Wie kommt der Schutt vom Grundstück?
In Dillingen endet ein Nachbarschaftsstreit vor Gericht. Eine Terrasse soll abgetragen werden, dafür ist schweres Gerät nötig. Zu schwer für den Privatweg und die Leitungen darunter, sagen die Anwohner. Der lange Weg zum Kompromiss
Lauingen Richter Markus Klatt zeichnet eine Skizze. Da sind die Reihenhäuser mit ihren Gärten. Davor die vier Meter breite Straße. Hinter den Gärten der Privatweg, wegen dem der Streit entbrannt ist. Um den Richtertisch stehen Menschen, die Klatt erklären, wie es bei ihnen im Dillinger Nordosten aussieht. Der Streit ist so weit gegangen, dass am Brückentag im August fast alle Eigentümer der betroffenen neun Häuser im Amtsgericht zusammengekommen sind.
„Passiert gerade etwas auf der Baustelle?“, fragt der Richter. „Nein, die Baustelle steht still“, sagt die Frau, die auf der einen Seite des Streits steht. Sie will ihre Terrasse erneuern. Dafür soll ein Fünf-Tonnen-Bagger in den Garten fahren, um die Platten herauszureißen. Rund 25 Tonnen Schutt müssen wohl abtransportiert werden, die soll ein 7,5-Tonnen-Laster abholen. Ebenso viel Material muss später für die neue Terrasse herangeschafft werden. Der Zugang zum Garten verläuft über den Privatweg.
Das ist alles viel zu schwer, finden die Eigentümer der anderen Häuser – der Gemeinschaft gehört auch der Privatweg. Und der sei dafür nicht ausgelegt. Vor allem wegen der alten Kanalanlage und der ebenso alten Wasserleitung darunter, beide stammen aus den 60er Jahren. 2018 habe es dort drei Wasserrohrbrüche gegeben. „Ich bin deswegen aus der Versicherung geflogen“, erzählt einer der Eigentümer. Die Kosten werden bei einem Rohrbruch aufgeteilt. Wenn jetzt ein Bagger und Lastwagen über den Weg fahren, so fürchten die Eigentümer, wird das alte Rohr wieder undicht. „Und wir sollen das alle zahlen“, sagt eine andere Eigentümerin. Deswegen hat die Gemeinschaft eine einstweilige Verfügung erwirkt, die die Bauarbeiten gestoppt hat. Gegen die hat die Frau, die ihre Terrasse umbauen will, Einspruch eingelegt.
So treffen sich die Nachbarn vor Gericht. Der Richter sucht einen Kompromiss. Er schaut sich zwei Videos an: Eines soll zeigen, dass die Maschinen den Weg beschädigen. Das andere, dass lediglich Schmutz entsteht. Schäden seien nicht zu erkennen, sagt Klatt. Dann erklärt er: „Der Bagger ist gar nicht das Problem.“Der fahre nur einmal auf das Grundstück und später wieder zurück. Problematischer sei der Lastwagen, der bis zu zwanzig Mal hin und her fahren muss. „Es geht also darum, ob es nicht möglich ist, den Schutt anders wegzubekommen“, sagt Klatt.
Im Gerichtssaal zeigt sich, dass der Konflikt Spuren bei den Nachbarn hinterlassen hat. Immer wieder wird es laut. Vor allem, als der Lebensgefährte der Frau, um deren Terrasse es geht, als Zeuge aussagt. Er kenne sich berufsbedingt aus, erklärt er, und wehrt Vorschläge undiplomatisch ab: Er sagt, die Gegenseite sei „vom Neid getrieben“. Der einzige Grund für die Rohrbrüche sei, „dass der Kanal da einfach schon seit 1962 drin liegt“. Doch einige seiner Argumente überzeugen Richter Klatt. Einen Kran vor dem Haus aufzustellen, der Bagger und Schutt über das Haus hebt, könne nicht funktionieren, da sei zu wenig Platz für einen großen Aufhänger. Und ein 7,5-Tonner müsse deutlich seltener über den Privatweg fahren, als wenn der Schutt mit einem PkwAnhänger abtransportiert wird. Außerdem sei wegen der Zwillingsbereifung bei einem Laster der punktuelle Druck sogar geringer.
So stimmen die Parteien am Ende einem Vergleich zu. Vor und nach den Bauarbeiten wird der Kanal mit einer Kamera abgefahren – so kann überprüft werden, ob die Bauarbeiten einen Schaden anrichten. Die Kosten für die Kamerafahrt übernehmen die Streitparteien je zur Hälfte. Die Anwohner dulden, dass der Fünf-Tonnen-Bagger über den Weg zum Grundstück mit der Baustelle fährt – er darf aber nur einmal hin und dann wieder zurückfahren. Der Abtransport wird mit einem 7,5-Tonner erlaubt – der wird aber immer nur zur Hälfte beladen. Außerdem muss die Frau, die ihre Terrasse umbaut, den Nachbarn mindestens einen Tag vor den Bauarbeiten Bescheid geben. Die Prozesskosten teilen sich die Streitparteien.