Viel Turbulenz im Grand Hotel
Das Lauinger Stadeltheater glänzt mit Kästners „Drei Männer im Schnee“
Lauingen Und wieder entstand die typische Stadeltheater-Atmosphäre. Die Schauspieltruppe legte sich ins Zeug, die Zuschauer jubelten und am Schluss hatte die Aufführung ein Lächeln in alle Gesichter geschrieben. Es ist der Geist dieses Theaters, der engagierten Laiendarstellern zu erstaunlicher Profession verhilft. Erich Kästners Komödie „Drei Männer im Schnee“, von Regisseur Andreas Haun werktreu in Szene gesetzt, erwies sich bei der Premiere als literaturgeschichtliches Lehrstück. Die Komödie, 1934 erstmals aufgeführt, ist noch nicht durchsetzt von den „Comedy“-Späßen unserer Tage, sondern vertraut auf die Wirkung des geistreich-fröhlichen Dialogs. Das Premierenpublikum war dieser Herausforderung gewachsen: Jede Pointe zündete.
Die Geschichte vom Multimillionär Eduard Tobler, der unter falschem Namen einmal erfahren will, wie bettelarme Leute im alpinen Grand Hotel Kreuzkirchen behandelt werden, löst mit seiner Tochter Hilde eine Kette von Verwirrungen aus. Im Verlauf des turbulenten verschwimmen fast alle Identitäten, bis die Handlung mit einer Verlobung zur Ordnung zurückkehrt.
Andreas Haun und die Mitglieder des Ensembles verschafften dem personenreichen Stück viele Glanzpunkte. Alwin Schweizer sicherte der Figur des millionenschweren Geheimrats Eduard Tobler mit Bestimmtheit, Witz und Beharrlichkeit ein sympathisches Profil. Helmut Weiß wechselte als Johann Kesselroth mühelos zwischen den Rollen des Dieners und des superreichen Hotelgasts. Andreas Salzmann machte glaubhaft, dass auch ein mittelloser Mann zu einem Mittel leidenschaftlicher Liebesspiele werden kann. Hannes Speinle verband als Hotelportier seine Klage über die „Schlamperei“im Kreuzkirchener Prunkhotel mit einem Auftritt ohne Hose. Monika Bandow mimte als Direktorin überzeugend die ständige Nähe einer Managerin zum Nervenzusammenbruch. Franziska Mader zeigte, dass die Millionärstochter das Geschehen im eigenen Zuhause und in der Fremde mit Grazie und starkem Willen zu steuern wisse. Mit großartig grotesken Auftritten und einem ungewöhnlichen Beispiel minutenlanger Lachkultur sorgte Dr. Gerry Feller als Frau Kunkel für zusätzliche Komik. Und der Temperaturpegel des Stücks erhöhte sich mit jedem Auftritt Gerlinde Scheit-Mayers als Frau von Haller: Die Mutter von zwei Kindern machte unter hohem Hormonbeschuss pausenlos Jagd auf geeignete Männer, wobei sie nicht nur das lockende Wort, sondern auch ihre Stola als Fangnetz einsetzte. Demgegenüber verkörperte Gerhard Winkler als Baron Rähnitz eher das Prinzip des beobachtenden Philosophen und des hintergründigen Stichwortgebers.
Ein ganzes Team hatte das Bühnenbild geschaffen. Der erste Akt handelte vor dem Vorhang, das weitere Spiel lief in einem eindrucksvollen Hotelmilieu ab. Die Inszenierung schuf ein realitätsnahes Bild von den üblichen, ritualisierten Abläufen in der Luxusgastronomie, sogar die Manieren des Kellners (PhiSpiels lipp Schombacher) waren perfekt. Die Grundlagen des Lebensgenusses, dem sich die Grand-Hotel-Gäste hingaben, sind inzwischen allerdings verpönt: Viel Pelz, viel Champagner und viel Cognac entsprechen nicht mehr den aktuellen Idealen der Nachhaltigkeit.
Begeisterter Beifall belohnte das Schauspielerteam für seine perfekte Leistung. Nur selten ist anderswo zu erleben, dass Laienschauspieler ihre Texte nicht deklarieren, sondern in aller Natürlichkeit zu Sinnträgern machen. Patricia Laube, Vorsitzende des Vereins Stadeltheater, dankte dem Regisseur, den Akteuren, den Helfern und den Sponsoren. Es bestehen beste Chancen, dass alle Aufführungen ausverkauft werden.
Kesselroth wechselt mühelos die Rollen
OVorstellungen: Oktober: 6./12./13./19./20./26./27; November: 3./9./10./15./23./24; freitags und samstags um 19.30 Uhr, sonntags um 18 Uhr; Nachmittagsvorstellungen um 15 Uhr am 20.10. und 24.11.; Vorverkauf: Eismann Lauingen, Bezikofer Dillingen, Bücher Brenner Dillingen, Stadtapotheke Gundelfingen sowie unter www.stadeltheater.de und telefonisch unter 09073/5890329.