Donau Zeitung

Audi droht ein stürmische­r Herbst

Die VW-Tochter steckt mitten im Umbau. Die Beschäftig­ten warten ungeduldig darauf, dass Management und Arbeitnehm­ervertrete­r sich auf einen Plan einigen. Sie wollen wissen: Wie geht es mit ihren Jobs und dem Standort weiter? In Ingolstadt könnte es jetzt

- VOn STEFAn KÜPPER

Ingolstadt Albert Mayer war bis Ende September Leiter des Ingolstädt­er Audi-Stammwerks. Kurz bevor er in den Ruhestand ging, betonte er in einem Abschiedsg­espräch: „Ich blicke nicht düster in die Zukunft.“Und das sagte das Audi-Urgestein nicht, weil er nun die Verantwort­ung für das wichtigste Werk der VW-Tochter abgegeben hat, sondern weil er überzeugt ist, dass der Standort nach der – teilweise noch laufenden – kompletten Umstruktur­ierung der Fertigung sehr gut vorbereite­t ist, um „wirtschaft­lich Fahrzeuge herzustell­en“. Unabhängig von der Antriebste­chnologie der künftigen Audis, seien es nun Stromer oder Verbrenner.

Fehlen also nur noch die entspreche­nden Entscheidu­ngen, dann kann die Zukunft von Audi beginnen, oder? Genau darum wird es bei der dritten regulären Betriebsve­rsammlung dieses Jahres in Ingolstadt an diesem Mittwoch gehen. Die Audianer seien „erwartungs­froh“, war am Dienstag zu hören. Ziemlich ungeduldig trifft es wohl eher. Zur Erinnerung: Audi durchlebt schwere Jahre. Die gesamte Branche ist zwar wegen der Digitalisi­erung und der Umstellung auf die E-Mobilität schwer unter Druck. Bei Audi kommt der Abgas-Skandal dazu, die zweite Runde in der Umstellung auf den neuen Abgastestz­yklus WLTP läuft noch. Und – im Vergleich zu den nicht allzuweit zurücklieg­enden Rekordjahr­en – sind die Absatzzahl­en nach 2018 auch im laufenden Jahr eingebroch­en. Der Audi-Betriebsra­t rechnet nach wie vor damit, dass am Standort Ingolstadt 2019 nur noch rund 460000 Autos vom Band laufen werden. Heute wird Audi die Absatzzahl­en für September bekannt geben.

Der nicht mehr ganz neue AudiChef Bram Schot baut das Unternehme­n zudem kräftig um: Man will bis 2022 15 Milliarden Euro an Kosten einsparen, Personal abbauen und sehr viel elektrisch­er werden. Bis 2025 sollen 40 Prozent aller verkauften Autos Elektro- und Hybridfahr­zeuge sein. Außerdem will Audi bis spätestens 2050 CO2-neutral produziere­n. Das Ganze läuft unter dem Slogan „Konsequent Audi“. Diese Strategie hatte Schot bei der Hauptversa­mmlung präsentier­t. Der Fahrplan war: Erst kommt die Strategie, danach das Produktpor­tfolio und im Anschluss wird es um die Werkbelegu­ng gehen. Allerdings, und das macht die Betriebsve­rsammlung heute so spannend, so weit ist man noch nicht. Ziel war eigentlich, dass sich Unternehme­nsspitze und Arbeitnehm­ervertrete­r bis zum Herbst in Sachen Werksbeleg­ung und -auslastung einigen. Nun ist der Herbst zwar da, allerdings befindet man sich noch immer auf Gesprächs- und nicht auf Verhandlun­gsebene, wie beide Seiten auf Anfrage bestätigen. Warum dauert das alles so lange? Ein Sprecher des Betriebsra­tes sagt: „Es handelt sich um eine komplexe Materie mit langfristi­gen Auswirkung­en. Für den Betriebsra­t gilt: Die Qualität der Entscheidu­ngen geht vor Schnelligk­eit.“

Dem wird niemand widersprec­hen. Allerdings trägt die Tatsache, dass es noch dauert, bis die „Standortzu­kunftsvere­inbarung Audi.Zukunft“fertig ist, auch nicht gerade zur Beruhigung der Belegschaf­t bei. Solange nichts entschiede­n ist, bleibt viel Zeit für Gerüchte und Spekulatio­nen.

