Das fordert unsere Wirtschaft jetzt von der Politik
Obwohl es in der Region für viele Firmen noch gut läuft, ist der Wunschzettel lange
Augsburg Während KonjunkturExperten mit Blick auf ganz Deutschland vor einer Rezession warnen, überwiegt in unserer Region noch die Zuversicht. So hat Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, die Gesamtlage im Blick. Im Gespräch sagte er: „Die wirtschaftliche Entwicklung sorgt für große Verunsicherung im Mittelstand. Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel, sonst ist die Rezession in Deutschland mittelfristig kaum abzuwenden.“
Der Unternehmer ist besorgt, beobachtet er in Deutschland doch jetzt schon „Exportrückgänge, Stellenkürzungen bei Großkonzernen und steigende Kurzarbeit“. Auch der Mittelstand bekommt den Einbruch der Konjunktur als Zulieferer großer Unternehmen zu spüren.
Ohoven wäre nicht Ohoven, wenn er in einer prekären wirtschaftlichen Lage Forderungen an die Politik unterlassen würde. Der Mittelstandsvertreter sagte: „Die Bundesregierung muss ihre Prioritäten überdenken und ein echtes Wachstumspaket gegen den Abschwung schnüren.“Bisher ist er ernüchtert über die Qualität der politischen Diskussionen: Die SPD treibe mit ihrer unsinnigen Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer „eine populistische Sau durchs Dorf“. Der Mittelstandspräsident hat dafür eine Erklärung: „Die Sozialdemokraten wollen so kurz vor den Landtagswahlen auf Stimmenfang gehen – und das auf dem Rücken des Mittelstands, der kräftig zur Kasse gebeten werden soll.“Am Ende stellt Ohoven die Frage: „Denkt dort niemand über die Risiken einer Kapitalflucht nach?“So weit die Sichtweise eines alarmiert wirkenden Mannes mit Blick auf ganz Deutschland.
Vertreter regionaler Wirtschaftskammern zeigten sich gelassener, allen voran Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. Kein Wunder, seit knapp zehn Jahren läuft die Konjunktur im Handwerk rund – und zwar auf höchstem Niveau. So sind 98 Prozent der Unternehmer in der Baubranche mit ihrer Geschäftslage zufrieden. Wagner sagte: „Besser geht es einfach nicht mehr. Die Unternehmen geben alles, um die vielen Aufträge abzuarbeiten.“
Erste minimale Bremsspuren auf sehr hohem Niveau gibt es indes bei Handwerksbetrieben, die für den gewerblichen Bedarf arbeiten. Hier beurteilen zwar immerhin 90 Prozent der Unternehmen ihre Situation mit „gut“beziehungsweise „befriedigend“. Das heißt aber auch: Zehn Prozent prognostizieren, dass sich die Konjunktur abschwächt. Die Probleme der Industrie scheinen langsam abzustrahlen. Sollte Deutschland in eine Rezession abrutschen, könnte es für Handwerksberufe, die als „verlängerte Werkbank“für exportlastige Industriebetriebe arbeiten, kritischer werden. Darunter fallen etwa Metallbauer, Feinwerkmechaniker oder Elektromaschinenbauer. Im schwäbischen Handwerk sind 13 Prozent der Unternehmen, also rund 3800 Betriebe in dem Segment tätig.
Wie Ohoven forderte auch Wagner die Politik zum Handeln auf. Er wünscht sich Steuersenkungen, „um die Betriebe zu entlasten und Investitionen zu ermöglichen“. Der Soli müsse komplett abgeschafft und die Diskussion über die Vermögenssteuer sollte gar nicht erst geführt werden. Dann hat Wagner noch ein Daueranliegen: „Das Handwerk wartet dringend auf das Bürokratieentlastungsgesetz III, das eine Dauerschleife nach der anderen durch die Ressorts zieht.“
Eine interessante Beobachtung hat Matthias Köppel, Konjunkturund Standort-Experte der schwäbischen Industrie- und Handelskammer, gemacht. Zwar sieht er noch keine Rezession, dafür aber Vorboten einer Abschwächung: „Wir beobachten, dass die Zahl der Geschäftsreisen aus dem In- und Ausland in unsere Region zurückgeht.“Dies ist bekanntlich ein Frühindikator für einen Einbruch.
Nach dem Köppel vorliegenden Datenmaterial trifft die Konjunkturschwäche in der Region hauptsächlich die Industrie und vor allem die Automobil-Firmen samt deren Zulieferer. Der Experte machte folgende Gleichung auf: „Je stärker exportorientiert, desto stärker ist derzeit die Beeinträchtigung.“Der IHK-Vertreter wendete sich ebenso an die Politik. Seine Wunschliste ist nicht kürzer als die Ohovens und Wagners. Köppel merkte an: „Die letzten zehn Jahre des Aufschwungs hätten genutzt werden müssen, um die Standortnachteile Deutschlands in den Griff zu bekommen: Energiepreise runter, Bürokratie eindämmen, Lohnnebenkosten senken.“In diesen Feldern fallen die Fortschritte in Deutschland seiner Ansicht nach zu mager aus. Dennoch sieht der Kammer-Vertreter nicht die Zeit für große Konjunkturprogramme seitens der Bundesregierung gekommen. Und nach wie vor halten die meisten Firmen an ihren festen Beschäftigten fest. Doch Köppel merkt auch an, dass verstärkt Unternehmer Fragen zur Kurzarbeit haben. Die Arbeitszeitkonten vieler Betriebe sind aber noch gut gefüllt und werden nun abgebaut.
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