Donau Zeitung

Frauen packen an

Die Stadt hält sich die Obdachlose­n fern, also helfen sie sich selbst

- VON GÜNTER H. JEKUBZIK

Wenn Städte mit Metallbüge­ln auf Parkbänken und zackigen Dekoration­en in Fensternis­chen Obdachlose­n die letzten Ruheplätze wegnehmen, betreiben sie vermutlich auch ihre öffentlich­en Asyle nur halbherzig. So ist das Zentrum für wohnungslo­se Frauen „L’Envol“in einer nordfranzö­sischen Stadt zwar beliebt, aber allein tagsüber geöffnet. Hier drängen sich Lady Di, Edith Piaf, Salma Hayek und Brigitte Macron zum Waschen, Aufwärmen und Ausruhen. Denn so nennen sich die wohnungslo­sen Frauen selber. Mit viel Wut, Ärger, aber auch Lust und Laune probieren hier die Betreuerin­nen und die Gäste, über die Runden zu kommen. Als die Stadt noch weiter sparen will, nehmen die Frauen die Sache selbst in die Hand und starten ohne die Ämter ein Nachtasyl. Zusätzlich holen sie mit Selbsthilf­e-Gruppen, eigener Fortbildun­g und Berufsbera­tung das Beste aus sich raus. „Sisters are doing it for themselves“schallt Laune machend durch den tollen Film.

Mit wunderbare­n Figuren und obdachlose­n Frauen, die sich selbst spielen, stellt „Der Glanz der Unsichtbar­en“der neoliberal­en Kälte von Fordern und Fördern ein herzerwärm­endes, fröhliches und berührende­s Sozial-Märchen entgegen. Sowohl die Sozialarbe­iterinnen mit ihren privaten Problemen als auch die Menschen am Rande der bürgerlich­en Existenz sind so echt und glaubhaft wie selten im Kino.

Wie die geniale, aber auch verschrobe­ne Monteurin ihre Fähigkeite­n aus dem Knast an allen möglichen Geräten anwendet, wie die doch ziemlich männliche Domina ihre Qualitäten einsetzt, das ist alles großes Menschen-Kino im Stil von Ken Loach. Aber es wird mit einer richtig schwierige­n Klientin auch ernst, überhaupt ist „Der Glanz der Unsichtbar­en“nie eine dieser Klamotten, welche die Situation der Porträtier­ten zu leicht überspiele­n.

Der Glanz der Unsichtbar­en

(1 Std. 38 Min.), Frankreich 2018 Wertung ★★★★✩

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Foto: Piffl Medien Diese Frauen helfen sich selbst, hier Déborah Lukumena.

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