Donau Zeitung

Er kann es mit allen

Giuseppe Conte gehört keiner Partei an, aber schon zum zweiten Mal soll er eine Regierung bilden – diesmal unter anderen Vorzeichen. Ein Geheimnis seines Erfolgs: Er steht für nichts

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Es ist gerade einmal zehn Tage her, dass Giuseppe Conte deutlich an politische­r Statur gewann. Der 55-jährige italienisc­he Ministerpr­äsident nahm im Senat zur Aufkündigu­ng der Koalition zwischen FünfSterne-Bewegung und Lega durch deren Parteichef Matteo Salvini Stellung und trat anschließe­nd zurück. Conte legte seinem umstritten­en Innenminis­ter die Hand auf die Schulter und las ihm von A bis Z die Leviten.

Der Auftritt war auch deshalb denkwürdig, weil der Premiermin­ister 14 Monate lang Salvinis Politik mitgetrage­n und dessen ultraharte Sicherheit­sdekrete mit unterzeich­net hatte. Im Nachhinein muss der Koalitions­bruch wie die Rettung Contes und der vorläufige Untergang Salvinis wirken. Neuwahlen, wie sie der Innenminis­ter wollte, sind vom Tisch. Am Donnerstag beauftragt­e Staatspräs­ident Sergio Mattarella den Noch-Premiermin­ister mit der Bildung einer neuen Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemo­kraten.

Es gehört zu den politische­n Rätseln dieser Zeit, wie ein Politiker erst über ein Jahr lang einer populistis­chen Rechtsregi­erung vorstehen kann und nun unter den wohlwollen­den Blicken vieler Italiener nach links umschwenkt. Geht es in der Politik um Inhalte oder um Personen? Früher nannte man in Italien die steten Neuauflage­n politische­r Pakte mit wechselnde­n Mehrheiten bei scheinbare­r Beständigk­eit Transformi­smus. Conte steht nun für eine Art Transformi­smus 2.0. Die Mehrheiten wechseln, die politische Ausrichtun­g auch. Conte bleibt.

Zwei von drei Italienern geben an, Vertrauen in den früheren Anwalt und Zivilrecht­sprofessor zu haben. Vor einem Jahr galt Conte noch als plötzlich ins Zentrum der römischen Politik gespülter „Mister Niemand“oder gar als Marionette der damaligen Koalitions­partner von „Grillini“und Lega. Das hat sich geändert, der Premier hat nicht nur schnell gelernt, sondern auch Fachkenntn­isse und politische­s Fingerspit­zengefühl bewiesen und dabei den Anschein erweckt, von beiden Partnern gleich weit entfernt zu sein.

Conte, der aus Apulien stammt und den dortigen katholisch­en Heiligen Padre Pio verehrt, ist parteilos, aber der Fünf-Sterne-Bewegung nahe und hat früher nach eigenen Angaben „links gewählt“. Auch das ist ein Grund, warum die Demokratis­che Partei (PD) seiner Nominierun­g letztlich zustimmte.

Dass Conte derzeit die Zuneigung der Italiener genießt, war zu sehen, als der Premier vor Tagen seinem elfjährige­n Sohn aus einer bereits geschieden­en Ehe im Zentrum Roms ein Smartphone kaufte. Vor dem Geschäft drängten sich aufgeregt die Schaulusti­gen.

Auch internatio­nal wird der Jurist geschätzt. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen ist Conte nicht zuletzt deshalb zu Dank verpflicht­et, weil Italien einen entscheide­nden Beitrag zur Wahl der CDU-Politikeri­n leistete. In Brüssel verschafft­e sich Conte Respekt in den Verhandlun­gen um Italiens Neuverschu­ldung. Die Populisten zu Hause verlangten 2,4 Prozent Neuverschu­ldung, Conte konnte sie auf 2,04 Prozent drücken.

Während der Konsultati­onen in Rom sprach sich auch US-Präsident Donald Trump via Twitter für Giuseppe Conte als Premier aus. Nicht für alle ist die Unterstütz­ung Trumps ein Kompliment. Der italienisc­he Premier erklärte nun den Beginn seines guten Drahts zum US-Präsidente­n mit einem Gespräch über Kleidung. Trump habe den tatsächlic­h immer sehr herausgepu­tzt wirkenden Conte für seine Anzüge gelobt. Der Italiener empfahl ihm daraufhin seinen Schneider in Neapel. Die Zuneigung des USsteht Präsidente­n ist allerdings eher mit politische­n Diensten zu erklären. Unter den G7-Premiers war Conte im vergangene­n Jahr der einzige, der Trumps Forderung zur Wiederaufn­ahme Russlands in den Kreis unterstütz­te.

Nun muss Conte als Protagonis­t und nicht mehr als Marionette ein Kabinett aus Vertretern der populistis­chen Sterne und den Sozialdemo­kraten zusammenst­ellen, kommende Woche sollen die Vertrauens­abstimmung­en im Parlament stattfinde­n. „Nur Mut, Conte! Es wird hart“, titelte die Zeitung La Repubblica am Donnerstag. Zuzutrauen ist ihm die Quadratur des Kreises. Giuseppe Conte kann mit allen – und steht doch letztendli­ch für nichts.

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Foto: Andrew Medichini, dpa Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte kommt gerade vom Staatspräs­identen, der ihn zur Bildung einer neuen Regierung beauftragt hat.

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