aus Kicklingen. Zwischen fünf und 20 Euro bewege sich die Belohnung. „Ich bekam früher für eine Eins eine Mark und für eine Zwei fünfzig Pfennig“, erinnert sich Alfred Schneid. Eine Mark sei damals viel wert gewesen: „Für zehn Pfennig gab es ja schon eine Kugel Eis – und heute gibt es Autos.“Stimmt schon, gibt Lena zu. Aber wenn, dann nur zum Abi, nur für einen Einserschnitt und selbst dann sei das Auto die Ausnahme. Gemeinsam besuchen die beiden die Ausstellung „Macht Schule“im Höchstädter Schloss. Viele Erinnerungen aus Schneids Schulzeit stehen dort, er kennt die Räume gut. Und Lena schaut eben vorbei. Der erste Raum ist den Spickzetteln gewidmet. 1500 Stück sind ausgestellt, in allen Variationen. Lena weiß, dass ein Mitschüler seinen Spickzettel mal direkt unter das Angabeblatt gelegt hatte. Der Wertinger flog auf. Auch das Handy unter dem Mäppchen zu verstecken, sei keine gute Idee gewesen. Alfred Schneid seinerseits hatte einst im Religionsunterricht gespickt – er hatte ein Buch auf dem Schoss liegen und schrieb daraus ab. „Der Lehrer hat es gesehen, aber nur den Kopf geschüttelt. Es war die Bibel“, erinnert sich Schneid und lacht verschmitzt. Wenn man versuche, Themen zusammenzufassen, damit sie auf einen winzigen Zettel passen – dann wüsste man zum Schluss ohnehin, was draufsteht und könne sich den Spicker sparen, findet er. Im nächsten Raum steht ein ehemaliges Klassenzimmer.
Die Heimatkarte prangt an der Wand, daneben steht ein Abakus. Davor schräge Holztische mit integrierten Bänken. „Die standen noch im alten Gymnasium“, erinnert sich Schneid. Heute würden Einzeltische nach Bedarf zusammengestellt, sagt Lena. Aber beide hatten noch einen Setzkasten in der Grundschule. Doch während der stellvertretende Landrat von Dias oder 16 Millimeter-Filmen lernte, werden inzwischen die sogenannten OverheadProjektoren immer mehr durch Beamer oder Smartboards ersetzt. Da wird an der Wand gezeigt, was der Lehrer vor sich auf dem Laptop tippt. Früher, da lernten die Schüler nicht nur die lateinischen Buchstaben, sondern auch die Sütterlinschrift. „Heute ist wichtig, dass man lesbar schreibt und die Grammatik passt. Ein paar Fehler sind nicht schlimm und Kommas nicht mehr so wichtig“, sagt die Zehntklässlerin. Bei Alfred Schneid wurde jeder Fehler negativ bewertet. Kommasetzung, „ß“oder „ss“, auf alles wurde penibel geachtet.
In einem Kasten steht Schneids Abiturzeugnis von 1969. Viele Fächer, die dort ausschließlich mit Eins und Zwei benotet worden sind, gibt es auch heute noch. Und Informatik war damals schon Wahlfach. Nur Biologie fehlt. „Ich habe stattdessen Chemie und Kunst gewählt“, sagt Schneid und zieht seine Abschlussarbeit hervor: Das Kreideporträt eines Mitschülers. Lothar Schätzl war damals sein Kunstlehrer. „Er kochte uns immer Tee, wir saßen auf den Tischen und diskutierten“, erinnert sich Schneid. Sieben Schüler hatten sich zum Abi hin für das Fach Kunst entschieden.
sei eher ein durchschnittlicher Schüler gewesen, wollte aber unbedingt ein gutes Abiturzeugnis, um eine Begabtenförderung zu erreichen. Das klappte. Die ganze Klasse sei zum Schluss sehr ehrgeizig gewesen. Da saßen zwei Mathegenies und manche wollten Medizin studieren. Just da wurde der Numerus clausus eingeführt – und gute Noten wurden noch wichtiger.
Die Schüler sammelten ihre Einträge damals in einem kleinen Ordner. Heute sind Ordner und Hefte üblich. Nur vereinzelt würden Schüler mit Laptops im Unterricht sitzen und mittippen.
Aber etwas hat sich in all den Jahren nicht verändert. Schneid zieht ein kleines Büchlein hervor: Die vierte Ausgabe des Schnakenstichs. Autoren damals unter anderem: Alfred Witte, Stadtrat in Dillingen, Dieter Schinhammer, Vorsitzender des historischen Vereins, und der Sohn des Kunstlehrers, der ebenfalls Lothar Schätzl hieß. Damals war die Schrift winzig, statt Fotos gab es Drucke. Heute sei der Schnakenstich doppelt so groß, weiß Lena.
Und wie waren die Ferien? Schneid, einer der wenigen Fahrschüler am Sailer-Gymnasium, verbrachte die Freizeit erst mit Fußballspielen mit Nachbarskindern und vielen Besuchen bei der Verwandtschaft in Nesselwang und im Ries. In Lenas Klasse fahren viele in den Urlaub oder sind beinahe jeden Tag mit Freunden unterwegs. „Ich persönlich genieße es mehr, sechs Wochen lang meine Ruhe zu haben und Bücher zu lesen“, sagt die 17-Jährige.
Schneid erinnert sich daran, als er so alt war. Als Mädchen interessant wurden, habe man damals viel telefoniert. „Dabei hat man nur jedes Mal komplett die Leitung blockiert, und die Eltern haben aufgepasst, dass es nicht zu teuer wurde. Manche hatten sogar eine ZählEr uhr.“Heute bleibt man per Smartphone in Kontakt: „Whatsapp, Snapchat, Instagram“, zählt Lena ruckzuck drei Apps auf, über die sie mit ihren Mitschülern kommuniziert. Gerade vor einer Klausur würden da teils panisch Fotos geteilt, um was es da eigentlich geht, sagt sie und lacht. Damals wie heute lernten die Fahrschüler oft unterwegs im Bus vor dem Unterricht gemeinsam. „Es gab eine große Solidarität“, erinnert sich Schneid. Zum Schluss wünscht er Lena alles Gute und meint: „Zur Abifeier sehen wir uns wieder!“ Ausstellung „Macht Schule! Schwäbische Schulgeschichte(n) erzählen vom Schulleben ab 1945 bis heute“ist noch bis Oktober während der üblichen Öffnungszeiten des Höchstädter Schlosses zu sehen.
Wir haben einige Prominente gefragt, wie sie sich an ihre Schulzeit erinnern