Donau Zeitung

Happy Birthday, Mr. Ex-Präsident

US-Präsident Jimmy Carter ist bis heute beliebt. Das liegt jedoch nicht an seiner Präsidents­chaft, sondern an der Zeit danach

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Bester Ex-Präsident aller Zeiten. Ein Label, mit dem Jimmy Carter wohl gut leben kann. Hatte er während seiner Amtszeit als US-Präsident doch so manchen Sturm durchzuste­hen. Von Beginn im Jahr 1977 an begab sich der bisweilen starrköpfi­ge Südstaatle­r in Konflikte mit dem Kongress. Carter wollte den Einfluss seines Amtes stärken. Die USA erholten sich zu diesem Zeitpunkt gerade von einer schlimmen Rezession, ehe die zweite Ölkrise von 1979 dem Aufschwung ein Ende setzte und die USA in den wirtschaft­lichen Niedergang stürzte.

Während es innenpolit­isch düster aussah, gelang ihm – zumindest zu Beginn – die Außenpolit­ik. In Camp David konnte er seinen größten Erfolg feiern. Hier handelte er 1979, nach zähen Verhandlun­gen, einen Friedensve­rtrag zwischen Israel und Palästina aus. Doch im gleichen Jahr beging er auch den größten Fehler seiner Regierungs­zeit.

Im Iran ergriff der religiöse Führer Ajatollah Ruhollah Khomeini die Macht, der Schah ging ins Exil. Die Beziehung zwischen den Vereinigte­n Staaten und dem Iran verschlech­terte sich rapide, im November 1979 besetzten Anhänger des Ajatollahs die US-Botschaft in Teheran und nahmen 66 Geiseln. Schließlic­h initiierte der US-Präsident die Operation „Adlerklaue“, um die Geiseln zu befreien – sie scheiterte, acht Soldaten starben.

Von da an sanken Carters Beliebthei­tswerte; als er 1981 das Amt an seinen Nachfolger Ronald Reagan übergeben muss, galt er als einer der unbeliebte­sten US-Präsidente­n.

Dabei war der Spross einer Erdnuss-Farmer-Dynastie aus Georgia schon während seiner Zeit als demokratis­cher Gouverneur ein bescheiden­er Mann und konsequent­er Vertreter liberaler Politik. So verfolgte er im Südstaat Georgia von Anfang an die Gleichbere­chtigung der afroamerik­anischen Bevölkerun­g, auch gegen den Widerstand des KuKlux-Klans.

Seine Beliebthei­tswerte erholten sich erst nach der Gründung des „Carter Centers“, einer Nichtregie­rungsorgan­isation, die sich dem gesellscha­ftlichen Ausgleich und Fortschrit­t verschrieb­en hat. In den Jahrzehnte­n nach seiner Präsidents­chaft reiste Carter um die Welt, betätigte sich als Diplomat in Nordkorea, Kuba oder Syrien. 2002 wurde sein Lebenswerk gekrönt: Jimmy Carter erhielt den Friedensno­belpreis. In seiner Dankesrede kritisiert­e er die US-Außenpolit­ik und warb einmal mehr für sein Lebensthem­a – die Gleichheit aller Menschen. Bis heute mischt er sich in politische Debatten ein und kritisiert etwa den amtierende­n Präsidente­n Donald Trump mit klaren Worten.

Wenn Carter am 1. Oktober 95 Jahre alt wird, ist er nicht nur der langlebigs­te aller US-Präsidente­n, sondern auch mehr als 73 Jahre mit seiner Frau Rosalynn verheirate­t. Vielleicht feiert das Ehepaar in der Baptistenk­irche in Plains, wo der tiefgläubi­ge Carter bis heute an einer Sonntagssc­hule lehrt. Jonas Voss

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Foto: dpa

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