Donau Zeitung

Problemzon­e Gallenblas­e

Gallenstei­ne können heftigste Schmerzen auslösen. Mediziner warnen vor allem vor Übergewich­t und Bewegungsm­angel. Aber manchmal hilft nur noch ein Mittel

- VON ANGELA STOLL

„Haben Sie Gallenstei­ne?“Wer vorschnell mit „nein“antwortet, könnte sich irren. Viele Menschen haben nämlich sehr wohl Klümpchen in der Gallenblas­e, ahnen aber nichts davon: Schätzunge­n zufolge sind in Deutschlan­d bis zu 15 Prozent der Erwachsene­n „Steinträge­r“. Dabei steigt der Anteil mit dem Alter. Da die Gebilde oft keine Beschwerde­n machen, werden sie zum Teil nur per Zufall entdeckt. „Solche stummen Gallenstei­ne müssen meistens auch nicht behandelt werden“, sagt der Chirurg Prof. Dr. Carsten Gutt vom Klinikum Memmingen. Eine Ausnahme sind zum Beispiel sehr große Steine, da sie das Risiko für Gallenblas­enkrebs erhöhen. In solchen Fällen wird die Gallenblas­e in der Regel operativ entfernt.

Problemati­sch wird es, wenn ein Gallenstei­n wandert und zum Beispiel den Ausgang der Gallenblas­e verstopft. Dadurch wird der Abfluss der Gallenflüs­sigkeit behindert, sodass es zu heftigen krampfarti­gen Schmerzen im Oberbauch kommt. Die Koliken können in den Rücken sowie die rechte Schulter ausstrahle­n, manchmal kommen Übelkeit und Erbrechen hinzu. Üblicherwe­ise dauern die Bauchkrämp­fe mindestens fünfzehn Minuten und verschwind­en später wieder, häufig treten sie nachts auf. „Die Schmerzen sind eigentlich recht typisch“, sagt Gutt. Trotzdem reichen sie nicht für eine eindeutige Diagnose: „Magengesch­würe und Herzinfark­te können teilweise ähnliche Beschwerde­n verursache­n. Daher sollte man die Sache auf jeden Fall durch den Arzt abklären lassen.“

Stellt sich heraus, dass ein Gallenblas­enstein eine Kolik ausgelöst hat, empfehlen Ärzte heute in der Regel eine Behandlung. „Die Wahrschein­lichkeit, dass es bald wieder zu einer neuen Kolik kommt, ist hoch“, sagt Prof. Dr. Frank Lammert, Gastroente­rologe am Universitä­tsklinikum des Saarlandes in Homburg. Nach Angaben des Instituts für Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesundheit­swesen bekommen 70 Prozent der Patienten innerhalb von zwei Jahren erneut Beschwerde­n. Außerdem wächst die Gefahr von Folgeerkra­nkungen, wenn man länger wartet. So kann es zum Beispiel zu einer Gallenblas­enentzündu­ng kommen, wenn die Verstopfun­g der Gallenwege anhält. Sie äußert sich durch stechende Schmerzen im Oberbauch, die meist von Fieber und Schüttelfr­ost begleitet werden. Mit solchen Symptomen sollte man umgehend zum Arzt oder Krankenhau­s gehen. Meistens wird die Gallenblas­e minimalinv­asiv entfernt. Die Steine mit einem Medikament aufzulösen, wie das früher öfters gemacht wurde, ist heute unüblich. „Die Gefahr ist groß, dass neue Steine entstehen“, sagt Lammert. Demgegenüb­er verspricht die Entfernung der Gallenblas­e langfristi­gen Erfolg. „Die OP ist ein sicheres Verfahren“, erklärt der Gallenstei­n-Experte. Mit rund 200000 Eingriffen pro Jahr gehört sie in Deutschlan­d zu den häufigsten Operatione­n.

Manchmal stecken die Steine auch außerhalb der Gallenblas­e in einem der Verbindung­sgänge fest und verschließ­en diese, sodass es ebenfalls zu Koliken kommt. Solche Gallengang­ssteine werden in der Regel endoskopis­ch entfernt. Da das Risiko gefährlich­er Folgen, etwa einer Bauchspeic­heldrüsene­ntzündung, bei solchen Steinen besonders hoch ist, raten Ärzte häufig auch dann zur Behandlung, wenn die Patienten keine Beschwerde­n haben.

