Verhafteter Tannhäuser
Unsere Nachtkritik aus Bayreuth
Bayreuth Wunderliches über Wunderliches: Wie der Flug und unter Amüsement vergeht der erste Aufzug, und das ist bei Wagner gewiss höchst vielversprechend. Keine Minute verstreicht, die hier nicht penibelst in Video und Szene durchgestaltet wäre: von Tannhäusers Flucht aus dem liederlichen Liebesnest der Venus – hier ein alter Citroën-Kastenwagen – bis hin zu seinem Einzug in die Wartburg – hier, in der Bayreuther „Tannhäuser“-Neuinszenierung, darstellend das Festspielhaus selbst. Und so war schon mal ein starkes Regie-Statement gesetzt: Was wir erleben, ist Tannhäusers, respektive Richard Wagners Künstlerwerdung. Woran sich surrealste Trash-Szenen der Drag-Queen Le Gateau Chocolat anschließen – im Park unterhalb des Grünen Hügels und unter den Augen berittener Schutzpolizisten. So crazy war Bayreuth noch nie. Und die Polizei erhält auch noch einen Auftritt in der Aufführung selbst, weil der Tannhäuser – zweiter, erneut amüsanter Aufzug – unmissverständlich und unerhört eintritt für musikalische Hoch- und musikalische Underground-Kultur. So viel Liebe muss sein für die Kunst. Der dritte Aufzug aber wendet das Blatt ins Tieftragische hinein – und ein großer, kluger, bildmächtiger Abend des Regisseurs Tobias Kratzer endet im Jammer über den Suizid Elisabeths. Sie hatte zuvor unter dem ungleichmäßigen Valery Gergiev am Pult alle an die Wand gesungen. Ihr Name: Lise Davidsen.