Der wahre Schrecken
Hier schockiert New York genauso wie die archaischen Bräuche der Schweden
Mit seinem großartigen MysteryHorror-Streifen „Hereditary – Das Vermächtnis“hat Regisseur Ari Aster dem Genre frischen Atem eingehaucht und dem Zuschauer selbigen geraubt. Ist hier ein neuer Meister des Schreckens am Werk? Der enormen Erwartungshaltung tritt Aster mit einem Horrorepos entgegen, das sich mit stolzen zweieinhalb Stunden außergewöhnlich viel Zeit nimmt. Es ist keine Sekunde zu viel.
Nicht die übliche Gruppe von gut gebauten, aber unterbelichteten Ami-Studenten bricht hier zu einem Trip nach Schweden auf, zu dem ihr Kommilitone Pelle (Vilhelm Blomgren) eingeladen hat. Dort wollen zwei der Jungs für eine Abschlussarbeit über europäische Traditionen zur Sommersonnenwende recherchieren. Pelles Familie hat dazu eingeladen, an ihrem Midsommar-Fest teilzuhaben, das nur alle neunzig Jahre abgehalten wird. Vor Ort erwartet die Gäste ein Szenario wie aus der Werbeschrift einer zweifelhaften Religionsgemeinschaft. Weiß gewandete Menschen bewegen sich gemessenen Schrittes auf dem Gelände ihrer Kultstätte. Die Neuankömmlinge werden herzlich begrüßt und kurz in die örtlichen Gepflogenheiten eingeweiht. Und dann nimmt ein Fest bizarrer Rituale seinen Lauf, das die Gäste zunehmend schockiert und ratlos zurücklässt.
Ari Aster entwirft in „Midsommar“ nicht nur eine, sondern zwei beängstigende Welten. Zu Beginn ist es die Großstadt, die zum Schauplatz markerschütternden, realen Horrors wird. Die Stadt, in der man via Smartphone kommuniziert. Dann werden die Protagonisten in eine idyllische Umgebung, aber in archaische Verhältnisse zurückgeworfen. Aster jongliert virtuos mit verstörenden Bildern, heftigen Schreckmomenten und beunruhigenden Sounds. Er etabliert lebensechte Charaktere und verzichtet auf die allermeisten Horror-Klischees.
Midsommar (2 Std. 27 Min.), Horror, USA 2019
Wertung ★★★★✩