Blaugrüne Gefahr im Badesee
Blaualgen verbreiten sich diesen Sommer offenbar so schnell wie lange nicht – mit unangenehmen Folgen für Menschen bis hin zu tödlichen für Tiere. Was ist los in Bayerns Seen?
Augsburg Der Terrierwelpe war erst 13 Wochen alt. Seine Besitzerin wollte mit ihm einen Spaziergang am Ufer des Mandichosees in Merching machen, trug ihn liebevoll auf dem Arm Richtung Wasser. Jetzt ist der kleine Hund tot – einfach zusammengebrochen am Ufer des Badesees im Kreis Aichach-Friedberg. Er ist dort Todesopfer Nummer drei innerhalb von zwei Wochen. Erst hatte die Polizei Giftköder vermutet, doch jetzt sieht es danach aus, als läge die Ursache im Wasser: Eine seltene Art von Blaualgen könnte die Tiere das Leben gekostet haben.
Blaualgen sind in deutschen Seen keine Seltenheit – doch in diesem Jahr verbreiten sich die Bakterien, die bei Menschen Haut und Atemwege reizen und Magen-Darm-Erkrankungen hervorrufen können, offenbar besonders schnell. Nach Analysen des Bundes für Umwelt und Naturschutz gab es allein zwischen Juli und Mitte August an mindestens 32 Badestellen in Deutschland Schwimmverbote. An 88 Stellen sei vor den Algen gewarnt worden. 2018 waren laut einer Anfrage der Grünen im Bundestag bereits 47 Badeverbote wegen der Algenplage ausgesprochen worden, in den Jahren davor meist unter 20. „Blaualgen sind ein deutliches Zeichen, dass unsere Gewässer in einem ökologisch kritischen Zustand sind“, sagte Laura von Vittorelli, Expertin für Gewässerpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Aber was genau ist da los in den Seen?
Wenn Blaualgen massenhaft auftreten, sprechen Biologen von einer Algenblüte. Sie sieht ein bisschen aus, als wären Eimer mit zähflüssiger grüner Ölfarbe ins Wasser gekippt worden. Martina Junk, Pressesprecherin am bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen, hat eine Vermutung, warum sich die Algen zuletzt so weit verbreiteten: „Es liegt nahe, dass das trockene und heiße Wetter 2018 möglicherweise Bedingungen geschaffen hat, die in mehr Gewässern zu Blaualgenblüten geführt haben.“Auch dieses Jahr fielen wieder mehrmals Temperaturrekorde. Fehlen zudem Niederschläge, könne die Konzentration an Nährstoffen für Blaualgen in Seen ansteigen. „Warme Wassertemperaturen können zusätzlich die begünstigen“, erklärt Junk.
Der in Bayern bisher am schlimmsten befallene See liegt im oberfränkischen Fremsdorf. Dort dürfen schon seit Ende Juli Schwimmer nicht mehr ihre Runden ziehen. Proben aus dem See hätten einen hohen Anteil an Blaualgen ergeben, hieß es aus dem Bamberger Landratsamt. Noch dazu habe man Noroviren im See entdeckt. Beides zusammen hatte dazu geführt, dass mehr als 100 Badegäste über Durchfall und Übelkeit, Bauchschmerzen und Fieber geklagt hatten. Zwei weitere Seen bei Bamberg waren zuletzt für Badegäste ebenfalls tabu. Auch der Fixendorfer See in der Oberpfalz wurde wegen einer Algen-Invasion Anfang August gesperrt – er ist der größte Stausee des Regierungsbezirks. In Schwaben sind nach Angaben der Wasserwirtschaftsämter Donauwörth und Kempten abgesehen vom Mandichosee bisher keine Gewässer betroffen.
Naturschützer sehen neben den Witterungsverhältnissen die intensive Düngung in der Landwirtschaft als Ursache dafür, dass Seen von Nährstoffen überflutet sind. Gewässerschützerin Laura von Vittorelli fordert, rechtlich durchzugreifen: „Das bisherige Düngerrecht reicht nicht aus, um das Blaualgen-Wachstum zu bremsen.“
Badegäste müssen auch in den nächsten Monaten weiter die Augen offenhalten: „Massenvermehrungen kommen gelegentlich sogar im Spätherbst vor“, warnt LGL-Sprecherin Junk. Sie rät, vor dem Baden Seen genau unter die Lupe zu nehmen. „Wenn sich an der GewässeroberVermehrung fläche Blaualgenteppiche gebildet haben oder wenn man in knietiefem, blaugrünem Wasser seine Zehen nicht mehr sehen kann, sollte man dort nicht baden.“
Wie es am Merchinger Mandichosee weitergeht, ist unklar – am gestrigen heißen Sonntag wagten sich nur vereinzelt Badelustige ins Wasser. Das Obduktionsergebnis der toten Hunde steht noch aus. Bürgermeister Martin Walch sagte unserer Redaktion: „Das ist für alle eine saublöde Situation, weil niemand genau weiß, was jetzt eigentlich Sache ist.“Der östliche Teil des Sees bleibe vorerst abgesperrt. An diesem Montag werde beraten, wie es weitergeht: „Im schlimmsten Fall könnte es passieren, dass wir den See für die restliche Badesaison gesperrt lassen müssen – aber so weit wird es hoffentlich nicht kommen.“