Emily besucht die Pinguine
Im Augsburger Zoo können Gäste einem Tier ihrer Wahl ganz nahe kommen. „Besuch beim Lieblingstier“heißt diese Aktion. Eine Siebenjährige hat sich dabei einen Traum erfüllt: Sie durfte die Magellan-Pinguine füttern
Augsburg Das Leben im Zoo scheint an diesem Morgen einen Sonntagsschlaf zu schlummern. Paviane schmiegen sich auf ihren Kletterästen aneinander, die Büffel stehen wie Stillleben im Sand mit halbverschlossenen Augen. Auch die MagellanPinguine überstürzen nichts. Gemächlich watscheln sie aus ihren Höhlen, wackeln bis zum Rand ihres Wasserbeckens, um Ausschau zu halten. Und auf der anderen Seite des Geheges können sie schon die Menschen sehen, die ihnen an diesem Tag einen Besuch abstatten – die Familie Haselhuhn. Vater, Mutter, Kind. Welches Familienmitglied gleich seinem Lieblingstier begegnen darf, ist schnell geklärt. „Ich bin die, die gleich die Pinguine füttern darf“, ruft die siebenjährige Emily, als der Tierpfleger Peter Kühlburg die Familie begrüßt. „Gut. Heute sind wir beiden Pinguin-Pfleger“, sagt Kühlburg und schmunzelt. „ Ich der große Pfleger, du die kleine Pflegerin.“Im Zoo Augsburg erlebt Emily an diesem Tag ihren „Besuch beim Lieblingstier“. Sie darf Tiere füttern, von Nahem bestaunen – und lernen.
Viele Zoos bieten Tierkontakte an, doch nur drei deutsche Tierparks halten Magellan-Pinguine. „Hier klang das Angebot auch am Nettesten“, sagt Emilys Mutter. Die Familie ist aus Frankfurt am Main angereist und verbringt in Augsburg ein paar freie Tage – die Begegnung mit den Vögeln soll der Höhepunkt für Emily sein. Zuerst muss sie aber eine Trockenübung absolvieren: In einer kleinen Hütte neben dem Pinguingehege darf das Mädchen das Futter vorbereiten. Fische zweierlei Sorte, Hering und Makrele. Sie lagern im Kühlschrank, denn sie müssen frisch sein, so frisch, dass sie kaum nach Fisch riechen. „Die wären auch für den menschlichen Genuss geeignet“, sagt der Pfleger. Kühlburg erklärt Emily seine Fütter-Technik. Die Fische packt das Mädchen gleich intuitiv an der richtigen Stelle, nicht an der Flosse, sondern mittig. Ein fester Griff und eine ruhige Hand ist wichtig, denn: „Die Pinguine werden sich beim Füttern nicht brav in der Schlange anstellen.“
Tierpflege ist für Kühlburg Handarbeit – mit bloßen Händen packt er die Fische. Andere Pfleger würden direkte Berührungen meiden, sagt er, mit Handschuhen lassen sich die Wasservögel auch füttern. Aber: Mit bloßen Händen spürt er mehr. So könne er auch ertasten, ob sich das Federkleid verändert, ob es einem Pinguin gut geht.
Hat Emily noch eine Frage? Nein, nur: „Kann es jetzt endlich losgehen?“– sagt sie und macht einen Freudensprung. Zweimal müssen die Besucher und der Pfleger mit den Schuhsohlen inh eine Desinfektionswanne treten, damit sie keine Keime zu den Tieren tragen. Dann öffnet sich das Tor zu den Pinguinen.
Nicht jede Tierart eignet sich für einen „Besuch beim Lieblingstier“. Magellan-Pinguine schon. Sie haben kaum Scheu vor Menschen, sie sind, im Gegenteil, neugierig. Emily und die Pinguine nähern sich einander, beäugen sich mit etwas Abstand und viel Respekt. Schließlich, mit dem blauen Fischeimer in der Hand, geht Emily voraus. Eine Traube von Pinguinen folgt ihr und wuselt um ihre Beine. Und dann passiert es. Ein Tier ist so gierig nach Fisch, dass es Emily mit dem Schnabel in die Wade kneift. Die Stimmung kippt. Auszeit. Raus aus dem Gehege. Durchatmen. Doch mit der Mutter an der Hand traut sich Emily wieder hinein. Jetzt füttern sie gemeinsam und werfen Fische im hohen Bogen ins Wasser. Die Pinguine hechten hinterher.
Ein Brustband aus weißen Federn schmückt die Pinguine, daran erkennt man ihre Art. Ihren Namen verdanken sie der Magellanstraße, die Atlantik und Pazifik verbindet. Dort leben sie 30 Prozent ihrer Zeit an Land und 70 Prozent im Wasser, wo sie nach Fischen, Quallen und Krebstieren jagen. An Felsküsten finden die Vögel Schutz in Höhlen, vor allem in der Brutsaison. Doch das hier ist weder Argentinien noch Chile, sondern Augsburg. Sie haben hier kein tiefes Meer, in das sie tauchen können, dafür aber Pflege und Schutz. Sie sind kaum zu unterscheiden, allesamt hübsch gemustert, im Smoking. Und doch, es gibt besondere Pinguine: Aus einer Steinhöhle watschelt ein Senior. Er wirkt etwas zittrig, seine Flügel flattern. „30 Jahre ist der. Das ist für Pinguine ein greisenhaftes Alter“, sagt der Pfleger. So alt werden sie in freier Natur nicht. Sie sind sensibel, sehr stressanfällig, vor allem in der Mauser, wenn sie ihr Gefieder wechseln. „Wie mit der Luftpumpe aufgeblasen“, so sehe ein Pinguin in der Mauser aus, sagt Kühlburg. Emily hat inzwischen auf einem kleinen Baumstumpf Platz genommen. Mit großen Augen, fast andächtig, beobachtet sie die Tiere, die nun satt und entspannt im Gehege umherstreifen. Ihre Schnäbel reichen kaum bis zu Emilys Knien, aber sie krähen und schnattern lauthals.
Am Ende des Besuchs zeigt Kühlburg sein kleines Büro in der Hütte. „Schatzkammer“nennt er den Raum. In Regalen lagern hier Gläser und Schatullen mit Federn, Straußeneiern und Zähnen vom Elefant. „Unsere Welt, die brennt“, sagt Kühlburg und meint damit das fortschreitende Artensterben. Auch der Bestand der Magellan-Pinguine nimmt ab, sie gelten als potenziell gefährdet. Umso wichtiger sei der Kontakt zwischen Mensch und Tier. „Ich glaube, dass dann eher etwas bleibt im Herzen.“Seit 1980 arbeitet Kühlburg im Zoo, seit Jahren betreut er die Tierkontakte. Eher selten nehmen Kinder teil. „Aber die haben einen ganz anderen, staunenden Blick auf die Tiere. Das finde ich schön.“