„Ich bin definitiv kein Monarchist“
Rolf Seelmann-Eggebert hat sich fast ein ganzes Journalistenleben mit dem Thema Adel beschäftigt. Die Queen verlieh ihm sogar einen Ritterorden. Doch er hat als Korrespondent in Afrika auch schreckliche Massaker erlebt
Herr Seelmann-Eggebert, Sie gelten seit Jahrzehnten als Adelsexperte im deutschen Fernsehen. Wären Sie, der Sie aus einem bürgerlichen Haus im klassischen Sinne kommen, gern als Adeliger auf die Welt gekommen?
Rolf Seelmann-Eggebert: Nein, ich bin gern so auf die Welt gekommen, wie ich es halt bin. Wir haben in Deutschland keine Monarchie und darum bin ich definitiv kein Monarchist. Das wäre vielleicht anders, wenn ich als Engländer auf die Welt gekommen wäre.
Sie haben von der Queen den Ritterorden bekommen, Sie sind Commander of the British Empire (CBE). Sind Sie nun also doch noch Adeliger geworden? Seelmann-Eggebert: Als Commander bin ich nur Offizier des British Empire – nicht aber Adeliger. Die Ritterorden des Empires umfassen fünf Stufen. Erst die beiden höchsten Stufen sind mit einer Erhebung in den – nichterblichen – Adelsstand verbunden. Ich bin aber nur auf der dritten Stufe.
Was hat man dann davon, wenn man CBE ist?
Seelmann-Eggebert: Ziemlich wenig. Bei großen offiziellen Partys in Britannien ist man gehalten, den Orden zu tragen. Vor allem, wenn die Queen einlädt.
Ihr Vater hatte besondere Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II. Er kannte ihn sogar persönlich. Wie kam das? Seelmann-Eggebert: Mein Vater war bis 1918 im preußischen Justizministerium Geheimrat – und kraft Amtes für das Kaiserhaus zuständig. Nach dem Ersten Weltkrieg war Wilhelm ja sozusagen nur noch eine Privatperson. Und mein Vater wurde Anwalt. Aus der früheren Verbindung heraus kümmerte sich mein Vater aber weiter um Erbangelegenheiten des Ex-Kaisers und kannte ihn darum auch persönlich.
Ihre Expertise erstreckt sich auf die sieben Königshäuser Europas sowie das Großherzogtum Luxemburg und die Fürstenhäuser Liechtenstein und Monaco. Aber es gibt ja auch noch den deutschen Adel. Dieser verlor vor ziemlich genau 100 Jahren seine Privilegien. Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere, das Spezifische am deutschen Adel? Seelmann-Eggebert: Anders als etwa in Dänemark oder Großbritannien – wo die Königinnen Staatsoberhäupter, Repräsentanten der Nation und somit Teil des politischen Systems sind – spielt der deutsche Adel bei uns politisch keine Rolle. Das schützt ihn aber auch davor, im gesellschaftlichen Ansehen weiter abzustürzen. Das Spezifische ist zudem im Vergleich zu anderen Ländern, dass es einen Adel mit Wurzeln im Osten gibt, der nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR sowie in den heute polnischen und russischen Gebieten viele Territorien und vielleicht auch Reichtümer verloren hat. Und einen Adel im Westen, dem in der Bundesrepublik viele Territorien und Güter erhalten blieben.
Was sagen Sie zu den derzeitigen Forderungen etwa der Familie der Hohenzollern (sie stellten unter anderem die deutschen Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II.), dass der Bund ihr unter anderem mietfreies Wohnen in ihren früheren Schlössern ermöglichen und Kunstwerke und historische Erinnerungsstücke ausliefern soll? Seelmann-Eggebert: Man kann das Problem gut anhand des Beispiels England erklären. Dort unterscheidet man zwischen dem Privatbesitz der Queen und dem sogenannten Kronbesitz, der der Queen aber nicht gehört, sondern vom Staat verwaltet und der jeweiligen Queen oder dem König nur zur Verfügung gestellt wird. In Deutschland hatten wir so eine klare Auftrennung nicht. Darum müssen nun wohl Juristen entscheiden, welche Ansprüche des Adels rechtmäßig sind und welche nicht.
