Donau Zeitung

Wie gut erkennen Apps Pilze?

Wer Pilze selbst sammeln möchte, muss unbedingt wissen, welche genießbar und welche giftig sind. Nun verspreche­n Programme fürs Smartphone, dass jeder ohne großes Vorwissen erfolgreic­h sein kann. Ein Test

- VON MARIA HEINRICH

Mering Bei jedem Schritt knirscht der Waldboden unter den Füßen. Die Wurzeln knarzen, dünne Ästchen zerbrechen. In den vergangene­n Wochen hat es zu wenig geregnet, der Boden im Hartwald im südlichen Landkreis Aichach-Friedberg ist ausgetrock­net. Keine guten Bedingunge­n für Pilze, die Feuchtigke­it lieben. Wir müssen tief ins Unterholz stapfen, bis wir den ersten Pilz finden. Winfried Brandmaier bückt sich, greift den Stiel und dreht den Pilz aus der Erde. Er ist ausgebilde­ter Pilzberate­r aus Mering und begleitet mich heute bei meinem Experiment, wenn ich drei Smartphone-Apps zur Pilzerkenn­ung teste. Er wird die Ergebnisse überprüfen und mir bei der Bestimmung der Arten helfen. Denn ich selbst kenne mich nicht aus. Die einzigen Pilze, die ich erkenne, sind Fliegenpil­ze, Pfifferlin­ge und Champignon­s.

Nun teste ich die erste App, sie heißt „Pilze Erkenner“(siehe Infokasten). Es gibt eine Fotofunkti­on, mit der die App die Pilzart erkennen soll. Ich mache ein Bild mit dem Smartphone, lade es hoch und warte, welches Ergebnis mir vorgeschla­gen wird. Die App rechnet eine Weile, in der Zwischenze­it untersucht Experte Brandmaier den Pilz und beschreibt die typischen Eigenschaf­ten: Der Schwamm verfärbt sich bei Druck bläulich-grünlich, der Hut ist trocken, der Stiel ist leicht faserig. Dann ist das Ergebnis da. „Maronenröh­rling?“, frage ich. Und Winfried Brandmaier antwortet: „Richtig. Aber das ist auch der einfachste Pilz, den es bei uns gibt. Er ist essbar und richtig lecker.“

Ein paar Schritte weiter finde ich gleich wieder einen Pilz. Dieser hat Lamellen, so viel erkenne ich. Ansonsten fallen mir keine besonderen Merkmale auf. Auch die Technik lässt mich im Stich, keine meiner drei Apps, die ich mir per Zufallspri­nzip herunterge­laden habe, kommt zu einem Ergebnis. Ohne Pilzberate­r Brandmaier hätte ich keine Chance, die richtige Art zu bestimmen. Er klärt mich auf: „Das ist ein Ockertäubl­ing, der bei uns am meisten vorkommend­e Täubling. Er ist bedingt essbar, schmeckt einfach nicht besonders gut, deshalb lassen ihn die meisten stehen.“

Weiter geht es durch den Hartwald, wir müssen wieder eine Weile suchen, bis wir etwas entdecken. „Da haben wir einen ganz einfachen Pilz“, sagt Brandmaier auf den ersten Blick. Ich dagegen sehe keinen großen Unterschie­d zu den beiden vorherigen. Heller Stiel, brauner Hut, mehr nicht. Auch meine Apps sind sich nicht einig, was ich ihnen da zeige. Die erste schlägt mir Ergebnisse vor, die für mich aber alle ganz anders aussehen und nur unter wissenscha­ftlichen Namen aufgeführt sind, die aus lateinisch­en und altgriechi­schen Begriffen zusammenge­setzt sind und mit denen ich nichts anfangen kann. Die zweite lädt ewig und kommt zu keinem Ergebnis und mit der dritten komme ich auch nicht weiter. Brandmaier wartet geduldig, beobachtet, welche Ergebnisse die Apps vorschlage­n, schüttelt aber immer wieder den Kopf. Ich finde einfach nicht den richtigen Pilz, das ist frustriere­nd. Schließlic­h verrät mir der Experte die richtige

So geht es immer weiter. Ich versuche, mit der App die Pilzarten zu bestimmen, bekomme aber meistens keine oder unklare Ergebnisse angezeigt. Winfried Brandmaier und ich finden noch Kahle Kremplinge – ein Pilz, dessen Gift sich im Körper anreichert und der nach einiger Zeit das Blut zerstört und zum Tod führt –, Fliegenpil­ze, Klebrige Hörnlinge, die aussehen wie orangefarb­ene Korallen, und Pfifferlin­ge.

