Wie gut erkennen Apps Pilze?
Wer Pilze selbst sammeln möchte, muss unbedingt wissen, welche genießbar und welche giftig sind. Nun versprechen Programme fürs Smartphone, dass jeder ohne großes Vorwissen erfolgreich sein kann. Ein Test
Mering Bei jedem Schritt knirscht der Waldboden unter den Füßen. Die Wurzeln knarzen, dünne Ästchen zerbrechen. In den vergangenen Wochen hat es zu wenig geregnet, der Boden im Hartwald im südlichen Landkreis Aichach-Friedberg ist ausgetrocknet. Keine guten Bedingungen für Pilze, die Feuchtigkeit lieben. Wir müssen tief ins Unterholz stapfen, bis wir den ersten Pilz finden. Winfried Brandmaier bückt sich, greift den Stiel und dreht den Pilz aus der Erde. Er ist ausgebildeter Pilzberater aus Mering und begleitet mich heute bei meinem Experiment, wenn ich drei Smartphone-Apps zur Pilzerkennung teste. Er wird die Ergebnisse überprüfen und mir bei der Bestimmung der Arten helfen. Denn ich selbst kenne mich nicht aus. Die einzigen Pilze, die ich erkenne, sind Fliegenpilze, Pfifferlinge und Champignons.
Nun teste ich die erste App, sie heißt „Pilze Erkenner“(siehe Infokasten). Es gibt eine Fotofunktion, mit der die App die Pilzart erkennen soll. Ich mache ein Bild mit dem Smartphone, lade es hoch und warte, welches Ergebnis mir vorgeschlagen wird. Die App rechnet eine Weile, in der Zwischenzeit untersucht Experte Brandmaier den Pilz und beschreibt die typischen Eigenschaften: Der Schwamm verfärbt sich bei Druck bläulich-grünlich, der Hut ist trocken, der Stiel ist leicht faserig. Dann ist das Ergebnis da. „Maronenröhrling?“, frage ich. Und Winfried Brandmaier antwortet: „Richtig. Aber das ist auch der einfachste Pilz, den es bei uns gibt. Er ist essbar und richtig lecker.“
Ein paar Schritte weiter finde ich gleich wieder einen Pilz. Dieser hat Lamellen, so viel erkenne ich. Ansonsten fallen mir keine besonderen Merkmale auf. Auch die Technik lässt mich im Stich, keine meiner drei Apps, die ich mir per Zufallsprinzip heruntergeladen habe, kommt zu einem Ergebnis. Ohne Pilzberater Brandmaier hätte ich keine Chance, die richtige Art zu bestimmen. Er klärt mich auf: „Das ist ein Ockertäubling, der bei uns am meisten vorkommende Täubling. Er ist bedingt essbar, schmeckt einfach nicht besonders gut, deshalb lassen ihn die meisten stehen.“
Weiter geht es durch den Hartwald, wir müssen wieder eine Weile suchen, bis wir etwas entdecken. „Da haben wir einen ganz einfachen Pilz“, sagt Brandmaier auf den ersten Blick. Ich dagegen sehe keinen großen Unterschied zu den beiden vorherigen. Heller Stiel, brauner Hut, mehr nicht. Auch meine Apps sind sich nicht einig, was ich ihnen da zeige. Die erste schlägt mir Ergebnisse vor, die für mich aber alle ganz anders aussehen und nur unter wissenschaftlichen Namen aufgeführt sind, die aus lateinischen und altgriechischen Begriffen zusammengesetzt sind und mit denen ich nichts anfangen kann. Die zweite lädt ewig und kommt zu keinem Ergebnis und mit der dritten komme ich auch nicht weiter. Brandmaier wartet geduldig, beobachtet, welche Ergebnisse die Apps vorschlagen, schüttelt aber immer wieder den Kopf. Ich finde einfach nicht den richtigen Pilz, das ist frustrierend. Schließlich verrät mir der Experte die richtige
So geht es immer weiter. Ich versuche, mit der App die Pilzarten zu bestimmen, bekomme aber meistens keine oder unklare Ergebnisse angezeigt. Winfried Brandmaier und ich finden noch Kahle Kremplinge – ein Pilz, dessen Gift sich im Körper anreichert und der nach einiger Zeit das Blut zerstört und zum Tod führt –, Fliegenpilze, Klebrige Hörnlinge, die aussehen wie orangefarbene Korallen, und Pfifferlinge.
Je mehr wir sammeln, desto mehr wird mir klar, wie gut sich der Pilzberater auskennt und wie wenig eine der Apps mit diesem Wissen mithalten kann. Er sagt zum Beispiel: „Zu jedem Pilz gibt es eine Ausnahme.“Der Samtfuß-Krempling zum Beispiel wächst eigentlich nur auf Holz. Das Exemplar, das wir gefunden haben, stand in der Erde. „Vermutlich wuchs er auf einem nicht sichtbaren Stück Holz. Aber wenn ich diesen Pilz jetzt anhand dieser Eigenschaft mit der App bestimmen müsste, dann hätte ich schon ein Problem.“
Nach sieben verschiedenen Pilzarten bin ich mir sicher: Als Laie, ohne Vorkenntnisse, ist es viel zu gefährlich, sich nur auf das Ergebnis einer App zu verlassen. Sie arbeiten zu ungenau, um wirklich essbare von giftigen Arten zu unterscheiden. Auch Winfried Brandmaier ist nach unserem Test überzeugt, dass man sich beim Pilzesammeln auf keinen Fall nur auf Apps verlassen darf. „Man kommt mithilfe der Vorschläge nicht zu den richtigen Ergebnissen. Die Apps taugen nichts, ich muss echt von ihnen abraten.“Ein Pilz habe so viele Eigenschaften, da komme es nicht nur auf das an, was man sieht. Man muss auch fühlen und riechen. „Trotzdem nimmt das mit den Apps immer mehr zu, weiß ich von Kollegen. Dabei warnt die Bayerische Mykologische Gesellschaft immer wieder davor.“
Brandmaier empfiehlt stattdessen ein Pilzbuch, gute gibt es bereits für 20 Euro. Neben den Fotos ist die Beschreibung das Wichtigste: Wächst der Pilz auf Holz, am Boden, im Nadelwald? Zu welcher Jahreszeit finde ich ihn? Wie verfärbt er sich beim Aufschneiden? „Erst wenn ich all diese Fragen beantworten kann, komme ich zum richtigen Ergebnis. Wer sich nur auf ein Merkmal konzentriert, der handelt fahrlässig.“
Besonders für Anfänger, die sich mit Pilzen nicht gut auskennen, empfiehlt Fachmann Brandmaier die Pilzberatung. In ganz Bayern gibt es Experten, die für Laien anbieten, die gesammelten Pilze zu untersuchen und eine Essensfreigabe zu erteilen. Pilzberater sind oft viele Jahre in Pilzvereinen und machen eine Ausbildung mit Abschlussprüfung bei der Bayrischen Mykologischen Gesellschaft. Auch Winfried Brandmaier ist so ein Berater: „Man kann jederzeit einen Termin bei mir vereinbaren, in der Pilzsaison steht fast jeden Tag jemand vor meiner Tür.“
OArt: ein SamtfußKrempling.
Pilzberatung Der Pilzverein Augsburg-Königsbrunn bietet außerdem jeden Montag zwischen 16 uns 17.30 Uhr eine Pilzberatung in der Viktualienhalle am Stadtmarkt an. Und anschließend noch mal im Hotel Krone in Königsbrunn von 18 bis 19.30 Uhr.