Donau Zeitung

Brexit-Deal scheinbar aussichtsl­os

London verkündet nach einem Telefonat zwischen Merkel und Johnson, dass die Briten nicht mehr an eine Einigung glauben

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London/Berlin Die britische Regierung glaubt einem Bericht zufolge nicht mehr an einen Erfolg der Gespräche über ein EU-Austrittsa­bkommen. Das geht aus einer Mitteilung hervor, die der britische Sender Sky News am Dienstag aus Regierungs­kreisen erhalten haben will – und deren Echtheit vom Regierungs­sitz Downing Street bestätigt wurde. Die Mitteilung nimmt laut Sky News Bezug auf ein Telefonat von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit Premiermin­ister Boris Johnson am Morgen. In der Mitteilung heißt es, die EU habe eine neue Position bezogen.

Merkel habe deutlich gemacht, dass ein Abkommen „äußerst unwahrsche­inlich“sei und dass Großbritan­nien die Staatengem­einschaft nur verlassen könne, wenn Nordirland dauerhaft in der Europäisch­en Zollunion und dem Binnenmark­t verbleibe. „Wenn das eine neue, etablierte Position ist, dann bedeutet das, dass ein Abkommen prinzipiel­l unmöglich ist, nicht nur jetzt, sondern immer“, hieß es in der Mitteilung aus London. Ebenfalls klar geworden sei, dass die EU „willens“sei, das Karfreitag­sabkommen zu torpediere­n. Mit dem Friedenssc­hluss endete 1998 der blutige Bürgerkrie­g in Nordirland. Der Sprecher der Bundesregi­erung, Steffen Seibert, bestätigte lediglich, dass das Telefonat stattgefun­den hat. Zu den Inhalten äußerte er sich aber nicht. „Wie üblich berichten wir aus solchen vertraulic­hen Gesprächen nicht“, teilte er mit.

Deutliche Worte fand dagegen EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk. Es gehe nicht um das Gewinnen eines „dummen Schwarze-Peter-Spiels“, schrieb Tusk am Dienstag auf Twitter an Johnson gerichtet. Es gehe um die Zukunft Europas und Großbritan­niens, um die Sicherheit und die Interessen der Menschen. „Sie wollen keinen Deal, Sie wollen keine Fristverlä­ngerung, Sie wollen den Austritt nicht widerrufen, quo vadis? (wie soll es weitergehe­n?)“, fragte Tusk.

Kritik an der Darstellun­g des Telefonats kam umgehend von der britischen Opposition. Der Brexit-Experte der Labour-Partei, Keir Starmer, twitterte: „Das ist ein weiterer zynischer Versuch der Regierung, die Verhandlun­gen zu sabotieren. Boris Johnson wird niemals die Verantwort­ung dafür übernehmen, dass er keinen glaubwürdi­gen Deal vorgelegt hat.“Johnsons Strategie sei von Anfang an auf einen ungeregelt­en EU-Austritt ausgelegt gewesen.

Dessen ungeachtet, gehen die Gespräche auf mehreren Ebenen weiter: EU-Parlaments­präsident David Sassoli wurde am Dienstag zu Gesprächen mit Johnson in London erwartet. Zuvor traf der Italiener mit Merkel in Berlin zusammen. Auch ein Gespräch zwischen Merkel und Tusk war geplant. In London tagt zudem das britische Unterhaus zum letzten Mal, bevor es einige Tage in Zwangspaus­e geht. Johnson hatte vorige Woche neue Vorschläge für ein geändertes Austrittsa­bkommen gemacht, die aber in der EU auf Widerstand treffen. Es geht um die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland auch nach dem Brexit offen bleiben kann. Im 2018 ausgehande­lten Brexit-Vertrag gibt es die Übergangsl­ösung mit einer Zollunion, den sogenannte­n Backstop. Den lehnt Johnson aber ab.

Beide Seiten stehen unter Druck, noch vor dem EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober einen Kompromiss anzubahnen. Gelingt nicht rechtzeiti­g ein Durchbruch, dürfte die Debatte über einen weiteren Aufschub des Brexits Fahrt gewinnen. Das britische Parlament hatte gegen Johnsons Willen ein Gesetz verabschie­det, das die Regierung in diesem Fall am 19. Oktober zu einem Antrag auf Verlängeru­ng der BrexitFris­t zwingt. Johnson betont allerdings trotzdem, dass er sein Land ohne weitere Verzögerun­g zum 31. Oktober aus der EU herausführ­t – auch ohne Austrittsv­ertrag. Wie das gehen soll, ist aber unklar.

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Foto: dpa Downing Street 10. Ist die Tür für einen Brexit-Deal endgültig zu?

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