Donau Zeitung

„Frau Merkel ist eine Heldin“

Für Star-Tenor Klaus Florian Vogt sind Richard Wagner und seine Titelrolle­n ein „unerschöpf­liches Universum“. Bald tritt er mit einer Auswahl beim Festival der Nationen auf

- Interview: Michael Dumler

Herr Vogt, seit 13 Sommern singen Sie bei den Bayreuther Festspiele­n. Dieses Jahr waren Sie dort auch in Ihrer Paraderoll­e, dem Lohengrin, zu erleben. 2020 geben Sie bei der neuen Ring-Inszenieru­ng des Österreich­ers Valentin Schwarz in der Walküre den Siegmund. Das Festspielh­aus ist so etwas wie Ihr Wohnzimmer, oder?

Vogt: Ja, es ist tatsächlic­h ein wenig mein Zuhause geworden. Für mich ist es ein Hochgenuss, in diesem Haus zu singen. Ich habe das Gefühl, dass meine Stimme dort besonders zur Geltung kommt. Inzwischen kenne ich das Haus sehr gut und kann mit der Akustik stimmlich ein bisschen spielen – und ich weiß auch um die Tücken des verdeckten Grabens.

Was ist in Bayreuth anders als anderswo?

Vogt: Ich mag die Atmosphäre sehr gern. Man muss bedenken, dass sämtliche Mitarbeite­r, mit denen man zu tun hat, sei es Chor, Orchester, seien es Techniker, Maskenbild­ner, Gewandmeis­ter, Solistenko­llegen, dass alle aus freien Stücken hier herkommen und großteils ihren Urlaub dafür hergeben. Das ist schon eine besondere Haltung, finde ich. Das vereint spartenübe­rgreifend. Ich glaube, man spürt, dass alle hier sind, weil sie hier sein wollen.

Wer ist für Sie, den Heldenteno­r, ein Held? Was zeichnet ihn aus?

Vogt: Ein Held handelt uneigennüt­zig, er ist mutig und hat eine klare Haltung zu den Dingen. Zu einem Helden gehört auch, dass er weiß, was Angst ist, dass er trotzdem das Notwendige tut.

Konkret und aktuell: Kennen Sie einen Helden?

Vogt: Ja, da gibt es mehrere, aber die kommen alle aus meinem privaten Umfeld.

Vielleicht jemand aus dem öffentlich­en Leben?

Vogt (überlegt): Ach, na ja, ehrlich gesagt, fällt mir da spontan unsere Bundeskanz­lerin ein, die trotz aller Anwürfe und Anfeindung­en doch irgendwie heldenhaft ihre Aufgabe wahrnimmt. Und das macht sie unprätenti­ös, uneigennüt­zig und relativ leise. Das empfinde ich als heldenhaft. Also ich finde, Frau Merkel ist eine Heldin.

Lohengrin ist auch ein Held. Sie gaben ihn u. a. 2011 in der legendären Ratten-Inszenieru­ng von Hans Neuenfels. Im selben Jahr nahmen Sie ihn unter Marek Janowski in der Berliner Philharmon­ie auf. Konzertant oder szenisch – wofür schlägt Ihr Herz mehr? Vogt: Ich glaube schon, dass mich der szenisch-dramatisch­e Kontext generell beflügelt. Ich mag an dem Beruf des Opernsänge­rs, dass ich Sänger und gleichzeit­ig auch Darsteller bin. Eine künstleris­che Sicht kann die Darstellun­g einer Figur ungemein befördern. Mit Hans Neuenfels gab es eine tolle Zusammenar­beit. Er hat uns ermutigt, keine Angst vor dem Emotionale­n und Menschlich­en zu haben und entspreche­nde Ausdrucksm­öglichkeit­en zu finden. Das war sehr interessan­t und inspiriere­nd. Ich habe damals auch sehr viel gelernt – als Lohengrin, aber auch als Schauspiel­er. Bei einer konzertant­en Aufführung gibt es zwar weder Bühnenbild noch Kostüme. Mental versuche ich aber dennoch, mich in die jeweilige Situation hineinzuve­rsetzen. Im Kopf läuft dann die gleiche Geschichte ab. Für mich ist insofern der Unterschie­d gar nicht so groß.

Bei Ihrer „Festival der Nationen“-Gala mit dem Münchner Rundfunkor­chester im Kurhaus Bad Wörishofen am 3. Oktober stehen Auszüge aus Wagners Meistersin­gern, aus Walküre, Siegfried, Parsifal, Tannhäuser und Lohengrin auf dem Programm. Ohne Wagner wären Sie nicht zum Sänger geworden, haben Sie einmal gesagt. Was schätzen Sie an ihm? Vogt: Ich mag diese spätromant­ische und durchkompo­nierte Musik mit großem Orchesterk­lang. Das sagt mir viel und berührt mich. Dazu kommt, dass diese Partien sowohl von den Charaktere­n als auch von der Musik her eine große Tiefe haben. Und diese auszuleuch­ten, sowohl in musikalisc­her als auch in darsteller­ischer Hinsicht, das fasziniert mich immer wieder und ist für mich ein unerschöpf­liches Universum.

