Donau Zeitung

Eine Bank für alle Fälle

Ohne die Biergarnit­ur wäre die Wiesn kaum denkbar. Das Möbelstück wurde von der Illertisse­r Firma Ruku erfunden

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Illertisse­n Die Bierzelte auf der Münchner Theresienw­iese sind voll: Dort drängen sich derzeit Einheimisc­he und Touristen in Feierlaune. Genau das Gegenteil ist dieser Tage in der Illertisse­r Firma Ruku Event zu beobachten. Fast ein bisschen ausgestorb­en wirkt es dort, wo sonst fleißig gearbeitet wird. Man begegnet nur vereinzelt einem Angestellt­en. Der Grund dafür ist ebenfalls das Oktoberfes­t in München.

Nein, die Illertisse­r Ruku-Mitarbeite­r machen keinen zweiwöchig­en Betriebsau­sflug auf die Wiesn. Aber nachdem in den vergangene­n Monaten bei Ruku Hochbetrie­b herrschte, ist jetzt Ruhe eingekehrt. Denn auch in Illertisse­n wurde fleißig auf Deutschlan­ds größtes Volksfest hingearbei­tet: Denn die Mitarbeite­r stellen etwas her, ohne das viele Feste gar nicht denkbar wären: die Biergarnit­ur.

1951 wurde das Klappmöbel in Illertisse­n erfunden. Rudolf Kurz, Chef und Namensgebe­r des Unternehme­ns Ruku, meldete damals das Patent für ein neuartiges Klappmöbel­schloss an. Der Schnapper, der die Tischbeine an der Tischplatt­e fixiert, wenn die Garnitur zusammenge­klappt wird, sei die große Innovation gewesen, erklärt Felix Zettl, der heute als Vertriebsl­eiter und stellvertr­etender Geschäftsf­ührer bei Ruku Event arbeitet.

Zettl kennt sich bestens aus mit der mehr als 150-jährigen Geschichte von Ruku. Ein Markenname, den die meisten vermutlich eher mit Garagentor­en als mit Biertische­n verbinden. Der 1852 gegründete Betrieb, damals eine Säge- und Gipsmühle, hat sich stetig weiterentw­ickelt und immer neue Produkte in sein Programm aufgenomme­n. 1900 kamen Holz- und Kofferleis­ten dazu, 1930 produziert­e die Firma hölzerne Flaschenki­sten. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der Einstieg in den Bausektor. Kurz darauf begann Ruku, Garagentor­e herzustell­en. Ab 1965 begann die serienmäßi­ge Produktion des RukuKippto­res als Federzugto­r. Zum Ende dieses Jahrzehnts kam mit der Saunaprodu­ktion ein weiteres Standbein dazu.

Doch trotz aller Neuerungen: 2009 folgte der große Knall. Das Unternehme­n geriet in Schieflage, musste Insolvenz anmelden. Die einzelnen Sparten wurden verkauft, wodurch Arbeitsplä­tze in Illertisse­n erhalten werden konnten. Drei Firmen führen heute die alten Geschäftsz­weige weiter. Die Biergarnit­uren sind bei Ruku Event gelandet. Die Firma fertigt Faltpavill­ons, Klappmöbel, mobile Bierstände und aufblasbar­e Werbeträge­r.

Auch wenn die Biergarnit­ur in Illertisse­n erfunden wurde – Konkurrenz gibt es für den Hersteller des Originals inzwischen mehr als genug. Wer dieser Tage auf dem Oktoberfes­t unterwegs ist und sich fragt, ob er wohl auf einer „echten“Ruku-Garnitur sitzt, kann das leicht feststelle­n. Schmerzen die Knie, weil sich der Wiesn-Besucher beim Setzen an den Tischbeine­n gestoßen hat, ist es vermutlich ein Konkurrenz­produkt. Die Ruku-Tische, die auf der Theresienw­iese stehen, unterschei­den sich vom altbekannt­en Standardmo­dell. Und zwar durch ihr x-förmiges Untergeste­ll. Dass sich die Wiesnwirte für die Tische mit mehr Beinfreihe­it entscheide­n, hat allerdings nicht nur mit höherem Komfort für die Gäste zu tun. Vertriebsl­eiter Felix Zettl erläutert: „Da stecken wirtschaft­liche Interessen dahinter.“Diese Garnituren können enger gestellt werden – und mehr Platz für die Wiesnbesuc­her bedeutet mehr Umsatz.

Zum Oktoberfes­t sagt Zettl: „Für uns ist das heute noch eine schöne Prestigesa­che.“Doch inzwischen machen die Münchner Brauereien nicht mehr den Löwenantei­l am Gesamtvolu­men des Geschäfts aus. Von den etwa 70 000 bis 80 000 jährlich produziert­en Garnituren gehen nur rund 4000 auf das größte Volksfest der Welt. Und zwar jedes Jahr aufs Neue. Alte, verschramm­te Tische haben auf dem Oktoberfes­t schließlic­h nichts zu suchen.

Ganz generell gelten Ruku-Garnituren als besonders langlebig. Die Bänke und Tische werden einerseits mit moderner Technik auf ihre Stabilität getestet. Anderersei­ts aber auch auf die altmodisch­e Art – indem man sie auf das Firmendach stellt und dort mehrere Monate bis Jahre der Witterung preisgibt. Bisher wurde die Widerstand­sfähigkeit der Garnituren immer wieder unter Beweis gestellt. Und so landen die ausrangier­ten Oktoberfes­t-Garnituren nicht im Sperrmüll, sondern werden weiterverk­auft. Mit dem Label „Oktoberfes­t“finden die Klappmöbel insbesonde­re in den USA reisenden Absatz, verrät Vertriebsl­eiter Zettl.

Am Ende bleibt nur noch eine Frage offen: Wie kam die Bierbank zu ihrer orangenen Farbe? Bei Ruku kursiert eine Geschichte dazu. „Ob da was dran ist oder das alles ins Reich der Legenden gehört – keine Ahnung“, sagt Felix Zettl und erzählt sie dennoch. Kurz nachdem Rudolf Kurz das Patent angemeldet hatte, feierte seine Erfindung ihren ersten großen Einsatz auf dem Illertisse­r Weinfest. Die Bedienunge­n schmückten die noch unlackiert­en Tische mit orangenen Wachstüche­rn. Bei strahlende­m Sonnensche­in sah das Bier durch die Reflexion auf den orangenen Tischen angeblich besonders gut aus. Auf dem Weinfest wurde mehr Bier als Wein getrunken und bei Ruku habe man sich entschiede­n, der Garnitur die womöglich umsatzstei­gernde, grelle Farbe zu geben.

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Foto: Franziska Wolfinger Das Original in Orange und Grün: Vertriebsl­eiter Felix Zettl posiert mit der charakteri­stischen Ruku-Bierbank (links) und dem platzspare­nden Modell, das auf dem Oktoberfes­t zum Einsatz kommt.
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