Die Bepreisung ehelicher Treue
Es mag zwar sein, dass die Politik gelegentlich in Verlegenheit gerät, wenn es um nachhaltige Wertschöpfung geht. Umso einfallsreicher ist sie, wenn Wortschöpfungen gefragt sind. Im Augenblick feiert der Begriff „Bepreisung“Hochkonjunktur. Das Klimapaket sieht vor, dass der CO2-Ausstoß bepreist werden soll, weil die direkte Bepreisung beispielsweise von Benzin auf weniger Empörung stößt als eine verdeckte Bepreisung durch eine zusätzliche Benzinsteuer.
Die Bepreisungsankündigungen haben eine Flut von weiteren Bepreisungsvorschlägen ausgelöst. Schon werden wir informiert, dass zur Rettung der Zukunft viele Staatsanleihen, Bankdarlehen, Flugtickets und Kreuzschifffahrten neu bepreist werden müssen. Auch die Discounter schließen sich dem sprachlichen Modetrend an und verkünden eine marktgerechte Neubepreisung ihrer Produkte.
Nun bleibt zu hoffen, dass der Bepreisungsfimmel wenigstens nicht auf private Lebensbereiche übergreift. Denn wirklich revolutionär wäre die allgemeine Bepreisungslust, wenn Eheleute ihre Partnerschaft plötzlich neu bepreisen wollten. Ein Beispiel für die Idee, sich die eheliche Treue immer wieder neue bepreisen zu lassen, hat uns der Schriftsteller Christoph Martin Wieland 1765 in seinem Buch „Comische Erzählungen“hinterlassen: „Wie teuer muß der gute Mann / Die Tugend seiner Frau bezahlen! / Beim kleinsten Anlaß fängt sie an / Mit ihrer keuschen Treu zu prahlen.“