Donau Zeitung

Der Geist von Kreuth muss weichen

Über Jahre war das Wildbad quasi Bestandtei­l der CSU. Nun soll dort ein Luxushotel entstehen. Auf der Suche nach einem Mythos, der von der Realität längst nicht mehr zu trennen ist

- VON ULI BACHMEIER UND MARKUS BÄR

Wildbad Kreuth Vom Nobelkuror­t der Mächtigen zur Schicksals­stätte der CSU zum Wellness-Tempel: Dem traditions­reichen Wildbad Kreuth, wo dereinst sogar russische Zaren mit ihren Familien Erholung suchten und später die CSU ihre winterlich­e Trutzburg errichtete, steht ein Neuanfang ins Haus. An diesem Donnerstag kommen im Gemeindera­t in Kreuth die Pläne der Eigentümer­in Helene Herzogin in Bayern auf den Tisch. Die Wittelsbac­herin will die in die Jahre gekommene Tagungsstä­tte unterhalb der oberbayeri­schen Blauberge zu einem Luxushotel umbauen. Dass sich dafür Journalist­en aus ganz Deutschlan­d interessie­ren, hat einen einfachen Grund: Es sind die alten Geschichte­n vom „Kreuther Geist“, vom polternden Franz Josef Strauß, der die CSU im Jahr 1976 auf ganz Deutschlan­d ausdehnen wollte, und vom Sturz Edmund Stoibers, dem die CSU-Landtagsfr­aktion im Jahr 2007 in einer „Nacht der langen Messer“politisch den Garaus machte.

Das Schöne an diesen Geschichte­n ist, dass Mythos und Realität längst nicht mehr zu trennen sind. Das beginnt schon mit der damals angeblich einzigen Telefonzel­le in Kreuth, von der aus die politische­n Berichters­tatter im November 1976 die Sensations­nachricht in die Welt transporti­eren wollten, dass CSUChef Strauß von der CDU und ihrem Vorsitzend­en, dem späteren Bundeskanz­ler Helmut Kohl, die Nase voll hat. Jeder wollte der Erste sein, aber Handys oder Laptops gab es damals noch nicht. Und wenn die Reporter-Veteranen von einst über das Gerangel an der Telefonzel­le berichten, dann klingt das wie „der Opa erzählt vom Krieg“.

Die Meldung vom Trennungsb­eschluss – also der Aufkündigu­ng der Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU im Bundestag – stürzte die Schwesterp­arteien in ihre bis dahin größte Krise. Und auch wenn Strauß wenig später klein beigeben musste – der Mythos vom „Kreuther Geist“war nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Jahr für Jahr pilgerten Heerschare­n von Journalist­en Anfang Januar zu den Klausuren von Landesgrup­pe und Landtagsfr­aktion in das Hochtal über dem Tegernsee und die CSU nutzte die prächtige Winterkuli­sse, um Deutschlan­d mit ihren politische­n Botschafte­n zu beglücken.

Wirklich zur Sache freilich ging es erst wieder 31 Jahre später, im Januar 2007. Ministerpr­äsident und CSU-Chef Edmund Stoiber war mächtig unter Druck geraten. Sein Sparkurs in Bayern, sein Führungsst­il, sinkende Umfragewer­te und zuletzt die Affäre um die CSU-Rebellin und „schöne Landrätin“Gabriele Pauli hatten seine Autorität zerbröseln lassen. Bei der Landesgrup­pen-Klausur stellten sich die Bundestags­abgeordnet­en noch hinter ihn. Die Landtagsfr­aktion aber machte ihm nächtens, bei Bier, Wein und Schnaps, klar, dass sie lieber mit dem Führungsdu­o Günther Beckstein und Erwin Huber weitermach­en will. Die Nachricht verbreitet­e sich wie ein Lauffeuer, dieses Mal direkt aus der Klausur heraus per SMS. Unmittelba­r nach der Klausur kündigte Stoiber in München den Rücktritt von seinen Ämtern an. In den Jahren danach verblasste der Mythos vom „Kreuther Geist“.

Die letzten CSU-Winterklau­suren in Wildbad Kreuth fanden im Jahr 2016 statt, nachdem sich die Herzogin und die CSU-nahe HannsSeide­l-Stiftung, die das Tagungshau­s 40 Jahre lang gepachtet hatte, über den Pachtzins nicht mehr hatten einigen können. Wie geht es nun weiter? Heute Abend wird der Kreuther Gemeindera­t zunächst nur über eine Bauvoranfr­age der Herzogin debattiere­n. Es geht dabei im Groben darum, ob baurechtli­ch etwa landwirtsc­haftliche Gebäude einer Wohnnutzun­g zugeführt werden können. „Als Gemeinde ist uns wichtig, dass in die historisch­en Gebäude, die ja nun leer stehen, wieder Leben einkehrt“, sagt Kreuths Bürgermeis­ter Josef Bierschnei­der. Eine Hotelnutzu­ng wäre da ganz im Sinne der Kommune.

In Wildbad Kreuth sollen die bisher eher schlichten 129 Gästezimme­r in 65 hochwertig­e umgebaut werden. Zudem sind etwa Schwimmbäd­er, Saunen und eine hochklassi­ge Gastronomi­e geplant. Die Arbeiten könnten, wie die Herzogin verlautbar­en ließ, 2020 beginnen und sollen dann etwa 2024 abgeschlos­sen sein.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Von 1974 bis 2016 war das Wildbad Kreuth Sitz der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung (hier ein Foto aus dem Jahr 2010). Nun möchte die Eigentümer­in, Helene Herzogin in Bayern, das Anwesen in ein Luxushotel umbauen. Am Donnerstag­abend wird ihre Bauvoranfr­age im Kreuther Gemeindera­t diskutiert.
Foto: Peter Kneffel, dpa Von 1974 bis 2016 war das Wildbad Kreuth Sitz der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung (hier ein Foto aus dem Jahr 2010). Nun möchte die Eigentümer­in, Helene Herzogin in Bayern, das Anwesen in ein Luxushotel umbauen. Am Donnerstag­abend wird ihre Bauvoranfr­age im Kreuther Gemeindera­t diskutiert.

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