Sie sind ein profunder Kenner Englands – die anderen Landesteile Britanniens lassen wir hier mal außen vor. Was ist aus Ihrer Sicht der Kardinalunterschied zwischen der englischen und der deutschen Gesellschaft? Seelmann-Eggebert: Die britische Gesellschaft ist eine in hunderten von Jahren gewachsene Gesellschaft – mit einem im Prinzip gleichen politischen Konzept. Sie waren die Kolonialherren der Welt, die diese Position eher langsam einbüßten. Bei uns waren es hingegen mehrere schmerzhafte und fatale Geburtsprozesse, bis eine Demokratie entstand. Dazu das Bewusstsein, zwei Kriege verloren zu haben. Etwas, das die Briten so nicht kennen.
Die Briten gelten als Volk, das einen besonderen Humor pflegt. Stimmt es, dass Sie in Bristol einmal 42 Tassen Tee an einem Tag tranken? Wie kam das? Wurde Ihnen übel? Seelmann-Eggebert: Das war ein Studenten-Gag an dem College in Bristol, an dem ich damals studierte. An komischen Ideen war England stets reichhaltiger als Deutschland. Das Ganze erstreckte sich allerdings von fünf Uhr morgens bis drei Uhr nachts. Mir ging es dabei übrigens nicht schlecht, übel wurde mir jedenfalls nicht. Heute trinken die Engländer übrigens fast genauso oft Kaffee wie wir.
Wenn Sie abends zu Hause in Hamburg bei einem Glas entspannen wollen: Gin Tonic oder ein gutes deutsches Bier?
Seelmann-Eggebert: Ganz ehrlich? Ich trinke gern Weißwein.
Ein auch in Deutschland beliebtes Mitglied der Königsfamilie ist Prinz Philip, Ehemann der Queen, dem Sie erstmals in den 1980ern in Afrika begegnet sind. Er hat bekanntlich deutsche Wurzeln. Spricht er Deutsch? Seelmann-Eggebert:
Prinz Philip spricht tatsächlich Deutsch, er ist als Jugendlicher ein Jahr in Salem am Bodensee zur Schule gegangen. Das ist natürlich nicht sehr lang, darum tut er sich mit dem Deutschen schwer. Ich habe es ihm deshalb hoch angerechnet, dass er sich einst von mir auf Deutsch interviewen ließ und auf Deutsch antwortete.
Man sagt, Sie hätten auch Prinz Charles dazu gebracht, in einem Filmbeitrag Deutsch zu sprechen. Wie hat er sich angestellt? Seelmann-Eggebert: Prinz Charles ist schon immer ein vielseitiger Mensch gewesen, der sich etwa für Architektur und Städtebau interessiert. Es gab dazu Dokumentationen der BBC, die wir auch in Deutschland zeigen wollten. Es gelang uns, den Prinzen dazu zu überreden, ein Geleitwort auf Deutsch zu sprechen. Charles gab sich dabei in der Vorbereitung ausgesprochen viel Mühe, den Text sauber auszusprechen. Das ist ihm gelungen.
Was ist Ihre Lieblingsregion Britanniens und warum? Seelmann-Eggebert: Ich habe, wie schon gesagt, in Bristol im Westen Englands studiert. Das ist die Partnerstadt Hannovers, wo ich aufwuchs. Dort gefällt es mir nach wie vor sehr gut, die Stadt ist schön, die Landschaft auch – und der schöne Südwesten Englands mit Cornwall ist nicht weit entfernt.
