Klare Kante
Ludwig Mies van der Rohe prägte die Architektur-Moderne
Gott steckt im Detail. Diesen Spruch hatte Ludwig Mies van der Rohe gerne auf den Lippen, damit konnte er seinen Perfektionismus charmant begründen. Der vor 50 Jahren gestorbene Architekt, neben Le Corbusier und Frank Lloyd Wright maßgebend für die Moderne, wollte nichts dem Zufall überlassen. Seine Bauten, die so einfach und klar daherkommen, durchliefen unzählige Entwurfsstadien. Farbe kam nur wohldosiert zum Einsatz, das Material sollte seine Wirkung ganz entfalten. Dazu gehörten Stahlbeton, Metall, Glas und immer wieder sündteurer Stein.
Das Ergebnis war grandios. Das kann man etwa in der Villa Tugendhat in Brünn erleben, wo Konstruktion und Wand strikt voneinander getrennt sind und einen variablen Grundriss ermöglichen. Dazu kommen ausladende Glasfronten, unterbrochen von filigranen Stahlstützen, die den Blick in die Landschaft öffnen und im Idealfall Innen und Außen miteinander verschmelzen. In letzter Konsequenz hat Mies das im Farnsworth House in Illinois umgesetzt. Die Auftraggeberin klagte zwar, das Haus sei durchsichtig wie ein Röntgenbild. Heute aber zählt die scheinbar schwebende Villa zu den Ikonen der modernen Architektur, und Mies kommt hier seinem Ideal „Weniger ist mehr“so nahe wie in keinem anderen Werk.
Der 1886 in Aachen geborene Ludwig Mies hatte als Maurerlehrling angefangen, zieht aber 1905 nach Berlin, wo er im Büro des angesagten Peter Behrens landet. Dort plant man für große Klienten und die Industrie, doch Mies will eigene Projekte und einen eigenen Stil entwickeln. Um weltläufiger zu wirken, hängt er Rohe, den Mädchennamen seiner Mutter, an. Er ist voller Ideen, entwirft Glashochhäuser und konzipiert mit dem Haus Ryder in Wiesbaden 1923 sein erstes weiß verputztes kubisches Wohnhaus mit geneigtem Flachdach. Man betraut ihn mit der Planung der Stuttgarter Stadterweiterung – die Weißenhofsiedlung wird in die Annalen eingehen. Und schließlich bittet ihn Walter Gropius, das Bauhaus zu leiten.
Der neue Direktor macht jedoch keine gute Figur, vor allem nicht beim Eiertanz mit den Nazis. Mies biedert sich an, angeblich zum Schutz der Schule, tritt in die Reichskulturkammer ein und beteiligt sich 1933 am Wettbewerb für die Reichsbank. Doch die Nazis mögen seine Architektur nicht, und so emigriert er nach einigem Zögern 1938 in die USA. Hier baut er mehr denn je und in Dimensionen, die ganz nach seinem Geschmack sind: Landvillen, Apartments, Wolkenkratzer wie 1958 das elegante Seagram Building in New York. Dass er am Ende seiner sagenhaften Karriere noch einmal in Berlin wirken soll, rührt den von Arthritis geplagten Zigarrenraucher. Die Neue Nationalgalerie wird ihm angetragen, und er greift dabei auf einen nicht realisierten Entwurf für den Rum-Produzenten Bacardi zurück. Doch Mies erlebt den großen Wurf an der Spree nicht mehr, ein Jahr vor der Eröffnung erliegt er am 17. August 1969 seiner Krebserkrankung.