Donau Zeitung

Wer haftet für Freigänger?

Zwei Justizbeam­te stehen vor Gericht

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Karlsruhe Der Bundesgeri­chtshof (BGH) steht im Revisionsp­rozess zweier Justizvoll­zugsbeamte vor einer Entscheidu­ng, die große Bedeutung für den Strafvollz­ug in Deutschlan­d hat. Es geht um Bedienstet­e, die einem Gefangenen in Rheinland-Pfalz im offenen Vollzug Freigang gewährt haben und der dabei zum Mörder wurde. In der Verhandlun­g in Karlsruhe forderten sowohl die Verteidige­r der beiden Angeklagte­n als auch die Vertreteri­n der Bundesanwa­ltschaft eine Aufhebung der jeweils neunmonati­gen Bewährungs­strafen. Das Landgerich­t Limburg hatte beide im vergangene­n Jahr wegen fahrlässig­er Tötung verurteilt (2 StR 557/18). Das Urteil soll am 26. November verkündet werden.

Was war passiert? Der Strafgefan­gene mit insgesamt 26 Verurteilu­ngen hatte oft eingesesse­n – vor allem, weil er immer wieder ohne Führersche­in Auto gefahren war. Die angeklagte Beamtin hatte für den Mann im Gefängnis Wittlich in Rheinland-Pfalz offenen Vollzug angeordnet. Später wurde er in das Gefängnis in Diez verlegt, wo der zweite Angeklagte für ihn verantwort­lich war. Auch dort kam er in den offenen Vollzug.

Während eines Freigangs raste der Häftling als Geisterfah­rer auf einer Bundesstra­ße nahe Limburg in den Wagen einer jungen Frau. Er war mit einem gestohlene­n Kennzeiche­n auf der Flucht vor der Polizei. Die 21-Jährige starb bei dem Zusammenst­oß im Januar 2015. Der Mann wurde später wegen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteilt.

Verteidige­r und Bundesanwa­ltschaft kritisiert­en in der Verhandlun­g Rechtsfehl­er im Urteil des Landgerich­ts Limburg. Die beiden Beamten hätten Entscheidu­ngen im Rahmen ihres Ermessenss­pielraums getroffen. Für die Tat des Gefangenen seien sie nicht verantwort­lich. Die angeklagte Frau sei schon deswegen nicht verantwort­lich, weil die Entscheidu­ng über den offenen Vollzug nach der Verlegung nach Diez neu getroffen worden sei. In Diez habe es Versäumnis­se bei der Kontrolle von Anordnunge­n gegeben, etwa dem Verbot, Auto zu fahren, sagte die Vertreteri­n der Bundesanwa­ltschaft.

Aber auch hier trage der Beamte keine Mitschuld an dem Mord. Eine völlig atypische Kausalkett­e habe zu dem tödlichen Zusammenst­oß geführt, deren Ergebnis nicht vorherzuse­hen war. Dazu habe auch das Fehlverhal­ten der Polizei beigetrage­n, die den Flüchtende­n entgegen den Einsatzvor­schriften bei Regen und Dunkelheit als Geisterfah­rer mit hoher Geschwindi­gkeit verfolgt hatte.

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