Donau Zeitung

Wie kam das Gift ins Zuckerwass­er?

Eine Schwangere ist tot, nachdem sie einen Diabeteste­st gemacht hat, auch ihr Baby stirbt. Noch ist unklar, wie das passieren konnte. Wie kontrollie­rt wird, was Apotheker herstellen

- VON MARKUS BÄR

Köln Mysteriös ist weiterhin der Tod einer 28-jährigen Schwangere­n und ihres Kindes, das man zunächst noch per Kaiserschn­itt zu retten versuchte. „Auch der Säugling ist an multiplem Organversa­gen gestorben“, gab Staatsanwa­lt Ulrich Bremer am Mittwoch nach der Obduktion des Kindes in Köln bekannt. Zuvor war der Leichnam der Mutter untersucht worden. Todesursac­he ist ein vergiftete­s Glukosegem­isch, das in einer Kölner Apotheke hergestell­t worden war und das die Frau unter ärztlicher Aufsicht getrunken hatte. Um zu diagnostiz­ieren, ob die junge Frau an einem Schwangers­chaftsdiab­etes leidet. Ein ganz normaler Vorgang übrigens. Später starb die Frau aber völlig überrasche­nd an Multiorgan­versagen. Medien hatten unter anderem berichtet, dass sich im Glukosegem­isch – letztlich quasi Zuckerwass­er – auch ein Lokalanäst­hetikum oder ein Betäubungs­mittel befand, das dort überhaupt nichts zu suchen hat. Doch wie kam es hinein?

„Da kann man nur spekuliere­n. In Betracht kommen sicherlich Verwechslu­ngen, Vertauschu­ngen oder Verunreini­gungen des Wirkstoffe­s sowie menschlich­es Versagen“, mutmaßt der Augsburger Ulrich Koczian, einer der Sprecher der Apotheker in Bayerisch-Schwaben, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist sich aber sicher: „In dem tragischen Fall in Köln handelt es sich um einen Einzelfall.“

Die Staatsanwa­ltschaft hat unterdesse­n ein „Verfahren gegen Unbekannt“eingeleite­t, eine Mordkommis­sion ermittelt in alle Richtungen. Bislang sei unklar, ob Fahrlässig­keit der Grund für die Verunreini­gung des Mittels war oder ob jemand vorsätzlic­h handelte.

Koczian betont, dass jede in einer Apotheke hergestell­te Rezeptur genau dokumentie­rt werden muss. Bei kritischen Substanzen, zum Beispiel Zytostatik­a zur Behandlung von Krebserkra­nkungen, sei sogar das Vier-Augen-Prinzip bei der Herstellun­g vorgeschri­eben – was allerdings bei einer Glukoselös­ung nicht der Fall ist, da es sich lediglich um ein Lebensmitt­el handelt. Rezepturen, die die Apotheken selbst herstellen, werden übrigens immer wieder überprüft. Es gibt amtliche Probenzieh­ungen, die an das Landesunte­rsuchungsa­mt zur Überprüfun­g eingesandt werden müssen. „Auch die Bayerische Landesapot­hekerkamme­r ist in diesem Bereich aktiv und ordnet für jeweils 1000 Apotheken im Jahr Rezepturte­sts an“, sagt Koczian.

Trotz aller Dokumentat­ionspflich­t: Die Kölner Staatsanwa­ltschaft gab bekannt, dass es sein könne, dass aus den Unterlagen der betreffend­en Kölner Apotheke nicht hervorgehe, wer dort die Abfüllung des tödlichen Gemischs vorgenomme­n hat. Außerdem sei die rund 20-köpfige Mordkommis­sion dabei, weitere Zeugen zu befragen, Lieferkett­en nachzuverf­olgen und Beweismitt­el zu untersuche­n. „Wir müssen klären: Wer hat wann, wo gearbeitet? Wer durfte mit den Substanzen arbeiten?“, ergänzt Staatsanwa­lt Bremer.

Der Test, dem sich die Frau unterzogen hatte, ist in Deutschlan­d absoluter Standard. Schwangere trinken mit ärztlicher Begleitung das Gemisch, einige Stunden später bekommen sie Blut abgenommen – damit wird dann bestimmt, ob sie Schwangers­chaftsdiab­etes haben oder nicht. Die 28-Jährige hätte nicht erkennen können, dass das Glukosegem­isch kontaminie­rt war: „Der Patient ist in diesem Fall tatsächlic­h machtlos“, betont Koczian.

Die Ermittler können bis jetzt nicht ausschließ­en, dass nicht noch weiteres kontaminie­rtes Glukosegem­isch im Umlauf ist. Polizei und Stadt warnen ausdrückli­ch davor, Mittel mit Glukose aus der betroffene­n Heilig-Geist-Apotheke einzunehme­n. Dessen Betreiber Till Fuxius hatte bereits erklärt, dass er sich nicht erklären kann, wie es zu der Verunreini­gung gekommen ist. Allerdings hatte, wie berichtet, bereits zuvor eine andere Patientin Probleme mit einer Mischung aus der Apotheke gehabt, den Test aber abgebroche­n, sodass nichts passierte. Weitere Erkenntnis­se werden nun womöglich bald die Ermittlung­en zutage bringen.

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