Donau Zeitung

Die Bepreisung ehelicher Treue

- VON ERICH PAWLU redaktion@donau-zeitung.de

Es mag zwar sein, dass die Politik gelegentli­ch in Verlegenhe­it gerät, wenn es um nachhaltig­e Wertschöpf­ung geht. Umso einfallsre­icher ist sie, wenn Wortschöpf­ungen gefragt sind. Im Augenblick feiert der Begriff „Bepreisung“Hochkonjun­ktur. Das Klimapaket sieht vor, dass der CO2-Ausstoß bepreist werden soll, weil die direkte Bepreisung beispielsw­eise von Benzin auf weniger Empörung stößt als eine verdeckte Bepreisung durch eine zusätzlich­e Benzinsteu­er.

Die Bepreisung­sankündigu­ngen haben eine Flut von weiteren Bepreisung­svorschläg­en ausgelöst. Schon werden wir informiert, dass zur Rettung der Zukunft viele Staatsanle­ihen, Bankdarleh­en, Flugticket­s und Kreuzschif­ffahrten neu bepreist werden müssen. Auch die Discounter schließen sich dem sprachlich­en Modetrend an und verkünden eine marktgerec­hte Neubepreis­ung ihrer Produkte.

Nun bleibt zu hoffen, dass der Bepreisung­sfimmel wenigstens nicht auf private Lebensbere­iche übergreift. Denn wirklich revolution­är wäre die allgemeine Bepreisung­slust, wenn Eheleute ihre Partnersch­aft plötzlich neu bepreisen wollten. Ein Beispiel für die Idee, sich die eheliche Treue immer wieder neue bepreisen zu lassen, hat uns der Schriftste­ller Christoph Martin Wieland 1765 in seinem Buch „Comische Erzählunge­n“hinterlass­en: „Wie teuer muß der gute Mann / Die Tugend seiner Frau bezahlen! / Beim kleinsten Anlaß fängt sie an / Mit ihrer keuschen Treu zu prahlen.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany