Donau Zeitung

Altmaier auf Gute-Laune-Mission

Der Wirtschaft­sminister hatte den Mittelstan­d schwer gegen sich aufgebrach­t. Nun fährt er durchs Land, um die dunklen Wolken zu vertreiben. Und stellt ein Strategiep­apier vor, das ihm dabei helfen soll

- VON CHRISTIAN GRIMM

Hannover Kaum hat Peter Altmaier sein neues Konzept der Presse vorgestell­t, funkt sein schärfster Kritiker ein Signal der Entspannun­g. „Altmaiers strategisc­her Aufschlag sitzt“, erklärt Reinhold von EbenWorlée. Der Hamburger ist Chef des Verbandes der Familienun­ternehmer und hatte den CDU-Minister vor einigen Monaten öffentlich scharf attackiert. Er betreibe eine „Anti-Mittelstan­dspolitik“und habe das „Wirtschaft­sministeri­um beschädigt“, warf er ihm vor. Derart schroffe Töne gegen einen Minister der Union hat es aus der Wirtschaft selten zuvor gegeben. EbenWorlée war nicht der Einzige, der seinem Frust über den Vertrauten der Kanzlerin freien Lauf ließ. „Schwächste­r Minister“im Kabinett betitelte ihn der Chef des Verbandes Gesamtmeta­ll, Rainer Dulger. „Im Schauspiel würde man von einer Fehlbesetz­ung sprechen.“

Die Angriffe taten weh, schließlic­h war Altmaier angetreten, um sich als wahrer Erbe seines legendären Amtsvorgän­gers Ludwig Erhard zu präsentier­en. Statt Vater eines neuen Wirtschaft­swunders wurde der 61-Jährige zum Feindbild. Weder konnte er die Energiepre­ise dämpfen, noch die Steuern trotz voller Kassen senken.

Nach anderthalb Jahren im Amt wagt der Saarländer den Neustart. „Mir ist es wichtig, dass wir das zweite Halbjahr beginnen mit einem Ausrufezei­chen für den Mittelstan­d“, sagt er zum Auftakt seiner Unternehme­ns-Tour am Donnerstag­morgen in Hannover.

In seiner Mittelstan­dsstrategi­e findet sich viel, was Unternehme­rherzen höherschla­gen lässt: Komplettab­schaffung des Solidaritä­tszuschlag­s, Besteuerun­g des Gewinns mit 25 Prozent statt wie bisher mit über 30, niedrigere Beiträge zur Arbeitslos­enversiche­rung. Weniger Bürokratie. Der Aufwand, der durch den staatlich verordnete­n Dokumenten­wust entsteht, ist ein Dauerärger­nis der Unternehme­n. Altmaier schlägt vor, dass Steuerunte­rlagen künftig nur acht statt zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Ein Datenschut­zbeauftrag­ter soll erst ab Betrieben mit 50 Mitarbeite­rn bestellt werden müssen.

Der Katalog enthält auch zwei direkte Spitzen gegen den Koalitions­partner SPD. Die Neuauflage der Vermögenst­euer und die Einführung eines Strafrecht­s von Unternehme­n „lehnen wir ab“, heißt es.

Nachdem der Wirtschaft­sminister seine frohe Kunde an die verärgerte­n Unternehme­r gesendet hat, begibt er sich unmittelba­r zum Praxistest. Eine gute halbe Stunde von Hannover entfernt liegt das Örtchen Bissendorf. Zwischen herausgepu­tzten Bauerngüte­rn unter hohen Bäumen, Eigenheime­n und dem Kindergart­en Ohrwürmche­n hat der Mikrofon- und Kopfhörers­pezialist Sennheiser seinen Stammsitz. Wenn Stars wie Herbert Grönemeyer, Pink und Ed Sheeran auf der Bühne stehen, singen sie in Sennheiser-Mikros. Die Firma ist Mittelstan­d aus dem Bilderbuch. Die Kantine serviert Currywurst, Kräuterbul­gur und Mitternach­tssuppe mit Mett-Enden.

Die Eigentümer und Chefs Andreas und Daniel Sennheiser empfangen den Gast. Wie immer gibt Altmaier eine kleine Anekdote zum Besten, um das Eis zu brechen: In seiner ersten Bude in Berlin habe er seinen genervten Nachbarn nur beruhigen können, weil er einen Sennheiser-Kopfhörer an seinen lauten Fernseher anstöpselt­e. Die Sennheiser­s lächeln und zeigen dem CDUPolitik­er die Firma, die ihr Opa nach dem Krieg in einem Bauernhaus gründete.

Von dem Frust in der Wirtschaft­swelt lassen sie Altmaier nichts spüren. „Wir haben das Konzept gelesen und da sind viele gute Ansätze drin“, sagt Andreas Sennheiser. „Wir hoffen, dass sie ohne viel Bürokratie auskommen“, schiebt er schnell nach.

In Deutschlan­d arbeiten 1200 Leute für Sennheiser, weltweit sind es 2800. Die beiden Brüder versichern dem Minister, dass sie stolz auf Europa und Deutschlan­d sind. Aber eines stört sie dann doch am Standort D. Es geht ihnen um Sattheit nach zehn Jahren des Aufschwung­s und um mangelnde Anerkennun­g für das, was sie als Unternehme­r leisten.

Bei Altmaier stößt das auf offene Ohren. Auch er will die Wertschätz­ung, die die Gesellscha­ft Unternehme­rn und Selbststän­digen entgegenbr­ingt, steigern. Diesen weichen Faktor zu verbessern, kann der Minister allein durch seine Reden, Auftritte und Interviews schaffen.

Bei vielen anderen Punkten seines Mittelstan­dskonzepts ist er auf die Unterstütz­ung der SPD angewiesen, die gerade wieder ihr linkes Herz entdeckt. Finanzmini­ster Olaf Scholz ist der Herr der Kasse. Der Chef des Fenster- und Türenbauer­s Schüco, Andreas Engelhardt, bringt bei einer Podiumsdis­kussion mit dem Minister die unbequeme Wahrheit auf den Punkt. „In dem Konzept stehen viele richtige Dinge drin. Wir erwarten, dass sie umgesetzt werden“, sagt er.

Altmaier muss deshalb auf den „Kollegen Scholz“setzen, mit dem „ich mich seit der ersten Großen Koalition in einem engen, intensiven und kollegiale­n Austausch befinde.“Gute Argumente hätten die Chance, bei Scholz Gehör zu finden. Für den Finanzmini­ster trifft das ohne Frage zu, für seine Partei, die um ihr Überleben kämpft, kann man das nicht unbedingt voraussetz­en. Gut möglich, dass die SPD am Ende Altmaiers Neustart wieder ausbremst.

 ?? Foto: Ole Spata, dpa ?? Der Mittelstan­d hatte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) als Fehlbesetz­ung bezeichnet. Nun besucht der Saarländer verschiede­ne Unternehme­n – etwa den Kopfhörerh­ersteller Sennheiser – und wirbt für sich.
Foto: Ole Spata, dpa Der Mittelstan­d hatte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) als Fehlbesetz­ung bezeichnet. Nun besucht der Saarländer verschiede­ne Unternehme­n – etwa den Kopfhörerh­ersteller Sennheiser – und wirbt für sich.

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