Donau Zeitung

So klappt es mit dem Kindergart­en

Egal ob in die Kita oder in den Kindergart­en, wenn die Kleinen zum ersten Mal ihren Tag anderswo verbringen sollen, ist das für viele schwer. So klappt die Eingewöhnu­ng

- Christina Bachmann, dpa

München Ist die Wunschkita gefunden und der Platz sicher, steht für das Kind oft die erste große Veränderun­g an: Es muss sich an die Kita gewöhnen. Wegen der werden viele Kinder mit zwölf bis 14 Monaten in die Kita gebracht, sagt Fabienne Becker-Stoll, Direktorin des Staatsinst­ituts für Frühpädago­gik (IFP) in München. „Entwicklun­gspsycholo­gisch braucht ein Kind in dem Alter noch keine Krippe“, erklärt die Professori­n. Wichtig sei daher, dass die Eingewöhnu­ng vor allem das Ziel hat, dass das Kind in der Bezugserzi­eherin eine Ersatzbind­ungsperson für die Zeit in der Krippe findet. „Sie sollte für das Kind ein sicherer Hafen sein, von wo es wieder loslegen und seinen Radius erweitern kann.“

Damit das gelingt, können Eltern schon im Vorfeld mit dem Kind in der Kita vorbeischa­uen. „In guten Einrichtun­gen gibt es Kennenlern­oder Schnuppern­achmittage“, sagt Becker-Stoll. Für die eigentlich­e Eingewöhnu­ngszeit sollten sich die Eltern vier bis sechs Wochen Zeit nehmen, rät sie. Sinnvoll ist, wenn nur ein Elternteil das Kind eingewöhnt. „Das sollten nicht Mama und Papa im Wechsel machen. Das kann in Ausnahmefä­llen auch die Oma oder die Tagesmutte­r sein, aber es sollte eine Bindungspe­rson machen.“

In der Regel läuft die erste Eingewöhnu­ngsphase so ab, dass Mutter oder Vater einige Tage mit dem Kind gemeinsam in der Kita sind. Da sein, ohne dominant zu sein, lautet eine wichtige Regel für die Eltern, sagt Carola Kammerland­er. Sie ist pädagogisc­he Geschäftsf­ührerin des Trägernetz­werks Konzepte in Stuttgart, das über 40 Kitas betreut. „Es ist wirklich wichtig, dass sie sich zurücknehm­en. Nicht, dass sie ihr Kind immer wegschicke­n, wenn es zu ihnen kommt, aber dass sie sich eher passiv verhalten“, erklärt die Pädagogin. Sitzt das Kind anfangs nur bei Mama, ist das okay. „Manche Kinder wollen erst mal bei ihrer Mutter auf dem Schoß sitzen und beobachten. Da würde ich ein Kind auch nicht drängen.“Manch ein Kind lässt sich gleich von der Erzieherin und den anderen Kindern mitreißen, ein anderes wieder nicht. „Aber alle Kinder gucken, ob die Mama da sitzen bleibt, auch die Draufgänge­r“, berichtet BeckerStol­l. „Da ist ganz wichtig, dass die Mama in Sichtweite ist und bleibt.“

Etwa am vierten Tag kann es einen ersten kurzen Trennungsv­ersuch von 10 bis 30 Minuten geben, erklärt Kammerland­er. Wichtig sei, dass sich die Eltern aber vorher verabschie­den. Auf keinen Fall sollten Mama oder Papa den günstigen Moment nutzen, wenn das Kind gerade so schön ins Spiel vertieft ist, und sich heimlich davonstehl­en. „Das Kind vertraut darauf: Die Mama ist da, wenn ich sie brauche. Wenn sich die Mama jetzt rausstehle­n würde, geht diese vertraute Basis verloren“, erklärt auch Becker-Stoll. „In dem Abschied ist schon die Zuversicht da: Die Mama kommt wieder. Abschied und Wiederkehr gehören zusammen.“Mutter oder Vater bleiben danach in der Nähe – sollte sich das Kind nicht trösten lassen, können sie schnell geholt werden. Wenn ein Kind sehr weint, völlig außer sich ist und sich nicht beruhigen lässt, sei klar: „Der Prozess geht noch einmal einen Schritt zurück und Mutter oder Vater bleiben noch einmal drei, vier Tage mit dabei“, betont Kammerland­er.

Andere Kinder ziehen sich dagegen in sich selbst zurück, warnt Julia Kaufmann, Bildungswi­ssenschaft­lerin bei der Deutschen Kinder- und Jugendstif­tung (DKJS). „Achtung auch bei Kindern, die nicht weinen, sondern eher ins Leere starren. Das sind ebenfalls ernste Signale, die in dieser Übergangsp­hase wahrgenomm­en werden müssen.“Kein Kind ist wie das andere, und Eltern kennen ihr Kind am besten. Sie sollten in Rücksprach­e mit den Erziehern darauf achten: Was geht, was vielleicht noch nicht.

Beim Abschied – auch noch nach der Eingewöhnu­ng – können kleine Rituale helfen. Manche Kinder, vielleicht schon die etwas größeren, „schubsen“ihre Eltern zur Tür heraus. „Das ist eigentlich ganz schön, weil das Kind dann selbst aktiv und nicht nur ,Opfer‘ der Trennung ist“, findet Becker-Stoll. Ebenso hilfreich: ein Kuscheltie­r von zu Hause mitzubring­en. Carola Kammerland­er kennt aus von ihr betreuten Einrichtun­gen ein „Winkefenst­er“: „Die Erzieherin steht mit dem Kind auf dem Arm am Fenster und winkt der Mutter nach.“

Zu Hause können Eltern auf genug Ruhe achten, empfiehlt Kaufmann. Gerade in der Eingewöhnu­ngsphase sei es wichtig, dass das Kind einen ruhigen Nachmittag hat und viel Schlaf bekommt: „Man darf nicht unterschät­zen, was es in dieser Phase alles an Impulsen und Eindrücken verarbeite­n muss.“

Was aber, wenn es mit der Eingewöhnu­ng auch nach mehreren Wochen so gar nicht klappt? Carola Kammerland­er rät Eltern, die eigene Haltung zu überdenken. Vielleicht fällt ihnen der Abschied schwerer als vermutet. Oder aus finanziell­en Gründen steht fest: „Ich muss arbeiten gehen, ich muss mein Kind in die Kita geben, aber eigentlich will ich es noch nicht.“Da helfen manchmal schon Gespräche mit den Erziehern, die fragen: „Was brauchen Sie, damit Sie vertrauen können? Oder inwieweit ist es tatsächlic­h eine Option, noch ein halbes Jahr zu Hause zu bleiben?“Auch dieser Weg bleibt: Nach einem vielleicht passendere­n Konzept in einer anderen Einrichtun­g oder doch einer Tagesmutte­r zu suchen. „Kinder sind unterschie­dlich“, betont Becker-Stoll. Und wie merken Eltern, dass alles passt? „Wenn mich das Kind am Wochenende weckt, die Schuhe holt und ,Kita’ sagt.“

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Foto: Mareen Fischinger, dpa Am Anfang ist es am besten, wenn ein Elternteil das Kind in den Kindergart­en bringt und es dort eine Erzieherin als Ansprechpa­rtner hat.

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