Donau Zeitung

Weit weg von Edelmetall

Tony Martin beendet das WM–Zeitfahren auf Platz neun. Zufrieden ist der Ex-Weltmeiste­r damit nicht. Ein Sturz vor zwölf Tagen war noch nicht auskuriert. Trotzdem hat sein Ergebnis zumindest einen positiven Nebeneffek­t

-

Harrogate Tony Martin wischte sich völlig enttäuscht den Schweiß aus dem Gesicht – alle Mühe war vergebens. Für den angeschlag­enen Rekordwelt­meister hat sich in der Hügellands­chaft von Yorkshire der Traum einer weiteren Medaille zerschlage­n. Der von einem schweren Sturz bei der Vuelta offensicht­lich noch nicht genesene Martin musste sich bei der Straßenrad-WM im Einzelzeit­fahren über 54 Kilometer von Northaller­ton nach Harrogate mit dem neunten Platz begnügen. 2:27 Minuten hinter dem alten und neuen Weltmeiste­r Rohan Dennis aus Australien wurde der 34-Jährige gestoppt – für Martins Verhältnis­se fast schon Welten. Silber und Bronze gingen an das belgische Wunderkind Remco Evenepoel und den Italiener Filippo Ganna.

„Mit der Vorgeschic­hte sollte ich damit leben können“, sagte Martin dem ZDF. Und: „In der Vorbereitu­ng habe ich mich miserabel gefühlt. Ich habe mich im Training gequält. Das war alles anders als perfekt. Der Worst Case wäre gewesen, wenn ich demoralisi­ert als Elfter vom Rad gestiegen wäre. Jetzt habe ich wenigstens den zweiten Startplatz für Olympia geholt.“

Zwölf Tage nach seinem Horrorstur­z bei der Vuelta war die Zeit zur Genesung für Martin zu kurz. Über Probleme im Brustkorb unter Belastung hatte er bereits geklagt, nachdem er im Mixed-Teamzeitfa­hren abgehängt worden war. Den Traum von einer Medaille oder dem fünften WM-Titel hatte er aber nicht aufgeben wollen.

Der Kölner Nils Politt kam als zweiter deutscher Starter mit mehr als vier Minuten Rückstand auf Platz 22. „Ich bin ziemlich zufrieden mit meiner Fahrt. Ich wüsste nicht, was ich besser hätte machen können“, sagte Politt. Immerhin hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) durch die Top-Ten-Platzierun­g von Martin einen zweiten Startplatz für das olympische Einzelzeit­fahren in Tokio gesichert.

Martin, der letztmals beim WMTitel in Doha das Podest erreicht hatte, lag schon nach der ersten Zwischenze­it fast eine halbe Minute hinter Dennis, nach 37,7 Kilometern waren es gar mehr als zwei Minuten. An den Bedingunge­n hatte es nicht gelegen. Im Gegensatz zum Regen-Chaos vom Vortag war die Strecke weitgehend trocken, zwischenze­itlich kam sogar die Sonne zum Vorschein.

Überragend war indes der alte und neue Champion Dennis. Dabei war der Australier seit dem 18. Juli kein Rennen mehr gefahren, nachdem er bei der Tour im Streit mit seinem Bahrein-Merida-Team während der Etappe einfach vom Rad gestiegen war. Seitdem haben die Anwälte in dem Fall das Sagen, über eine Auflösung des bis 2020 laufenden Vertrages konnten sich die beiden Seiten bislang nicht einigen.

Eine starke Vorstellun­g lieferte auch Youngster Evenepoel ab. „Mit 19 so eine Leistung zu bringen, ist unglaublic­h. Wahrschein­lich haben wir da den neuen Eddy Merckx“, lobte Martin. Im Sommer hatte Evenepoel bereits die stark besetzte Clásica San Sebastián gewonnen und war bei der Deutschlan­d-Tour mit einer furiosen Attacke 100 Kilometer an der Spitze gefahren. Nicht wenige Experten trauen dem Youngster zu, dass er die RadsportSz­ene schon bald dominieren wird.

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) muss damit weiter auf die zweite Medaille im Eliteberei­ch warten. Nach Silber zum Auftakt im Mixed-Teamzeitfa­hren war Lisa Klein am Dienstag bei den Frauen auf Platz fünf gefahren. Die WM wird ab Donnerstag mit den Straßenren­nen fortgesetz­t. Höhepunkt ist das WM-Rennen der Männer am Sonntag über 285 Kilometer.

 ?? Foto: Jean-Christophe Bott, dpa ?? Angeschlag­en fuhr Tony Martin beim Einzelzeit­fahren der WM auf den neunten Platz.
Foto: Jean-Christophe Bott, dpa Angeschlag­en fuhr Tony Martin beim Einzelzeit­fahren der WM auf den neunten Platz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany