Der rollende Wohnungsmarkt boomt
Deutsche kaufen immer mehr Wohnmobile und Caravans. Und sie zahlen immer höhere Preise dafür. Jährlich bricht die Branche ihre bisherigen Umsatzrekorde. Wie ein Hersteller in der Region die Entwicklung spürt
Augsburg Im Skilift aufs Smartphone tippen und die Heizung im Wohnwagen springt an? Mit neuen Modellen ist das kein Problem. Im Sommerurlaub lässt sich die Klimaanlage von der Strandliege aus starten. Und Extras, die auch gewöhnliche Autos bieten wie Rangiersysteme und Spurhalteassistenten, gibt es längst in Wohnmobilen. Das lassen sich Käufer einiges kosten – für Wohnmobile zahlen Käufer derzeit durchschnittlich 73500 Euro, 2000 Euro mehr als noch vor einem Jahr. Für Wohnwagen geben die Kunden durchschnittlich 21000 Euro aus, etwa 1000 Euro mehr als bislang. Während die Kunden immer mehr für ihre Wohnmobile ausgeben, steigen auch die verkauften Stückzahlen.
Daher erinnern die Wachstumskurven der Caravanhersteller an jene von Technologie-Start-ups. So war es bis vor kurzem auch bei Fendt Caravan in Mertingen im Landkreis Donau-Ries. Um der riesigen Nachfrage Herr zu werden, schieben die Mitarbeiter im Werk seit Jahren Überstunden. Vergangenes Jahr hat die Firma sogar eine neue Produktionslinie gebaut, um die Arbeitszeiten der Mitarbeiter wieder auf ein Normalmaß zu reduzieren und flexibler zu werden, wie Unternehmenssprecher Thomas Kamm sagt. Dabei hat das Unterseine Belegschaft binnen fünf Jahren von 575 auf 760 Mitarbeiter aufgestockt.
Seit langem ging es bei dem Wohnwagenhersteller steil bergauf. In den Jahren 2014 bis 2018 wuchs sein Umsatz von 124 auf 187 Millionen Euro. Erst im vergangenen Geschäftsjahr ging er um zwei Millionen Euro zurück. Nicht aber, weil der Trend abbreche, so erläutert der Unternehmensvertreter, sondern weil der Brexit und ein Preiskampf in Frankreich Absatzprobleme verursacht hätten. 9350 Wohnwagen verkaufte die Firma vergangene Saison. Kommendes Jahr beginnt die Preistabelle des Herstellers bei knapp 18000 und steigt an auf gut 37000 Euro. Kamm vermutet als Ursache ein generelles Comeback des Campings, aber auch den Niedrigzins: Eine Finanzierung sei dadurch wesentlich leichter und Sparen weniger attraktiv. Laut Kamm greifen Einsteiger zunehmend „zu kleinen kompakten und teilweise preiswerteren Wohnwagen, während der Trend bei erfahrenen Campern immer zu mehr Komfort, Sicherheit und Luxus geht“.
Die gesamte Branche erfährt einen ähnlichen Auftrieb. Dieses Jahr sind bislang mehr als 61000 Freizeitfahrzeuge und damit 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum neu zugelassen worden, heißt es vom Caravaning Industrie Verband (CIVD). Jahr für Jahr schlägt die Branche ihren eigenen Umsatzrekord. Bis Ende des Jahres werden es 78000 neue Freizeitfahrzeuge sein, schätzt der Verband.
Dabei wächst der deutsche Markt für Reisemobile etwas stärker als für Wohnwagen, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Verbands. Vor allem die Nachfrage nach kompakten Reisemobilen, den sogenannten Kastenwagen, boome. Ein Umstand jedoch stellt die Brannehmen che vor Probleme: Immer mehr Technik und Elektronik lässt die Fahrzeuge schwerer werden. Seit 1999 erlaubt der Pkw-Führerschein nur noch, Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen zu steuern. Um die Wagen trotzdem unter dieser Gewichtsgrenze zu halten, setzen die Hersteller zunehmend innovative Leichtbauweisen ein. „Immer mehr Hersteller gehen dazu über, den herkömmlichen Aufbau und die Konstruktion von Freizeitfahrzeugen komplett neu zu denken“, sagt Onggowinarso. Manche Hersteller setzen etwa auf moderne, besonders leichte Materialien für die Innenausstattung.
Etwa 30 Kilometer westlich von Memmingen sitzt Hymer, einer der Platzhirsche auf dem deutschen Wohnmobilmarkt. Neben einem guten Dutzend anderen Caravanmarken zählt er zur gleichnamigen Unternehmensgruppe. Kürzlich wurde sie vom amerikanischen Konkurrenten Thor gekauft. In China, das in der Branche als potenziell riesiger, aber kaum erschlossener Markt gilt, soll eine Expansion dank einem Joint Venture mit einem dort heimischen Hersteller gelingen.
Aber nicht nur wirtschaftlich, auch technisch hat die Firma große Ziele: Die Reichweite von ElektroWohnmobilen etwa gibt man derzeit mit knapp 200 Kilometern an. Möglich seien aber 500. Auch im autonomen Fahren sieht die Gruppe große Chancen: Ziel eingeben, ins Bett legen, am Urlaubsort aufwachen – so soll die Zukunft des Campings aussehen. Derzeit testet die Unternehmensgruppe bereits solche Fahrzeuge in den USA. Wird der Boom auf dem Campingmarkt anhalten? In Mertingen wagt man eine vorsichtige Prognose: „Ich gehe mit Blick auf die vergangenen Jahre künftig von einem etwas normaleren Wachstum auf dem Markt aus“, sagt FendtSprecher Kamm.
Caravanbestand in Europa