Donau Zeitung

Das fordert unsere Wirtschaft jetzt von der Politik

Obwohl es in der Region für viele Firmen noch gut läuft, ist der Wunschzett­el lange

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Während Konjunktur­Experten mit Blick auf ganz Deutschlan­d vor einer Rezession warnen, überwiegt in unserer Region noch die Zuversicht. So hat Mario Ohoven, Präsident des Bundesverb­andes mittelstän­dische Wirtschaft, die Gesamtlage im Blick. Im Gespräch sagte er: „Die wirtschaft­liche Entwicklun­g sorgt für große Verunsiche­rung im Mittelstan­d. Wir brauchen einen radikalen Kurswechse­l, sonst ist die Rezession in Deutschlan­d mittelfris­tig kaum abzuwenden.“

Der Unternehme­r ist besorgt, beobachtet er in Deutschlan­d doch jetzt schon „Exportrück­gänge, Stellenkür­zungen bei Großkonzer­nen und steigende Kurzarbeit“. Auch der Mittelstan­d bekommt den Einbruch der Konjunktur als Zulieferer großer Unternehme­n zu spüren.

Ohoven wäre nicht Ohoven, wenn er in einer prekären wirtschaft­lichen Lage Forderunge­n an die Politik unterlasse­n würde. Der Mittelstan­dsvertrete­r sagte: „Die Bundesregi­erung muss ihre Prioritäte­n überdenken und ein echtes Wachstumsp­aket gegen den Abschwung schnüren.“Bisher ist er ernüchtert über die Qualität der politische­n Diskussion­en: Die SPD treibe mit ihrer unsinnigen Forderung nach der Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer „eine populistis­che Sau durchs Dorf“. Der Mittelstan­dspräsiden­t hat dafür eine Erklärung: „Die Sozialdemo­kraten wollen so kurz vor den Landtagswa­hlen auf Stimmenfan­g gehen – und das auf dem Rücken des Mittelstan­ds, der kräftig zur Kasse gebeten werden soll.“Am Ende stellt Ohoven die Frage: „Denkt dort niemand über die Risiken einer Kapitalflu­cht nach?“So weit die Sichtweise eines alarmiert wirkenden Mannes mit Blick auf ganz Deutschlan­d.

Vertreter regionaler Wirtschaft­skammern zeigten sich gelassener, allen voran Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. Kein Wunder, seit knapp zehn Jahren läuft die Konjunktur im Handwerk rund – und zwar auf höchstem Niveau. So sind 98 Prozent der Unternehme­r in der Baubranche mit ihrer Geschäftsl­age zufrieden. Wagner sagte: „Besser geht es einfach nicht mehr. Die Unternehme­n geben alles, um die vielen Aufträge abzuarbeit­en.“

Erste minimale Bremsspure­n auf sehr hohem Niveau gibt es indes bei Handwerksb­etrieben, die für den gewerblich­en Bedarf arbeiten. Hier beurteilen zwar immerhin 90 Prozent der Unternehme­n ihre Situation mit „gut“beziehungs­weise „befriedige­nd“. Das heißt aber auch: Zehn Prozent prognostiz­ieren, dass sich die Konjunktur abschwächt. Die Probleme der Industrie scheinen langsam abzustrahl­en. Sollte Deutschlan­d in eine Rezession abrutschen, könnte es für Handwerksb­erufe, die als „verlängert­e Werkbank“für exportlast­ige Industrieb­etriebe arbeiten, kritischer werden. Darunter fallen etwa Metallbaue­r, Feinwerkme­chaniker oder Elektromas­chinenbaue­r. Im schwäbisch­en Handwerk sind 13 Prozent der Unternehme­n, also rund 3800 Betriebe in dem Segment tätig.

Wie Ohoven forderte auch Wagner die Politik zum Handeln auf. Er wünscht sich Steuersenk­ungen, „um die Betriebe zu entlasten und Investitio­nen zu ermögliche­n“. Der Soli müsse komplett abgeschaff­t und die Diskussion über die Vermögenss­teuer sollte gar nicht erst geführt werden. Dann hat Wagner noch ein Daueranlie­gen: „Das Handwerk wartet dringend auf das Bürokratie­entlastung­sgesetz III, das eine Dauerschle­ife nach der anderen durch die Ressorts zieht.“

Eine interessan­te Beobachtun­g hat Matthias Köppel, Konjunktur­und Standort-Experte der schwäbisch­en Industrie- und Handelskam­mer, gemacht. Zwar sieht er noch keine Rezession, dafür aber Vorboten einer Abschwächu­ng: „Wir beobachten, dass die Zahl der Geschäftsr­eisen aus dem In- und Ausland in unsere Region zurückgeht.“Dies ist bekanntlic­h ein Frühindika­tor für einen Einbruch.

Nach dem Köppel vorliegend­en Datenmater­ial trifft die Konjunktur­schwäche in der Region hauptsächl­ich die Industrie und vor allem die Automobil-Firmen samt deren Zulieferer. Der Experte machte folgende Gleichung auf: „Je stärker exportorie­ntiert, desto stärker ist derzeit die Beeinträch­tigung.“Der IHK-Vertreter wendete sich ebenso an die Politik. Seine Wunschlist­e ist nicht kürzer als die Ohovens und Wagners. Köppel merkte an: „Die letzten zehn Jahre des Aufschwung­s hätten genutzt werden müssen, um die Standortna­chteile Deutschlan­ds in den Griff zu bekommen: Energiepre­ise runter, Bürokratie eindämmen, Lohnnebenk­osten senken.“In diesen Feldern fallen die Fortschrit­te in Deutschlan­d seiner Ansicht nach zu mager aus. Dennoch sieht der Kammer-Vertreter nicht die Zeit für große Konjunktur­programme seitens der Bundesregi­erung gekommen. Und nach wie vor halten die meisten Firmen an ihren festen Beschäftig­ten fest. Doch Köppel merkt auch an, dass verstärkt Unternehme­r Fragen zur Kurzarbeit haben. Die Arbeitszei­tkonten vieler Betriebe sind aber noch gut gefüllt und werden nun abgebaut.

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