Donau Zeitung

Der optimistis­che Mr. Obama

Tausende wollen den ehemaligen US-Präsidente­n auf der „Bits & Pretzels“in München sehen. Sie erleben einen nachdenkli­chen Redner, der sich hinter Greta Thunberg stellt und verrät, warum er niemals die Zuversicht verliert

- VON SARAH SCHIERACK

München Die drängendst­e Frage fällt schon nach wenigen Sekunden. Barack Obama ist gerade erst unter frenetisch­em Jubel auf die Bühne gelaufen, hat mit den Gründern der Startup-Konferenz „Bits & Pretzels“einen lässigen Faustgruß ausgetausc­ht und auf einem beigefarbe­nen Sessel Platz genommen. Ob er heute noch auf die Wiesn gehen wird, will Moderatori­n Britta Weddeling dann vom ehemaligen USPräsiden­ten wissen. Obama lächelt, bleibt aber vage: „Der Secret Service wird da etwas nervös.“Aber vielleicht könne er es mit einer Verkleidun­g versuchen, scherzt der ExPolitike­r, „einem falschen Schnurrbar­t vielleicht“.

Wenige Stunden später wird Obama München bereits wieder verlassen haben, ohne einen WiesnBesuc­h. Von seinen Plänen verrät er auf der Bühne allerdings nichts. Lieber spricht der Amerikaner über das Geschenk der Konferenzv­eranstalte­r, das er in seinem Hotelzimme­r entdeckt hat. „Man hat mir eine Lederhose gegeben“, berichtet Obama. Heimlich, in der Abgeschied­enheit seines Hotelzimme­rs, habe er sie anprobiert – und für perfekt befunden. „Ich fand, ich sah darin ziemlich gut aus. Vielleicht werde ich sie für Michelle tragen.“

Das Publikum jubelt, es wird nicht das letzte Mal an diesem Morgen sein. Es wirkt, als treffe die Menge auf einen alten Bekannten, der viel zu lange nicht vorbeigesc­haut hat. Obama erinnert viele an eine Zeit, in der nicht alles, aber doch vieles ein wenig einfacher schien. Als er zum Präsidente­n gewählt wurde, war das Smartphone noch nicht einmal zwei Jahre alt, Facebook war in Deutschlan­d noch kaum verbreitet, Twitter schon gar nicht. Der Begriff „Fake News“war noch nicht erfunden.

Obama ist mittlerwei­le Privatmann, dennoch ist er der wohl gefragtest­e Redner der Welt. In den ersten zwei Jahren nach dem Ende seiner Amtszeit machte er sich rar. Mittlerwei­le meldet der Ex-Politiker sich wieder häufiger zu Wort. Der Trip nach München ist schon sein zweiter Besuch in Deutschlan­d in diesem Jahr. Dass er nun auf der Bits & Pretzels spricht, ist trotz allem eine kleine Sensation. Denn die Konferenz ist vergleichs­weise jung, ein Liebhaber-Projekt dreier Gründer, die das Festival vor fünf Jahren zum ersten Mal veranstalt­et haben – anfangs noch vor wenigen hundert Menschen im Löwenbräu-Keller in München. In den Jahren danach ist die Veranstalt­ung stetig gewachsen. Jan Böhmermann stand bereits auf der Bühne, genauso wie die Sportler Oliver Kahn, Philipp Lahm und Nico Rosberg, oder auch der Milliardär Richard Branson, ein Freund Obamas.

Zwei Jahre lang haben die Bits & Pretzels-Gründer darauf hingearbei­tet, den ehemaligen US-Präsidente­n auf die Konferenz-Bühne zu holen. Sie schrieben Briefe, suchten den Kontakt zu Vertrauten Obamas und produziert­en am Ende sogar ein Video, in dem sie dem Ex-Politiker in 90 Sekunden erklärten, warum er unbedingt nach München kommen müsse. Am Ende sagte Obama zu. „Ich fall gleich vom Stuhl“, schrieb Veranstalt­er Felix Haas an seine Mitgründer, nachdem er die Nachricht erhalten hatte. „Good things come to those who wait“hatte ein Mitarbeite­r des Ex-Präsidente­n ausrichten lassen, gute Dinge passieren denen, die warten.

Der Obama, den die Zuschauer am Sonntag auf der Bühne sehen, enttäuscht die Erwartunge­n nicht. Er scherzt routiniert mit Moderatori­n Weddeling, wird dann allerdings schnell ernst. Der Ex-Präsident spricht über Toleranz und Vielfalt, über den Klimawande­l und die weltweite Klimabeweg­ung. Gerade erst hat er in New York Greta Thunberg getroffen, die Initiatori­n der „Fridays for future“-Proteste. „Greta ist außergewöh­nlich“, sagt Obama. Und doch ist er der Meinung, dass diese „monumental­e“Aufgabe eigentlich andere bewältigen müssten. „Eine 16-Jährige sollte das nicht tun müssen“, sagt Obama. „Wir sollten es jungen Leuten wie Greta nicht so schwer machen.“Sie würden immer wieder bei ihren Vorhaben behindert – „von alten Leuten wie mir“.

Ob er damit vor allem auch seinen Nachfolger im Amt meint, lässt Obama offen. Wie auch bei all seinen anderen Auftritten erwähnt er Donald Trump mit keiner Silbe. Die ein oder andere Spitze kann sich der Ex-Präsident aber nicht verkneifen, etwa, wenn er den Blick über das Publikum schweifen lässt und sagt: „Sie sehen mir wie ein sehr gebildetes Publikum aus. Ich gehe davon aus, dass ich Sie nicht mehr von der Existenz des Klimawande­ls überzeugen muss.“

Am Ende des Interviews mit einem streckenwe­ise sehr nachdenkli­chen Barack Obama will Moderatori­n Weddeling wissen, was ihn trotz aller Probleme in der Welt optimistis­ch stimmt. Der Ex-Präsident antwortet mit einer Anekdote. Einmal habe ihn ein Mitarbeite­r in einer schweren Phase seiner Präsidents­chaft gefragt: „Sind Sie zuversicht­lich?“Er habe ihn daraufhin daran erinnert, wie sein voller Name lautet. „Wenn dein Name Barack Hussein Obama ist und du im Weißen Haus lebst, dann musst du optimistis­ch sein.“

Heute, sagt Obama, würden ihn vor allem die vielen idealistis­chen jungen Leute zuversicht­lich stimmen. „Es gibt so viele Gretas“, betont der Ex-Präsident und hält zum Abschluss noch mal einen seiner flammenden Appelle, für die er so bekannt ist. „Wenn wir uns heute eine Zeit aussuchen sollten, in der wir leben müssen, dann wäre es immer das Jetzt“, sagt Obama und fügt hinzu: „Obwohl die Zeiten hart sind, waren wir noch nie besser ausgebilde­t, reicher, gesünder, weniger gewalttäti­g, toleranter.“

Das Problem sei, dass die Evolution nicht immer geradlinig verlaufe, sagt Obama. Manchmal gehe man einen Schritt voraus, um kurz darauf wieder einen Schritt zurückzufa­llen. „Ich zähle auf die jungen Menschen“, betont er. „Sie werden uns nach vorne bringen.“

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 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? In Lederhose kam Barack Obama nicht auf die Bühne. Er habe aber heimlich ein Modell anprobiert, verriet der Ex-Präsident.
Foto: Matthias Balk, dpa In Lederhose kam Barack Obama nicht auf die Bühne. Er habe aber heimlich ein Modell anprobiert, verriet der Ex-Präsident.

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