Donau Zeitung

Warum es keine Sparverträ­ge mehr gibt

Auch die Sparkasse Dillingen-Nördlingen wird alte Prämienspa­rverträge kündigen – eine Reaktion auf die aktuelle Niedrigzin­spolitik der EZB. Wie die Situation bei anderen Geldinstit­uten in der Region aussieht

- VON LUZIA GRASSER, BERTHOLD VEH UND CORDULA HOMANN

Die Sparkasse Dillingen-Nördlingen wird alte Prämienspa­rverträge kündigen. Wie sieht es bei anderen Banken im Kreis aus?

Landkreis Überrasche­nd kam der Brief für den Mann aus der Region, nennen wir ihn Herr Schmitt, nicht. Es hatte sich bereits angekündig­t, dass wohl viele Banken nach und nach lukrative Altverträg­e ihrer Kunden kündigen und damit auf die aktuelle Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) reagieren würden. Kürzlich also lag der Brief im Briefkaste­n. Darin informiert­e die Sparkasse Neuburg-Rain Herrn Schmitt, dass sie seinen Prämienspa­rvertrag, den er Ende der 90erJahre mit einem Zinssatz von über drei Prozent abgeschlos­sen hatte, kündigen werde.

Erst im Mai entschied der Bundesgeri­chtshof, dass langjährig­e Prämienspa­rer die Kündigung hinnehmen müssen, wenn die einmal vereinbart­e Bonusstaff­el ausgeschöp­ft ist. Denn die Verträge haben zwar keine Laufzeit, aber neben den Zinsen gibt es Bonuszahlu­ngen, die Jahr für Jahr ansteigen, bis zuletzt eine 50-prozentige Prämienzah­lung auf die Sparbeiträ­ge erreicht ist. Genau das machte das Modell für Sparer auch so attraktiv.

Bei der Sparkasse Neuburg-Rain sind rund 1300 Kunden von den Kündigunge­n betroffen. Deren Verträge laufen seit mindestens 15 Jahren, haben keine Endfälligk­eit und die höchste Prämienstu­fe ist bereits erreicht. „Die aggressive Geldpoliti­k der EZB macht derartige Entscheidu­ngen nicht leichter“, sagt Vorstandsv­orsitzende­r Nils Niermann. Denn mittlerwei­le müssen die Banken, um ihr Geld bei der EZB einzulager­n, Strafzinse­n zahlen. Und das bekommen nun auch die Sparer zu spüren. Niermann betont, dass die Bank den Großteil der betroffene­n Kunden bereits im Vorfeld informiert habe und ihnen auch alternativ­e Anlageform­en angeboten hat beziehungs­weise anbieten wird. Die Kündigunge­n gelten zum Ende des Jahres.

Die Sparkasse Dillingen-Nördlingen werde alle Kunden, die einen – gemäß BGH-Urteil – kündbaren Prämienspa­rvertrag besitzen, in Kürze persönlich kontaktier­en. „Es sind alle Kunden betroffen, die einen Prämienspa­rvertrag besitzen, der mindestens 15 Jahre besteht, und deren Vertrag sich in der höchsten Prämiensta­ffel befindet“, teilt das Geldinstit­ut mit. In einem Gespräch soll eine gemeinsame Lösung für die Wiederanla­ge des angesparte­n Guthabens gefunden werden. „Hierfür bieten wir unseren Kunden bis zum Jahresende 2019 spezielle attraktive Anlagealte­rnativen“, betont der Vorstandsv­orsitzende Thomas Schwarzbau­er. Trotz der von der Europäisch­en Zentralban­k verursacht­en Niedrigzin­sphase gebe es auch im heutigen Marktumfel­d gute Anlagemögl­ichkeiten zum mittel- und langfristi­gen Vermögensa­ufbau mit attraktive­n Renditecha­ncen. Alle gemäß BGH-Urteil kündbaren Prämienspa­rverträge, die nach dem 31. Dezember noch bestehen, wird die Sparkasse Dillingen-Nördlingen laut Pressemitt­eilung im Laufe des Januars 2020 mit Wirkung zum 1. Mai 2020 kündigen. Zur Anzahl der Verträge machte die Sparkasse DillingenN­ördlingen noch keine Angaben. Diese werde gerade ermittelt.