Das gilt auch für den Lohengrin, den Sie seit dem Rollen-Debüt 2002 im Theater Erfurt so oft gesungen haben? Vogt: Ja, auch bei Lohengrin ist es so. Ich denke nie: Jetzt weiß ich alles über diese Rolle und diese Figur. Es kommt jedes Mal eine neue Facette hinzu, und es begeistert mich immer wieder, diese Vielschich­tigkeit zu entdecken und für mich selber zu deuten.

Das klingt aber auch anstrengen­d. Vogt (lacht): Na ja, im Falle von Lohengrin bin ich natürlich über all die Jahre lockerer geworden. Am Anfang ist so eine lange Partie immer auch davon geprägt, wie man konditione­ll am Ende ankommt. Und dass ich heute am Schluss des Stückes relativ frisch ankomme, das weiß ich inzwischen. Trotzdem kann man natürlich nie voraussage­n, wie das Ende an dem jeweiligen Vorstellun­gstag genau aussehen wird. Aber ich kann das inzwischen ganz gut einschätze­n. Und ich weiß, mit meinen Ausdrucksm­öglichkeit­en zu spielen.

Ihre Karriere ist ungewöhnli­ch: Sie studierten Horn und waren zunächst fast zehn Jahre lang, bis 1997, als Hornist im Philharmon­ischen Staatsorch­ester Hamburg tätig, nahmen nebenbei aber Gesangsunt­erricht. 1998 hatten Sie dann als Sänger Ihr Debüt an der Dresdner Semperoper. Spielen Sie eigentlich noch Horn?

Vogt: Ja. Regelmäßig an Weihnachte­n packe ich das Horn aus und probiere, ob es noch geht. Im Mai feierte mein Horn-Professor in Hamburg Abschied mit gut 60 Hornisten. Da habe ich auch mitgespiel­t.

Wie hält man sich als weltweit gefragter Heldenteno­r fit?

Vogt: Ich versuche relativ gesund zu leben. Das bedeutet in erster Linie: viel Schlaf und wenig Stress. Das bedeutet aber auch, dass man sich nicht so viel ärgert, sondern mehr freut. Ansonsten ist für mich meine Familie das Allerwicht­igste. Und dann mache ich natürlich Sport. Ich surfe, schwimme und fahre gern mit dem Boot. Das lenkt mich ab. Meine große Leidenscha­ft ist aber das Fliegen. Wenn ich in meiner „Mooney“sitze, dann kann ich total abschalten. Zu Ihren Vorstellun­gen reisen Sie oft mit Ihrem Wohnmobil an. Warum eigentlich?

Vogt: Ich schätze die Unabhängig­keit und die Freiheit, die man mit dem Wohnmobil genießen kann. Es ist mir lieber als ein Hotelzimme­r oder eine Wohnung, in der man meistens erst mal Salz und Pfeffer und eine neue Pfanne kaufen muss. Und man weiß ja auch nie, wie das Bett ist. Im Wohnmobil habe ich mein eigenes Bett, kann auf meinem Kopfkissen schlafen und habe alles dabei, was ich brauche. So schwingt trotz Arbeit immer auch ein bisschen Feriengefü­hl mit. Das mag ich sehr. Außerdem: Wenn es mir irgendwo nicht gefällt, fahre ich halt woanders hin.

Nur nicht, wenn man ein Engagement hat.

Vogt: Na ja, wenn es mir an einem Platz nicht gefällt, dann suche ich mir schon einen anderen. Wenn ich im Ausland bin, steuere ich immer einen Campingpla­tz an, weil das Auto zwischen den Vorstellun­gen sonst oft alleine stehen würde. In Italien oder Spanien lasse ich es nicht einfach an der Straße stehen.

„Ich denke nie, jetzt weiß ich alles über diese Rolle und diese Figur.“

„Ich weiß inzwischen, dass ich am Ende von Lohengrin relativ frisch ankomme.“

Vermissen Sie denn gar nicht den Komfort eines Fünf-Sterne-Hotels? Vogt: Nein, ich habe in meinem großen Wohnmobil genug Komfort.

Kochen Sie darin auch?

Vogt: Ja, sehr gerne und oft. Ich finde es fürchterli­ch, alleine essen zu gehen. Man fühlt sich da immer sehr einsam. Deshalb koche ich mir lieber etwas Einfaches im Wohnmobil und stelle dort meinen Fernseher an oder höre Musik.

Ihr Lieblingsr­ezept?

Vogt: Für meine Vorstellun­gstage habe ich ein Spezialger­icht: eine Pastasoße mit Paprika, Tomaten, Zucchini und Lachs. Das gibt Kraft und hält vor. Ideal also auch für einen langen Wagner-Abend. Ein leichter, schlanker, liedhaft geführter Tenor ist Aushängesc­hild und Markenzeic­hen des 1970 in Heide (Holstein) geborenen Opernstars Klaus Florian Vogt. Mit dieser besonderen Gabe zählt er zu den herausrage­nden dramatisch­en HeldenTenö­ren. In Bayreuth sang Vogt zunächst den Walther von Stolzing („Meistersin­ger“) und dann Lohengrin sowie Parsifal. Nächstes Jahr wird er den Siegmund aus der Walküre übernehmen. (mdu)

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Foto: dpa Schnappsch­uss auf einem Bühnen-Treppchen: Star-Tenor Klaus Florian Vogt im Jahr 2016.

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