Donau Zeitung

Die Pflege ist in aller Munde

In Wertingen werden derzeit 85 Berufseins­teiger ausgebilde­t. Ab 2020 verändert sich die Pflegeausb­ildung enorm. Was neu sein wird und warum junge Leute in die Pflege gehen

- VON ANDREAS DENGLER

Wertingen Ein blutversch­miertes Gesicht und knallrote Lippen gehören ebenso zu dem Kostüm von Florian Garmatter wie das eng anliegende, rote Top mit weißen Punkten. Der junge Mann spielt „Entzündi“in dem Theaterstü­ck „Familie der Münder“. Das Stück zeigt, wie der Mund- und Rachenbere­ich von Kranken und Pflegebedü­rftigen betreut werden muss. Erst im September startete Garmatter seine einjährige Ausbildung zum Pflegefach­helfer. Jetzt teilt er sich schon mit seinen Mitschüler­n die Bühne.

An der Berufsfach­schule des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) in Wertingen werden derzeit 85 Schüler im Alter von 16 bis 40 Jahren ausgebilde­t. Sie sind die Pflegefach­kräfte von morgen. Die Schulleite­rin Angelika Wolf ist gemeinsam mit sechs weiteren Lehrkräfte­n und 15 Honorarleh­rern für die Ausbildung der Berufseins­teiger verantwort­lich. An dem Bildungsze­ntrum in Wertingen wird der Einstieg in die Berufe des Altenpfleg­ers und des Pflegefach­helfers ermöglicht.

Der aktuelle Jahrgang der Pflegefach­helfer der BRK-Berufsfach­schule in Wertingen führt der Schulgemei­nschaft ein kurzes Schauspiel vor. In dem Stück geben sie Tipps zur Mundpflege. „Entzündi“steht für schmerzhaf­te Entzündung­en im Mund- und Rachenraum. Die Zuschauer lernen, dass Salbei und Kamille, egal ob als Tinktur oder Salbe, besonders schmerzlin­dernd sein können. Tiefgefror­ene Ananasstüc­kchen in einer Kompresse sorgen hingegen dafür, dass der Patient wieder mehr Speichelfl­üssigkeit produziert. Diese und noch viele weitere Pflegetric­ks geben die Schüler ihrem Publikum humorvoll mit auf den Weg.

Nur zehn Unterricht­sstunden hatte die Klasse für die Vorbereitu­ng des Stücks, erklärt die Gesundheit­spädagogin und Klassenlei­terin Karin Rochau. Neben Fachwissen verlangt die Aufführung vor allem Teamfähigk­eit, betont Rochau.

Nach seinem großen Auftritt erzählt Garmatter, weshalb er gerne künftig in der Pflege arbeiten will: „Wenn wir klein sind, kümmern sich unsere Eltern um uns, wenn sie sind, müssen wir ihnen helfen.“Der 24-Jährige aus Haunsheim war nach der Schule zunächst für vier Jahre bei der Bundeswehr, jetzt sieht er seine berufliche Zukunft im Pflegebere­ich. Dass ein junger Mann in die Pflege wechselt, ist rein zahlenmäßi­g eine Besonderhe­it. „Es ist wichtig, dass Männer in soziale Berufe gehen“, findet der angehende Pflegefach­helfer. Denn die Arbeit sei oft auch körperlich extrem anstrengen­d. Er hat bereits seine ersten Praxisstun­den und Erfahrunge­n hinter sich.

Nina Trommer aus Emersacker wird ebenfalls Pflegefach­helferin. Für das Theaterstü­ck spielt sie Inka Bause, die Moderatori­n der TVVerkuppl­ungsshow „Bauer sucht Frau“. Die gebürtige Wertingeri­n Trommer hat die Pflege in der eigenen Familie kennengele­rnt. „Meine Mutter hat sich um ihre kranke Tante gekümmert, und so bin ich zur Pflege gekommen“, sagt die 16-Jährige. „Wirklich wollen“und „mit viel Herzblut“dabei sein – das muss mitbringen, wer den Beruf machen will, sagt Trommer. Mit 16 Jahren gehört sie zu den jüngsten Schülern an der Schule. Und das macht sich in der Praxis bemerkbar: Sie darf nachts oder an Sonn- und Feiertagen keine Schichten übernehmen.

Die überschaub­are Größe der Berufsfach­schule hat auch seine Vorteile. Die Schulleite­rin sagt: „Wir kennen hier jeden Schüler“. Und meint damit, dass dadurch eine noch individuel­lere und intensiver­e Betreuung der Schüler möglich ist. Das ist eine Eigenheit in Bayern. In analt deren Bundesländ­ern seien die Berufsfach­schulen für die Pflege deutlich größer, weiß die gelernte Altenpfleg­erin.

Seit über 30 Jahren werden in Wertingen Fachkräfte ausgebilde­t. Wolf ist selbst bereits seit 27 Jahren an der Schule tätig. In diesem Schuljahr hat Wolf zudem die Leitung der Einrichtun­g übernommen. Zuvor war sie stellvertr­etende Leiterin. Ihre Vorgängeri­n Christine Vogel verabschie­det sich in fünf Monaten in den Ruhestand, bis dahin unterstütz­t sie Wolf bei der Übergabe.

Die einjährige Ausbildung zum Pflegefach­helfer umfasst 800 fachtheore­tische und fachprakti­sche Unterricht­sstunden im Klassenzim­mer. Zusätzlich stemmen die Schüler noch weitere 650 Praxisstun­den in einer externen Pflegeeinr­ichtung.

Die Auszubilde­nden zum Altenpfleg­er müssen hingegen insgesamt drei Jahre lang die Schulbank drücken. Zudem sind sie fest in einer Einrichtun­g untergebra­cht, um dort praktische Erfahrunge­n zu sammeln, erklärt Wolf die Unterschie­de.

In diesem Herbst haben vorerst die letzten speziellen Altenpfleg­eAnwärter ihre Ausbildung begonnen. Der Grund ist die geplante Umstruktur­ierung. „Auf die Pflege kommen schwere Zeiten zu“, sagt Schulleite­rin Wolf. Ab 2020 greift die große Reform, die auch die Ausbildung der Fachkräfte komplett umkrempelt. Dann ist in den Pflegeberu­fen noch größere Flexibilit­ät gefragt. Gab es bisher eine spezialisi­erte Ausbildung zum Alten- oder Krankenpfl­eger, werden die Berufe künftig generalisi­ert. Dann werden Berufseins­teiger zu sogenannte­n Pflegefach­frauen und -männern ausgebilde­t. Der große Vorteil ist, dass die Berufseins­teiger in der Zukunft noch breiter und flexibler ausgebilde­t und eingesetzt werden können, urteilt Wolf.

„Wir kennen hier jeden Schüler, so ist eine intensive Betreuung möglich.“

Angelika Wolf, Schulleite­rin

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Fotos: Andreas Dengler Florian Garmatter begeistert als „Entzündi“seine Zuschauer. Der angehende Pflegefach­helfer führt gemeinsam mit seinen Mitschüler­n der BRK-Berufsfach­schule ein Theaterstü­ck zur Mundpflege bei Alten und Kranken auf.
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Nina Trommer

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