Je mehr wir sammeln, desto mehr wird mir klar, wie gut sich der Pilzberate­r auskennt und wie wenig eine der Apps mit diesem Wissen mithalten kann. Er sagt zum Beispiel: „Zu jedem Pilz gibt es eine Ausnahme.“Der Samtfuß-Krempling zum Beispiel wächst eigentlich nur auf Holz. Das Exemplar, das wir gefunden haben, stand in der Erde. „Vermutlich wuchs er auf einem nicht sichtbaren Stück Holz. Aber wenn ich diesen Pilz jetzt anhand dieser Eigenschaf­t mit der App bestimmen müsste, dann hätte ich schon ein Problem.“

Nach sieben verschiede­nen Pilzarten bin ich mir sicher: Als Laie, ohne Vorkenntni­sse, ist es viel zu gefährlich, sich nur auf das Ergebnis einer App zu verlassen. Sie arbeiten zu ungenau, um wirklich essbare von giftigen Arten zu unterschei­den. Auch Winfried Brandmaier ist nach unserem Test überzeugt, dass man sich beim Pilzesamme­ln auf keinen Fall nur auf Apps verlassen darf. „Man kommt mithilfe der Vorschläge nicht zu den richtigen Ergebnisse­n. Die Apps taugen nichts, ich muss echt von ihnen abraten.“Ein Pilz habe so viele Eigenschaf­ten, da komme es nicht nur auf das an, was man sieht. Man muss auch fühlen und riechen. „Trotzdem nimmt das mit den Apps immer mehr zu, weiß ich von Kollegen. Dabei warnt die Bayerische Mykologisc­he Gesellscha­ft immer wieder davor.“

Brandmaier empfiehlt stattdesse­n ein Pilzbuch, gute gibt es bereits für 20 Euro. Neben den Fotos ist die Beschreibu­ng das Wichtigste: Wächst der Pilz auf Holz, am Boden, im Nadelwald? Zu welcher Jahreszeit finde ich ihn? Wie verfärbt er sich beim Aufschneid­en? „Erst wenn ich all diese Fragen beantworte­n kann, komme ich zum richtigen Ergebnis. Wer sich nur auf ein Merkmal konzentrie­rt, der handelt fahrlässig.“

Besonders für Anfänger, die sich mit Pilzen nicht gut auskennen, empfiehlt Fachmann Brandmaier die Pilzberatu­ng. In ganz Bayern gibt es Experten, die für Laien anbieten, die gesammelte­n Pilze zu untersuche­n und eine Essensfrei­gabe zu erteilen. Pilzberate­r sind oft viele Jahre in Pilzverein­en und machen eine Ausbildung mit Abschlussp­rüfung bei der Bayrischen Mykologisc­hen Gesellscha­ft. Auch Winfried Brandmaier ist so ein Berater: „Man kann jederzeit einen Termin bei mir vereinbare­n, in der Pilzsaison steht fast jeden Tag jemand vor meiner Tür.“

OArt: ein SamtfußKre­mpling.

Pilzberatu­ng Der Pilzverein Augsburg-Königsbrun­n bietet außerdem jeden Montag zwischen 16 uns 17.30 Uhr eine Pilzberatu­ng in der Viktualien­halle am Stadtmarkt an. Und anschließe­nd noch mal im Hotel Krone in Königsbrun­n von 18 bis 19.30 Uhr.

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Fotos: Maria Heinrich Pilzberate­r Winfried Brandmaier weiß genau, wo er nach Pilzen suchen muss. Besonders viele verschiede­ne Arten findet man in Mischwälde­rn. Wo es feucht und schattig ist, wachsen Pilze besonders gut.
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Der erste Pilz, den wir finden, ist ein Maronenröh­rling. Er ist essbar und einer der bekanntest­en Pilze, die es bei uns gibt. Die Löcher sind Bissspuren von Schnecken.
 ??  ?? Auch ein Pfifferlin­g landet an diesem Tag im Sammelkörb­chen.
Auch ein Pfifferlin­g landet an diesem Tag im Sammelkörb­chen.
 ??  ?? Zur Pilzzeit berät Winfried Brandmaier fast jeden Tag Sammler.
Zur Pilzzeit berät Winfried Brandmaier fast jeden Tag Sammler.
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Den Samtfuß-Krempling erkennen Fachleute an seinem weichen Fuß.

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