Gremheimer wehren sich gegen Flutpolder
Der Landrat trifft bei einer Diskussion auf die Bürgerinitiative „Rettet das Donauried“. Die Emotionen kochen hoch, Schrell bemüht sich um Sachlichkeit – und wird laut. Vor allem die Aussage eines Fristingers sorgt für Aufsehen
Bei einer Diskussion mit Landrat Leo Schrell kochen die Emotionen hoch. Dabei geht es auch um Enteignungen
Gremheim Hubert Mayer heizt die Stimmung an. Immer wieder, wenn er das Wort ergreift, hämmern die Besucher im Gremheimer Gasthof Rose befürwortend mit ihren Fäusten auf die Tische. Der Initiator der Bürgerinitiative „Rettet das Donauried“, die gegen den möglichen Bau eines Flutpolders im Gremheimer Neugeschüttwörth kämpft, betont bei der Diskussion mit Landrat Leo Schrell immer wieder die Ängste der Bürger. Die äußern sich im Laufe des Abends selbst – teils sehr emotional.
Schrell, seines Zeichens Vorsitzender des „Bündnisses für Hochwasserschutz für unsere Heimat“bemüht sich um Sachlichkeit – und legt wiederholt seine Sicht der Dinge dar: Er wolle sich in der Debatte nicht klar für oder gegen Flutpolder positionieren. Fest stehe, dass kein Mitglied des Bündnisses solche Rückhalteflächen schaffen wolle. Das sei eine Maßnahme des Freistaats. Man wolle aber den bestmöglichen Hochwasserschutz für die Region. Außerdem sei nicht sicher, ob im Landkreis überhaupt Polder gebaut werden. Denn das Planungsverfahren stehe noch aus. Und: Wenn der Polder nach Gremheim kommt, müsse man „die bestmöglichen Lösungen“für die betroffenen Grundstückseigentümer finden.
Den meisten der rund 120 Besucher reicht das nicht. Ein immer wieder vorgebrachter Vorwurf: Der Landkreis setze sich nicht ausreichend gegen Flutpolder ein. Andere Landkreise hätten das in der Vergangenheit geschafft – und damit den Bau verhindert. Da wird Schrell – die Diskussion dauert zu diesem Zeitpunkt rund 30 Minuten – zum ersten Mal laut. „Ich sage es noch mal: Es geht dabei vor allem um die Menschen, die von einem Hochwasser direkt betroffen wären.“Aktuell müsse in erster Linie die Zweckmäßigkeit der Bauwerke geprüft und dann entsprechend gehandelt werden. Wichtig sei dem Landrat besonders die Solidarität mit anderen Landkreisen flussauf- und abwärts.
Die geplanten Flutpolder sollen vor allem vor einem HQ extrem, also einem außergewöhnlich starken Hochwasser, schützen. Die Initiatoren der Bürgerinitiative hegen jedoch ernste Zweifel, dass es überhaupt zu einem solchen Ereignis kommen könnte. Hubert Mayer: „Bei allen Hochwassern seit 1999 hatten wir kein größeres als ein HQ 20 (Anm.: also ein 20-jährliches Hochwasser), da hätte so ein Polder gar nicht eingesetzt werden können.“Der ebenfalls anwesende Leiter des Wasserwirtschaftsamts, Andreas Rimböck, erklärt später: „Wir als Amt schauen uns nicht nur die letzten 20 Jahre an, sondern die letzten 100 und mehr.“Ein HQ extrem sei sehr selten – aber dennoch möglich und entsprechend folgenreich.
Viele Bürger machen ihrem Unmut am Dienstag lautstark Luft. Dann steht ein Mann aus Fristingen auf und wendet sich an die Anwesenden: Vor der Begradigung der Donau habe es jeden Frühling Hochwasser im Landkreis gegeben. „Mit der Begradigung dachte man, das Problem hat sich erledigt. Das war falsch.“Er selbst sei vom Pfingsthochwasser 1999 betroffen gewesen, als 1000 Menschen in Bayern ihre Häuser verlassen mussten und fünf starben. „Wenn man das erst mal erlebt hat, wünscht man sich einfach mehr Schutz. Daran sollten Sie alle auch denken.“
Mayer bezieht sich in seiner Argumentation auch auf eine Auswertung, wonach mehr als 6000 Gebäude im Landkreis von einem HQ extrem betroffen wären (wir berichteten). Mayer: „Man sollte beachten, wie viele Gebäude wissentlich in Überschwemmungsgebiete gebaut wurden. Dafür trägt Gremheim keine Verantwortung.“Rimböck wiederum betont darauf, dass seit einer Neuregelung des Hochwasserschutzes 2005 die Bebauung in Überschwemmungsgebieten verboten sei. Bestehende Gebäude hätten aber Bestandsschutz.
Besonders die Frage eines Landwirts aus Gremheim sorgt gegen Ende der Diskussion nochmals für Aufregung. Er will wissen, ob die Grundstückseigentümer auch enteignet werden könnten, wenn sie nicht verkaufen wollen. Viele Landwirte sähen dadurch nämlich ihre Existenz bedroht. Rimböck darauf: „Grundsätzlich ist es so, dass das Wohl der Gemeinschaft über dem des Einzelnen steht.“Eine Enteignung sei also prinzipiell möglich, wenn man sich vorher nicht einigen könne. Das treffe aber nur auf die Baumaßnahmen zu. Die Retentionsbecken selbst seien davon nicht betroffen. Denn diese blieben im Besitz der bisherigen Eigentümer. „Wir streben keine Enteignungen an. Wenn es soweit kommt, wollen wir die Flächen kaufen.“
Kommen auch Enteignungen infrage?