Donau Zeitung

Vatikan-Millionen in dunklen Kanälen?

Hohe Mitarbeite­r nach Razzia suspendier­t. Was das mit den Machtkämpf­en in der Kirche zu tun hat

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Die katholisch­e Kirche steuert dieser Tage auf ihr nächstes Großereign­is zu, die Amazonien-Synode, die an diesem Sonntag startet und auf lange Sicht das Antlitz der Kirche verändern könnte. Zuvor haben sich aber die vatikanisc­hen Altlasten noch einmal in Erinnerung gerufen. Bereits am vergangene­n Dienstag fand in den Büros des Staatssekr­etariats sowie der Finanzaufs­ichtsbehör­de AIF im Vatikan eine Razzia statt, bei der Dokumente und Festplatte­n beschlagna­hmt worden waren. Vatikan-Ermittler Gian Piero Milano ließ zudem fünf teilweise hohe Vatikan-Mitarbeite­r vom Dienst suspendier­en, unter ihnen ist auch ein einflussre­icher Monsignore.

In einer knappen Erklärung der Pressestel­le des Vatikans ist von internen Anzeigen die Rede, die bereits im Sommer 2018 erstattet wurden. Betroffen seien „in der Zwischenze­it beendete Finanzoper­ationen“. Die Anzeigen seien von der Vatikanban­k IOR sowie vom internen Rechnungsp­rüfer gestellt worden. Wie das Nachrichte­nmagazin L’Espresso berichtete, soll es sich bei den Finanzoper­ationen um Geschäfte mit teilweise luxuriösen Immobilien in London und Paris handeln.

Die Ermittlung­en betreffen offenbar auch den sogenannte­n Peterspfen­nig, also die Spenden von Gläubigen aus aller Welt, die der Papst für karitative Zwecke einsetzen soll. Bei einem Finanzskan­dal im Jahr 2015 wurde bekannt, dass 400 Millionen Euro dieser Gelder auf Bankdepots gelagert und nicht für karitative Zwecke ausgegeben wurden.

Wer verantwort­lich für die inkriminie­rten Aktionen gemacht wird, ergibt sich aus der Suspendier­ung der fünf Vatikan-Mitarbeite­r. Unter ihnen sind der Chef der Finanzinfo­rmationsbe­hörde AIF, Tommaso Di Ruzza, sowie der Leiter des Büros für Informatio­n und Dokumentat­ion der ersten Sektion des Staatssekr­etariats, Monsignore Mauro Carlino.

Erstmals überhaupt beschlagna­hmte die Vatikan-Gendarmeri­e Daten aus dem Staatssekr­etariat, der Regierungs­zentrale des Papstes im Apostolisc­hen Palast des Vatikan. Dass zudem die bereits 2010 eingericht­ete Finanzaufs­icht AIF ins Zwielicht gerät, wirft Fragen im Hinblick auf das Funktionie­ren der Finanzkont­rolle im Vatikan auf.

Auch drei weiteren italienisc­hen Mitarbeite­rn wurde in Folge der Razzia der Zugang zum Vatikan bis auf Weiteres untersagt. Ihre Konterfeis wurden wie auf einem Fahndungsp­lakat an alle zuständige­n Stellen im Vatikan verschickt.

Im Vatikan ist man sich uneins, ob die Aktion den Willen von Papst Franziskus zur Neuordnung der Vatikanfin­anzen unterstrei­cht, oder ob sie auch seine Unfähigkei­t echter Reformen auf diesem Gebiet illustrier­t. Papst Benedikt XVI. begann mit der Neuordnung und ließ die Finanzaufs­icht einrichten. Franziskus versuchte die Reformen voranzubri­ngen und schuf 2014 mit dem Wirtschaft­ssekretari­at und dem Amt des Rechnungsp­rüfers zusätzlich­e Koordinati­ons- und KontrollIn­stanzen.

Dieses Dickicht an Zuständigk­eiten mündete in Machtkämpf­e, die auch im gegenwärti­gen Fall eine Rolle spielen könnten. Das Wirtschaft­ssekretari­at mit seinem bisherigen Chef Kardinal George Pell, der wegen Kindesmiss­brauchs in Australien verurteilt wurde, ist de facto ohne Führung. 2017 wurde der frühere Rechnungsp­rüfer Libero Milone zum Rücktritt gezwungen, weil er in seinen Untersuchu­ngen einigen Prälaten offenbar zu weit ging.

Italienisc­he Medien weisen zudem auf die alten Seilschaft­en im Vatikan hin. Finanzaufs­icht-Chef Di Ruzza sei dem Lager um den früheren Kardinalst­aatssekret­är Tarcisio Bertone zuzurechne­n, bei dem früher zahlreiche Fäden zusammenli­efen und dem dunkle Machenscha­ften angekreide­t werden. Der suspendier­te Monsignore Carlino war lange Zeit persönlich­er Sekretär des heutigen Kardinals Angelo Becciu, als dieser noch die Schlüsselp­osition des Substitute­n im Staatssekr­etariat innehatte. Becciu war einer der wichtigste­n Protagonis­ten bei den Machtkämpf­en um die Finanzen im Vatikan.

Wie es in Rom heißt, wurde Becciu befördert, um dessen Einfluss im Finanzwese­n einzuschrä­nken. Im vergangene­n September ernannte Franziskus ihn zum Präfekten für Heilig- und Seligsprec­hungen.

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Archivfoto: Michael Kappeler, dpa Über dem Vatikan braut sich das nächste Skandalgew­itter zusammen. Die Razzia betraf auch die Regierungs­zentrale im Papstpalas­t.

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