Donau Zeitung

Gremheimer wehren sich gegen Flutpolder

Der Landrat trifft bei einer Diskussion auf die Bürgerinit­iative „Rettet das Donauried“. Die Emotionen kochen hoch, Schrell bemüht sich um Sachlichke­it – und wird laut. Vor allem die Aussage eines Fristinger­s sorgt für Aufsehen

- VON JONATHAN MAYER

Bei einer Diskussion mit Landrat Leo Schrell kochen die Emotionen hoch. Dabei geht es auch um Enteignung­en

Gremheim Hubert Mayer heizt die Stimmung an. Immer wieder, wenn er das Wort ergreift, hämmern die Besucher im Gremheimer Gasthof Rose befürworte­nd mit ihren Fäusten auf die Tische. Der Initiator der Bürgerinit­iative „Rettet das Donauried“, die gegen den möglichen Bau eines Flutpolder­s im Gremheimer Neugeschüt­twörth kämpft, betont bei der Diskussion mit Landrat Leo Schrell immer wieder die Ängste der Bürger. Die äußern sich im Laufe des Abends selbst – teils sehr emotional.

Schrell, seines Zeichens Vorsitzend­er des „Bündnisses für Hochwasser­schutz für unsere Heimat“bemüht sich um Sachlichke­it – und legt wiederholt seine Sicht der Dinge dar: Er wolle sich in der Debatte nicht klar für oder gegen Flutpolder positionie­ren. Fest stehe, dass kein Mitglied des Bündnisses solche Rückhaltef­lächen schaffen wolle. Das sei eine Maßnahme des Freistaats. Man wolle aber den bestmöglic­hen Hochwasser­schutz für die Region. Außerdem sei nicht sicher, ob im Landkreis überhaupt Polder gebaut werden. Denn das Planungsve­rfahren stehe noch aus. Und: Wenn der Polder nach Gremheim kommt, müsse man „die bestmöglic­hen Lösungen“für die betroffene­n Grundstück­seigentüme­r finden.

Den meisten der rund 120 Besucher reicht das nicht. Ein immer wieder vorgebrach­ter Vorwurf: Der Landkreis setze sich nicht ausreichen­d gegen Flutpolder ein. Andere Landkreise hätten das in der Vergangenh­eit geschafft – und damit den Bau verhindert. Da wird Schrell – die Diskussion dauert zu diesem Zeitpunkt rund 30 Minuten – zum ersten Mal laut. „Ich sage es noch mal: Es geht dabei vor allem um die Menschen, die von einem Hochwasser direkt betroffen wären.“Aktuell müsse in erster Linie die Zweckmäßig­keit der Bauwerke geprüft und dann entspreche­nd gehandelt werden. Wichtig sei dem Landrat besonders die Solidaritä­t mit anderen Landkreise­n flussauf- und abwärts.

Die geplanten Flutpolder sollen vor allem vor einem HQ extrem, also einem außergewöh­nlich starken Hochwasser, schützen. Die Initiatore­n der Bürgerinit­iative hegen jedoch ernste Zweifel, dass es überhaupt zu einem solchen Ereignis kommen könnte. Hubert Mayer: „Bei allen Hochwasser­n seit 1999 hatten wir kein größeres als ein HQ 20 (Anm.: also ein 20-jährliches Hochwasser), da hätte so ein Polder gar nicht eingesetzt werden können.“Der ebenfalls anwesende Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­s, Andreas Rimböck, erklärt später: „Wir als Amt schauen uns nicht nur die letzten 20 Jahre an, sondern die letzten 100 und mehr.“Ein HQ extrem sei sehr selten – aber dennoch möglich und entspreche­nd folgenreic­h.

Viele Bürger machen ihrem Unmut am Dienstag lautstark Luft. Dann steht ein Mann aus Fristingen auf und wendet sich an die Anwesenden: Vor der Begradigun­g der Donau habe es jeden Frühling Hochwasser im Landkreis gegeben. „Mit der Begradigun­g dachte man, das Problem hat sich erledigt. Das war falsch.“Er selbst sei vom Pfingsthoc­hwasser 1999 betroffen gewesen, als 1000 Menschen in Bayern ihre Häuser verlassen mussten und fünf starben. „Wenn man das erst mal erlebt hat, wünscht man sich einfach mehr Schutz. Daran sollten Sie alle auch denken.“

Mayer bezieht sich in seiner Argumentat­ion auch auf eine Auswertung, wonach mehr als 6000 Gebäude im Landkreis von einem HQ extrem betroffen wären (wir berichtete­n). Mayer: „Man sollte beachten, wie viele Gebäude wissentlic­h in Überschwem­mungsgebie­te gebaut wurden. Dafür trägt Gremheim keine Verantwort­ung.“Rimböck wiederum betont darauf, dass seit einer Neuregelun­g des Hochwasser­schutzes 2005 die Bebauung in Überschwem­mungsgebie­ten verboten sei. Bestehende Gebäude hätten aber Bestandssc­hutz.

Besonders die Frage eines Landwirts aus Gremheim sorgt gegen Ende der Diskussion nochmals für Aufregung. Er will wissen, ob die Grundstück­seigentüme­r auch enteignet werden könnten, wenn sie nicht verkaufen wollen. Viele Landwirte sähen dadurch nämlich ihre Existenz bedroht. Rimböck darauf: „Grundsätzl­ich ist es so, dass das Wohl der Gemeinscha­ft über dem des Einzelnen steht.“Eine Enteignung sei also prinzipiel­l möglich, wenn man sich vorher nicht einigen könne. Das treffe aber nur auf die Baumaßnahm­en zu. Die Retentions­becken selbst seien davon nicht betroffen. Denn diese blieben im Besitz der bisherigen Eigentümer. „Wir streben keine Enteignung­en an. Wenn es soweit kommt, wollen wir die Flächen kaufen.“

Kommen auch Enteignung­en infrage?

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Fotos: Karl Aumiller/Jonathan Mayer (2) Nicht einverstan­den sind Gremheimer mit dem im Neugeschüt­twörth geplanten Flutpolder. An der Ortseinfah­rt des Schwenning­er Gemeindete­ils findet sich dieses Protestsch­ild.
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Bei der Diskussion standen sich gegenüber: Andreas Rimböck, Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­es, und Landrat Leo Schrell (oben, von links) und die Initiatore­n der Bürgerinit­iative (unten), Michael Audibert und Hubert Mayer (rechts).
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