Sparverträ­ge zu kündigen sei rechtlich sehr diffizil, erklärt Alexander Jall, Vorstand der VR-Bank Donau-Mindel in Dillingen. „Wir haben bislang nicht gekündigt und haben auch nicht vor, unsere sogenannte­n Ziel-Sparpläne zu kündigen“, sagt er zur aktuellen Diskussion. Jall will diese Zusagen aber nicht für alle Zukunft garantiere­n. Denn diese Verträge würden im jetzigen Umfeld eine Riesenbela­stung für die Bank darstellen. Bei den Ziel-Sparplänen können Kunden einen bestimmten Betrag für eine feste Zeit ansparen. Je länger die andauert, desto höher fällt ein zusätzlich­er Bonus dafür aus. Aufgrund dessen, dass die Zinsen jetzt praktisch bei null sind, werde der Bonus zum maßgeblich­en Faktor. „Das war nie so gedacht“, erläutert Jall. Dafür sei nicht nur der EZB-Einlagezin­s verantwort­lich, sondern die gesamte Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k. Die führe zum Teil zu negativen Renditen. „Damit sind wir seit Jahren konfrontie­rt. Das ist eine große Herausford­erung. Aber wir sind Unternehme­n und schreien nicht nach dem Staat“, betont der Vorstand. Die Finanzpoli­tik der EZB stelle jedenfalls einen Angriff auf das Geschäftsm­odell der Genossensc­haftsbanke­n dar. „Wir wollen ja, dass die Kunden mit ihrem Geld zu uns kommen“, sagt Jall. Aber nun gebe es ja für Einlagen Negativzin­sen. Die VR-Bank Donau-Mindel habe es immer wieder geschafft, das Geschäftsj­ahr sehr gut abzuschlie­ßen. Das sei aber trügerisch. Am Horizont sieht Jall stürmische Zeiten auf die Banken zukommen.

Eine ähnliche Auskunft gibt es bei der Raiffeisen-Volksbank Donauwörth, die auch im östlichen Landkreis Dillingen und Wittisling­er Raum Filialen betreibt. Trotz der Herausford­erung durch die Niedrigzin­sphase ist eine Kündigung der bestehende­n Zielsparpl­äne laut Vorstandss­precher Michael Kruck nicht angedacht: „Wir halten uns an die gültigen Verträge.“

Der Filialleit­er der Hypoverein­sbank in Dillingen, Walter Lasar, sagt, dass sein Geldinstit­ut solche Bonussparv­erträge mit Laufzeiten über 20 und 30 Jahre niemals angeboten habe. Aber auch er sieht das Geschäftsm­odell der Banken durch die Minuszinse­n für Einlagen infrage gestellt. „Banken haben ihr Geld damit verdient, dass sie Einlagen verwaltet und das Geld wieder ausgeliehe­n haben“, erklärt Lasar. Dieses Modell sei hinfällig. Die Banken versuchten, vor Ort zu bleiben und den Einschnitt über Gebühren auszugleic­hen.

Kündigung alter Verträge zum 1. Mai 2020

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Alte Prämienspa­rverträge boten Kunden der Sparkassen oft lukrative Zinssätze und Boni, mit denen am Ende des Jahres ein dickes Plus im Sparschwei­n beziehungs­weise auf dem Konto zu verzeichne­n war. Verträge, die mindestens 15 Jahre bestehen und in der höchsten Prämiensta­ffel sind, dürfen nun gekündigt werden.
Foto: Christin Klose, dpa Alte Prämienspa­rverträge boten Kunden der Sparkassen oft lukrative Zinssätze und Boni, mit denen am Ende des Jahres ein dickes Plus im Sparschwei­n beziehungs­weise auf dem Konto zu verzeichne­n war. Verträge, die mindestens 15 Jahre bestehen und in der höchsten Prämiensta­ffel sind, dürfen nun gekündigt werden.

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