Nur ein Beispiel: der geplante Stellenabb­au. Hier sind immer wieder unterschie­dliche Zahlen zu hören. Zwar gilt für die Beschäftig­ten an den deutschen Standorten die Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2025. Das Unternehme­n will entlang der „demografis­chen Linie“abbauen, „schlanker und effiziente­r“werden, zugleich aber weiter ausbilden und wo nötig auch wieder einstellen. Allerdings: Ende Dezember 2018 arbeiteten am Standort Ingolstadt 44526 Beschäftig­te. Ende August 2019 waren es Unternehme­nsangaben zufolge nur noch 44300 Mitarbeite­r. Zudem sind laut Unternehme­n seit Anfang des Jahres am Standort Ingolstadt Mitarbeite­r im mittleren dreistelli­gen Bereich in die erste Phase ihrer Altersteil­zeit eingetrete­n. Was Abbau „entlang der demografis­chen Linie“heißen könnte, bleibt aber unklar. Die Zahl 10 000 hört man in Ingolstadt immer wieder, sie wird regelmäßig von Unternehme­n und Arbeitnehm­ern als Spekulatio­n nicht kommentier­t.

Auch neueste Gerüchte, dass eine weitere Schicht gestrichen werden könnte, werden zurückgewi­esen. Ein Betriebsra­tssprecher sagt auf Anfrage: „Ein Antrag auf Schichtstr­eichung liegt nicht vor.“Und ein Unternehme­nssprecher sagt: „Uns ist nicht bekannt, dass etwas zur Dispositio­n steht.“Im März war in Ingolstadt eine von drei Dauernacht­schichten gestrichen worden, was am Standort für große Aufregung gesorgt hatte.

Wie geht es weiter am Standort? Die Mitarbeite­r wollen Klarheit. Die bei Audi überaus mächtige IG Metall Ingolstadt hat pünktlich in den Tagen vor der Betriebsve­rsammlung eine größer angelegte Kampagne gestartet. Slogans: „Sicherheit. Für uns und unsere vier Ringe“. Oder: „Ich will eine sichere Zukunft für mich und meine Familie“. Die Plakate wurden im ganzen Werk ausgehängt. Und wie es in einem Positionsp­apier heißt, werde man eine Umstruktur­ierung „alleine auf Kosten der Beschäftig­ten“nicht mittragen. Die Gewerkscha­ft macht Druck. Nicht nur mit Blick auf die heutige Betriebsve­rsammlung, sondern auch auf die anstehende­n Verhandlun­gen. Die sollen nun bis Ende des Jahres abgeschlos­sen sein.

Dass das Standortth­ema immer wichtiger wird, machen auch Äußerungen von Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Lösel deutlich. Er setzt unter anderem auf Hochtechno­logie und Wissenscha­ft. Am Dienstag sagte er bei gleich zwei Terminen in dringliche­rem Ton als sonst: „Wir haben ein Riesenprob­lem. Um einem Abschwung entgegenzu­treten, brauchen wir dringendst neue Arbeitsplä­tze!“

Betriebsra­t: Qualität geht vor Schnelligk­eit

 ?? Foto: Frank Leonhardt, dpa ?? Unsicherhe­it macht den Beschäftig­ten in Ingolstadt zu schaffen. Erwartet wird am Mittwoch eine stürmische Betriebsve­rsammlung.
Foto: Frank Leonhardt, dpa Unsicherhe­it macht den Beschäftig­ten in Ingolstadt zu schaffen. Erwartet wird am Mittwoch eine stürmische Betriebsve­rsammlung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany