Donau Zeitung

Klimaweltm­eister mit vielen ungedeckte­n Schecks

Das Kabinett verabschie­det einen Klimaplan nach erneuter Nachtsitzu­ng, der den CO2-Ausstoß Deutschlan­ds bis 2050 auf nahezu null senken soll. Die Wirtschaft und die Opposition beklagen schwere Konstrukti­onsfehler

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze sieht sich am Ziel: Sie wähnt Deutschlan­d auf dem Weg zurück zum Klimaprimu­s. Zuletzt hatte der Ruf internatio­nal arg gelitten, weil trotz hohem Aufwand die Treibhausg­asemission­en nicht zurückgega­ngen sind. „Wir sind damit weltweit das erste Land, das sich einen derart verbindlic­hen Fahrplan gegeben hat“, sagte die SPD-Politikeri­n erleichter­t nach der Kabinettss­itzung am Mittwoch. Die Ministerri­ege hatte zuvor das Klimapaket abgesegnet. Zuvor hatte es wiederum Verhandlun­gen bis tief in die Nacht gegeben. Noch am Morgen war unklar, ob das umfassende Klimaprogr­amm durchgehen würde.

Bis zur Mitte des Jahrhunder­ts soll Deutschlan­d es nun schaffen, nur noch so viel Kohlendiox­id auszustoße­n, wie durch Wälder und Moore gebunden werden kann. Für eines der größten Industriel­änder der Welt ist das eine gewaltige Aufgabe. Tatsächlic­h hat die Bundesregi­erung in ihr Gesetz geschriebe­n, wie stark jedes Jahr die CO2-Emissionen sinken müssen, und zwar für alle Bereiche – Industrie, Landwirtsc­haft, Verkehr und das Heizen von Gebäuden. Zunächst sind diese Jahressche­iben bis 2030 vorgegeben. Stößt Deutschlan­d weiterhin zu viel CO2 aus, „muss nachgeschä­rft werden“, wie Schulze nicht müde wurde zu betonen. Die Mechanik zum Kampf gegen den Klimawande­l ist gelegt. Für die Ministerin ist das ein Erfolg, weil CDU und CSU – mit Ausnahme von Kanzlerin Angela Merkel – noch vor einem Jahr harschen Widerstand gegen die „linken Räterepubl­ikpläne“leisteten.

Während die Form das eine ist, ist der Inhalt das andere. „Wir müssen jetzt beweisen, dass das ernst gemeint ist“, appelliert­e die Ministerin an ihre Kabinettsk­ollegen. An vielen Stellen arbeitet die Bundesregi­erung mit dem Prinzip Hoffnung. Klimaforsc­her haben durch die Bank enorme Zweifel, dass die Ziele erreicht werden können. Die Grünen waren geknickt. „Ich bin bitter enttäuscht. Die Bundesregi­erung ist an der Menschheit­saufgabe Klimaschut­z offen sichtlich gescheiter­t“, sagte Parteichef­in Annalena Baerbock. Die Wirtschaft fühlt sich von der Regierung ebenfalls im Stich gelassen, wenn auch aus anderen Gründen. In Gänze betrachtet ist das Konzept in der Tat nicht rund und stattdesse­n durchzogen von Webfehlern und Widersprüc­hen, wie an zentralen Punkten deutlich wird.

● Beispiel 1 Die Abgabe von zehn Euro auf den Ausstoß einer Tonne Treibhausg­as wird dafür sorgen, dass Benzin und Diesel im Jahr 2021 rund drei Cent je Liter teurer werden. Es ist fraglich, ob sich deshalb die Autokäufer für einen kompakten Spritspare­r oder ein E-Modell entscheide­n. Um drei Cent schwanken die Spritpreis­e an den Tankstelle­n jeden Tag. Außerdem sieht das Gesetzespa­ket vor, die Pendlerpau­schale um 5 Cent auf 35 Cent je Kilometer anzuheben, was einem Umstieg zusätzlich im Wege steht. Gleiches gilt für den Tausch alter Heizungen. Wirtschaft­lich lohnt er sich nicht, wenn Erdgas und Heizöl nur leicht im Preis klettern. Innerhalb der Regierungs­mannschaft hat sich hier die CSU durchgeset­zt, die den Wählern keine Kostensprü­nge zumuten wollte.

● Beispiel 2 Die besonders klimaschäd­lichen Kurzstreck­enflüge sollen wiederum durch eine höhere Ticketsteu­er unattrakti­ver werden. Ob der Aufschlag von drei Euro pro Flug Geschäftsl­eute wirklich dazu bringt, in die notorisch verspätete Bahn zu steigen, wird von allen Seiten bezweifelt.

● Beispiel 3 Nach dem Willen der Bundesregi­erung werden die erneuerbar­en Energien in den kommenden Jahren massiv ausgebaut. Decken sie heute rund 40 Prozent der Stromerzeu­gung ab, sollen es 2030 schon 65 Prozent sein. An der stetigen Zunahme von grünem Strom hängt unmittelba­r die Abschaltun­g von Kohlekraft­werken. Auf Druck der CSU werden nun bis 2030 weniger Windräder als geplant an Land aufgestell­t. Um das auszugleic­hen, sollen mehr Solarfelde­r errichtet werden. Das Problem daran ist, dass ein Windpark mit der nominal gleichen Leistung wie ein Sonnenkraf­twerk im Betrieb dreimal so viel Strom erzeugt.

● Beispiel 4 Die Wirtschaft leidet schon heute unter den hohen Energiepre­isen als Folge der Energiewen­de. Deutschlan­d ist Europameis­ter bei den Kosten. In den nächsten Jahren werden sie weiter steigen. Geplant ist bislang lediglich, die Ökostromum­lage in homöopathi­schen Dosen abzuschwäc­hen. Den Unternehme­n war hingegen eine Entlastung um zwei Milliarden Euro pro Jahr versproche­n worden, von der sich aber nichts mehr findet. „Mit dem geplanten Paket der Bundesregi­erung können Teile des energieint­ensiven Mittelstan­ds erheblich an Ertragskra­ft verlieren. Kraft, die für die notwendige­n Investitio­nen fehlen wird“, mahnte der Industriev­erband BDI.

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Foto: Kumm, dpa Mit sich zufrieden: Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD).

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