Trost vor dem ersten Schultag
Es gab Zeiten, da ließ sich die Welt noch leicht erklären. Große Denker entdeckten die Gesetzmäßigkeit allen Geschehens. Verliebte Paare gaben sich Sicherheit mit einem gemeinsamen Blick ins Sparbuch. Eltern beantworteten mühelos die Fragen ihrer Kinder nach dem tieferen Sinn der Schulpflicht.
Alles vorbei. Heute gerät selbst der Philosoph ins Stottern, wenn er erklären soll, warum ein Mensch mit Sparguthaben keine Gutschriften, sondern Strafzinsen zu erwarten hat. Verliebte blicken vor der Heirat nicht mehr ins Sparbuch, sondern auf Zeitungsseiten, weil sie unter den Inseraten einen Hinweis auf bezahlbaren Wohnraum finden wollen. Und heute, am Tag vor Schulanfang, müssen viele bayerische Eltern ihren Kindern erklären, warum Schule nötig ist.
Da dürfen sie nicht an die steigende Zahl der beschulten Analphabeten denken. Auch die Berichte vom Leiden hochbegabter Kinder sollten sie nicht kennen. Und sie sollten nichts wissen von den Statistiken, die nachweisen, dass immer mehr Schulpflichtige den Lernstoff für sinnlos halten.
Aber um den Nachwuchs nicht zu entmutigen, können Eltern von heute das fragende Kind mit einem schönen Ausspruch von gestern trösten: Dass auch der erfolglose Schulbesucher nicht verzweifeln muss, hat Kurt Tucholsky 1921 in der „Weltbühne“klargestellt. Er schrieb: „So … dämlich wie ein Regierungsassessor der guten, alten Schule ist keiner.“