Was viele nicht wissen: Sie waren von 1968 bis 1976 Afrika-Korrespondent für die ARD. Dort haben Sie Schönes und Spannendes erlebt, aber auch sehr schreckliche Dinge. Seelmann-Eggebert: Mitte der 1990er Jahre gab es einen Völkermord in Burundi und Ruanda. Ich habe einen schrecklichen Vorläufer dieser Auseinandersetzung zwischen den Stämmen der Tutsi und Hutu schon 1972 erlebt. Damals wurden bis zu 150000 Hutu von der TutsiArmee ermordet. Wir flogen mit einem Hubschrauber über dem Victoriasee und sahen hunderte von Leichen an den Ufern. Es war ein Gemetzel, das einen fassungslos machte. Das Brutalste, was ich in meiner ganzen Korrespondentenzeit erlebt habe. Nach 1960, als die meisten Kolonien aufgelöst wurden, gab es eine große Hoffnung, dass sich ein freies Afrika positiv entwickeln würde. Es zeigte sich aber, dass die Lage dort viel unübersichtlicher ist, als man meinte. Es brachen Konflikte zwischen vielen Stämmen auf, die man vorher nicht im Blick hatte.
Haben Sie heute noch eine enge Beziehung zu Afrika? Wie schätzen Sie die Lage auf diesem Kontinent, dessen Situation nicht einfach ist, ein? Seelmann-Eggebert: Mich verbindet noch viel mit Afrika. Meine drei Kinder sind in Afrika aufgewachsen. Wenn Sie dort – heute noch – aus dem Flugzeug aussteigen, sagen sie, dass sie sich heimisch fühlen, wenn sie die Luft dort riechen. Auch mich hat dieser Kontinent vom ersten Tag an fasziniert. Gleichwohl sind die Probleme riesig. Es gibt ein explodierendes Bevölkerungswachstum, aber keine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, damit die Menschen dort gut leben können. Den Exodus, der daraus erfolgt, erleben wir nun in den Flüchtlingsströmen, die zu uns kommen.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie als Afrika-Korrespondent später zum Adelsexperten wurden? Seelmann-Eggebert: Ich bekam 1978 das Angebot, ARD-Korrespondent und Studioleiter in London zu werden. Für mich ging damit ein Traum in Erfüllung. Diese Arbeit brachte zwangsläufig die Beschäftigung mit dem britischen Adel mit sich. Der Rest ergab sich so.
Sie tragen gern gute blaue Anzüge, in denen Sie selbst ein bisschen wie ein Adeliger aussehen. Gleichzeitig sind Sie seit 1968 Mitglied der SPD. Ist das ein Widerspruch? Seelmann-Eggebert: Nein. Ich trat in den turbulenten 68ern der Partei bei, weil ich Farbe bekennen wollte. Ich bin allerdings nie politisch tätig geworden. Jüngst habe ich dann eine Urkunde bekommen für meine 50-jährige Mitgliedschaft.
Sie sind seit 1964 mit Ihrer Frau Barbara verheiratet. Wie hat Sie das Leben an der Seite eines Korrespondenten erlebt?
Seelmann-Eggebert: Das war nicht immer einfach. Ich war – etwa in der Afrikazeit – oft unterwegs und sie mit den Kindern allein, bei tropischen Regengüssen und Tornadogewalten. Sie hat eine enorme Disziplin, machte später noch ihren Abschluss als Psychotherapeutin und arbeitete 20 Jahre in eigener Praxis in Hamburg. Heute setzt sie ihre Kenntnisse ein, um ehrenamtlich Flüchtlingskindern zu helfen.
Sie haben nun zusammen mit Ihrer Tochter Adele Ihre Memoiren geschrieben. Das hat etwas Resümierendes. Haben Sie noch einen besonderen Wunsch, den Sie sich erfüllen wollen? Seelmann-Eggebert: Ich habe zwar jüngst das regelmäßige journalistische Schreiben aufgegeben. Aber wenn es noch große Ereignisse beim englischen Königshaus oder in Afrika geben sollte, dann kann es durchaus sein, dass ich mich gern doch noch einmal dazu offiziell äußern möchte – falls ich dann etwas Wichtiges zu sagen hätte.
Mich verbindet noch viel mit Afrika