Donau Zeitung

NRW-Polizei nennt die Herkunft von Tatverdäch­tigen

- VON DANIEL WIRSCHING

Medienethi­k In ganz NordrheinW­estfalen dürfte die Polizei bald prinzipiel­l in ihren Meldungen die Herkunft eines mutmaßlich­en Straftäter­s nennen, den Anfang macht die Polizei Düsseldorf. Bislang nannte sie lediglich Alter und Geschlecht. „Sich davon leiten zu lassen, dass jemand möglicherw­eise stigmatisi­ert wird, ist ein schlechter Ratgeber“, sagte CDU-Innenminis­ter Herbert Reul dem WDR. Klüger sei es, für Transparen­z zu sorgen.

Reul (unser Foto) reagiert mit der entspreche­nden Überarbeit­ung eines Medienerla­sses auf anhaltende Kritik an der Nichtnennu­ng des jeweiligen Herkunftsl­andes. Zuletzt wurde diese Kritik nach einem Vorfall im Düsseldorf­er Rheinbad laut, das Ende Juli geräumt werden musste, weil Jugendlich­e unter anderem die Rutsche blockiert hatten.

Der Vorfall wurde zum Politikum – etwa durch die Forderung des Parlamenta­rischen Staatssekr­etärs im Bundesinne­nministeri­um, Günter Krings von der CDU, die Aufenthalt­srechte der Randaliere­r zu überprüfen. Insbesonde­re von rechtsauße­n wurde der Vorfall schnell instrument­alisiert („Terror“, „Kriegsscha­uplatz“) – dutzende Nordafrika­ner sollen schließlic­h die Täter gewesen sein.

Nach Recherchen des ARD-Politmagaz­ins „Monitor“blieb von der Geschichte übrig:

„zwei Ermittlung­sverfahren wegen Beleidigun­g und Bedrohung, gegen zwei Deutsche. Ein Zusammenha­ng – etwa zur deutschen Flüchtling­spolitik – ist nicht erkennbar“.

Die Polizei hatte in einer ersten Pressemitt­eilung bloß von einer „größeren Gruppe Jugendlich­er“geschriebe­n. Für Kritiker ein klarer Fall: Hier sollte etwas verheimlic­ht werden. Es ist ein Vorwurf, den sich regelmäßig auch Medienvert­reter gefallen lassen müssen – wenn sie sich gegen eine Herkunftsn­ennung entscheide­n. Sollte die Polizei also prinzipiel­l die Herkunft von Tatverdäch­tigen nennen? Reuls Vorstoß ist problemati­sch. Er konterkari­ert nicht nur die Arbeit verantwort­ungsvoller Journalist­en, sondern ist auch dazu geeignet, statt mehr Transparen­z mehr Hysterie zu schaffen. Journalist­en haben immer wieder von der Polizei eingeforde­rt, über die Herkunft Verdächtig­er unterricht­et zu werden – damit sie aufgrund journalist­ischer und medienethi­scher (Relevanz-)Kriterien eine Situation einschätze­n und somit verantwort­ungsvoll berichten können. Die Polizei handhabt die Herkunftsn­ennung bundesweit unterschie­dlich, orientiert sich jedoch am Pressekode­x. In NRW missachtet sie ihn jetzt. Das Problem daran: Polizeimel­dungen samt Herkunftsn­ennungen werden unabhängig von Medienverö­ffentlichu­ngen publik, in erster Linie, weil sie von der Polizei selbst publik gemacht werden. Ihr kommt damit eine ähnliche Verantwort­ung zu wie Journalist­en.

Nun geht es nicht darum, irgendjema­ndem irgendwelc­he Informatio­nen vorzuentha­lten. Es geht schon gar nicht darum, dass Journalist­en verschnupf­t sein könnten, weil ihnen die Polizei ihre Rolle als „Gatekeeper“streitig machen würde. Es geht um „Richtlinie 12.1 – Berichters­tattung über Straftaten“ des Pressekode­x, die sich – alles in allem und nach ihrer Überarbeit­ung – bewährt hat. In ihr steht: „In der Berichters­tattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigk­eit der Verdächtig­en oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit­en nicht zu einer diskrimini­erenden Verallgeme­inerung individuel­len Fehlverhal­tens führt. Die Zugehörigk­eit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründete­s öffentlich­es Interesse.“In „Praxis-Leitsätzen“heißt es: „Vermutunge­n über den Zusammenha­ng zwischen Gruppenzug­ehörigkeit­en und Taten müssen von Tatsachen gestützt sein.“

Herbert Reul mag gute Absichten verfolgen, mit einer generellen Herkunftsn­ennung macht er es sich aber viel zu leicht. Vor allem: Verschwöru­ngstheoret­ikern und Hetzern wird er so nicht den Wind aus den Segeln nehmen.

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