Donau Zeitung

Ehekrise im hohen Alter

- VON MELANIE SPRINGER-RESTLE redaktion@donau-zeitung.de

Ich liebe meine Großeltern nicht zuletzt dafür, dass sie seit 63 Jahren ein scheinbar vom Aussterben bedrohtes Lebensmode­ll leben: die glückliche Ehe. Die Rollenvert­eilung war immer so herrlich klar: Der Opa verdiente das Geld und die Oma kümmerte sich um den Haushalt.

Opa weiß vermutlich nicht mal, wie man eine Dose Tomaten aufmacht, dafür hat Oma keine Ahnung von Technik. Damit kann jeder der beiden aber gut leben; sie sind sogar froh, dass sie sich nicht gegenseiti­g ins Gehege kommen. Seit Opa in Rente ist, hat er technisch mächtig aufgerüste­t. Ein Handy gehört natürlich auch dazu. Dass er mir gelegentli­ch ungeplante Videos von seinen Füßen schickt, ist längst zum Running Gag in der Familie geworden. Es dauerte nicht lange, dann hatte auch die Oma die Vorteile der Technik erkannt.

Und da Frauen oft der kommunikat­ivere Habitus zugesproch­en wird, war klar: Die Oma braucht ein eigenes Handy, um mit der Familie in Kontakt zu sein. Das war der Beginn einer Ehekrise, denn Opa ließ es sich nicht nehmen, Oma bei jeder Gelegenhei­t seine technische Überlegenh­eit zu demonstrie­ren. Nicht die kleinste Lernkurve gestand er seiner Frau zu, sie sollte alles sofort können.

Als es mir irgendwann zu bunt wurde, wies ich den 87-Jährigen in die Schranken: „Opa, du lässt jetzt ab sofort die Finger von Omas Handy, sonst schicke ich dich in die Küche und verlange, dass du den nächsten Schweinebr­aten kochst!“Totenstill­e am anderen Ende der Leitung. „Ja, in Ordnung“, sagte er kleinlaut. Puh, die Drohung hat geholfen. Zum Glück, denn ich hätte diesen Schweinebr­aten nicht essen wollen – und Opa vermutlich auch nicht.

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