So herrlich unperfekt
Neulich mal wieder sehr über regionale Kino-Werbung gefreut. Echt jetzt! Denn der plötzliche Bruch in Bild- und Tonwelt, der da zu erleben ist, hat ja nicht nur Charme, sondern kündet auch von einer tiefen Wahrheit. Wie das?
Sitzt man so da, in der wirklichkeitsbereinigten Dunkelkammer des Filmsaals, in den Flauschesessel geschmiegt, ganz Aug’ und Ohr, bereit, hineingesogen zu werden in die perfekte Inszenierung auf der Leinwand. Und wird ja meist zu Beginn am mächtigsten befeuert durch auf maximale Wirkeffekte verkürzte Kanonaden der Filmvorschauen und die Verführungsund Imagetheater von Auto-, Softdrinkoder Eis-Herstellern. Aber dann, bevor zum Beispiel der sehr schöne Brad Pitt durch Landschaften auf dem Mond und auf dem Mars fährt, die so perfekt animiert wirken, dass die Wirklichkeit anders aussehen könnte: Da schlägt eben diese Wirklichkeit zurück.
Es folgen nämlich die heimischen Spots. Da führt ein betont junger Chef betont schwungvoll durchs Möbelunternehmen, in einer Sprechblase wird „cool“eingeblendet. Da versuchen drei Jungs, bei Mädels zu landen, blitzen ab – als sie dann aber im örtlichen Bekleidungsgeschäft schick gemacht werden, sind die gleichen Girls im Café entzückt und haken sich unter. Da sprechen Passanten in der heimischen Innenstadt Begeisterungstexte über eine Bank. Und da hob über viele Jahre hinweg eine Flasche Bier, eine Rakete überblendend, Richtung Weltraum ab, Text: Wer was Besseres suche, dem wünsche man eine gute Reise… Die Bilder sind der Kinoleinwandgröße technisch und ästhetisch nicht gewachsen, die Texte wirken aufgesagt und abgelesen, Montagen wirken gebastelt, die beabsichtigte Botschaft mit Dampfhammer vermittelt. Und ja, das ist die Wahrheit, denn eben das – und nicht Brad Pitt auf dem Mars – sind wir.