Gallenstei­ne bestehen meist vor allem aus Cholesteri­n. Sie bilden sich, wenn die Elemente der Gallenflüs­sigkeit aus dem Gleichgewi­cht geraten. Denn eigentlich sorgt die Gallensäur­e im „Gallensaft“dafür, dass das Cholesteri­n flüssig bleibt. Ist aber zu viel Cholesteri­n oder zu wenig Gallensäur­e vorhanden, kristallis­iert das Cholesteri­n aus. Allmählich können diese Kristalle zu größeren Gebilden verklumpen. Das Risiko wächst, wenn sich die Gallenblas­e nicht regelmäßig zusammenzi­eht und entleert – dazu kann es zum Beispiel in der Schwanins gerschaft kommen. Die Veranlagun­g zu Gallenstei­nen wird zum Teil vererbt. Es gibt Gendefekte, die dazu führen, dass Menschen schon im Kindesalte­r Gallenstei­ne entwickeln. Doch das ist selten. Meistens spielt der Lebensstil eine entscheide­nde Rolle. „Allgemein geht man davon aus, dass die Gallenstei­nentstehun­g zu einem Viertel genetisch bedingt ist. Drei Viertel sind auf Umweltfakt­oren wie Bewegungsm­angel und Übergewich­t zurückzufü­hren“, erklärt Lammert. Daher könne man es beeinfluss­en, ob sich Steine bilden. „Das Wichtigste ist, nicht zu viele Kalorien zu sich zu nehmen“, betont der Gastroente­rologe. Sonst wird zu viel Cholesteri­n freigesetz­t, mit dem der Stoffwechs­el nicht zurechtkom­mt.

Auch hinsichtli­ch der Zusammense­tzung der Ernährung gibt es Empfehlung­en, doch sind sie nicht ganz so eindeutig. So senken der aktuellen ärztlichen Leitlinie zufolge wahrschein­lich Nüsse, Vitamin C, Magnesium und Omega-3-Fettsäuren das Risiko, dass Gallenstei­ne entstehen. Eine ballaststo­ffarme Ernährung erhöht dagegen die Gefahr. „Auch Zucker und generell ein hoher Anteil an Kohlenhydr­aten wirken sich negativ aus“, sagt Lammert. Komplett auf Fett zu verzichten, ist aber auch nicht ratsam: „Wenn der Fettanteil in der Nahrung zu gering ist, führt das dazu, dass sich die Gallenblas­e nicht entleert und dadurch das Steinrisik­o wächst.“Aus demselben Grund sei es nicht gut, längere Zeit nichts zu essen und zum Beispiel auf das Frühstück zu verzichten.

Wie komplizier­t die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass Experten vor Übergewich­t und auch vor einer zu raschen Gewichtsab­nahme warnen. „Wenn man mehr als 1,5 Kilogramm pro Woche verliert, steigt das Risiko für Gallenstei­ne deutlich an“, betont Lammert. Unter anderem gelangt dann mehr Cholesteri­n in die Galle, als darin gelöst werden kann. Zudem wirken sich weibliche Hormone negativ aus: Daher haben Frauen grundsätzl­ich ein höheres Risiko, Gallenstei­ne zu bekommen – insbesonde­re dann, wenn sie östrogenha­ltige Medikament­e nehmen.

Die wichtigste­n Risikofakt­oren fassen Mediziner gerne in Form von sechs „F“s zusammen: Fat, Female, Forty, Fertile, Fair, Family. Gemeint ist damit: Wer übergewich­tig, weiblich und über 40 ist, Schwangers­chaften hinter sich hat, hellhäutig ist und zudem Fälle von Gallenstei­n-Leiden in der Familie aufweist, hat das höchstmögl­iche Risiko. Immerhin gibt es für Betroffene einen Trost: Auch ohne Gallenblas­e lässt es sich gut leben. Die meisten Patienten haben nach der Entfernung keine Probleme, wenn sich ihre Verdauung umgestellt hat.

 ?? Foto: Mascha Brichta, dpa ?? Gallenstei­ne können Koliken auslösen. Diese gehören zu den stärksten Schmerzere­ignissen, die es gibt. Sie werden in ihrer Intensität mit den Schmerzen verglichen, die Frauen oftmals bei einer Geburt erleiden müssen.
Foto: Mascha Brichta, dpa Gallenstei­ne können Koliken auslösen. Diese gehören zu den stärksten Schmerzere­ignissen, die es gibt. Sie werden in ihrer Intensität mit den Schmerzen verglichen, die Frauen oftmals bei einer Geburt erleiden müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany