Die Pflege ist in aller Munde
In Wertingen werden derzeit 85 Berufseinsteiger ausgebildet. Ab 2020 verändert sich die Pflegeausbildung enorm. Was neu sein wird und warum junge Leute in die Pflege gehen
Wertingen Ein blutverschmiertes Gesicht und knallrote Lippen gehören ebenso zu dem Kostüm von Florian Garmatter wie das eng anliegende, rote Top mit weißen Punkten. Der junge Mann spielt „Entzündi“in dem Theaterstück „Familie der Münder“. Das Stück zeigt, wie der Mund- und Rachenbereich von Kranken und Pflegebedürftigen betreut werden muss. Erst im September startete Garmatter seine einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer. Jetzt teilt er sich schon mit seinen Mitschülern die Bühne.
An der Berufsfachschule des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Wertingen werden derzeit 85 Schüler im Alter von 16 bis 40 Jahren ausgebildet. Sie sind die Pflegefachkräfte von morgen. Die Schulleiterin Angelika Wolf ist gemeinsam mit sechs weiteren Lehrkräften und 15 Honorarlehrern für die Ausbildung der Berufseinsteiger verantwortlich. An dem Bildungszentrum in Wertingen wird der Einstieg in die Berufe des Altenpflegers und des Pflegefachhelfers ermöglicht.
Der aktuelle Jahrgang der Pflegefachhelfer der BRK-Berufsfachschule in Wertingen führt der Schulgemeinschaft ein kurzes Schauspiel vor. In dem Stück geben sie Tipps zur Mundpflege. „Entzündi“steht für schmerzhafte Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Die Zuschauer lernen, dass Salbei und Kamille, egal ob als Tinktur oder Salbe, besonders schmerzlindernd sein können. Tiefgefrorene Ananasstückchen in einer Kompresse sorgen hingegen dafür, dass der Patient wieder mehr Speichelflüssigkeit produziert. Diese und noch viele weitere Pflegetricks geben die Schüler ihrem Publikum humorvoll mit auf den Weg.
Nur zehn Unterrichtsstunden hatte die Klasse für die Vorbereitung des Stücks, erklärt die Gesundheitspädagogin und Klassenleiterin Karin Rochau. Neben Fachwissen verlangt die Aufführung vor allem Teamfähigkeit, betont Rochau.
Nach seinem großen Auftritt erzählt Garmatter, weshalb er gerne künftig in der Pflege arbeiten will: „Wenn wir klein sind, kümmern sich unsere Eltern um uns, wenn sie sind, müssen wir ihnen helfen.“Der 24-Jährige aus Haunsheim war nach der Schule zunächst für vier Jahre bei der Bundeswehr, jetzt sieht er seine berufliche Zukunft im Pflegebereich. Dass ein junger Mann in die Pflege wechselt, ist rein zahlenmäßig eine Besonderheit. „Es ist wichtig, dass Männer in soziale Berufe gehen“, findet der angehende Pflegefachhelfer. Denn die Arbeit sei oft auch körperlich extrem anstrengend. Er hat bereits seine ersten Praxisstunden und Erfahrungen hinter sich.
Nina Trommer aus Emersacker wird ebenfalls Pflegefachhelferin. Für das Theaterstück spielt sie Inka Bause, die Moderatorin der TVVerkupplungsshow „Bauer sucht Frau“. Die gebürtige Wertingerin Trommer hat die Pflege in der eigenen Familie kennengelernt. „Meine Mutter hat sich um ihre kranke Tante gekümmert, und so bin ich zur Pflege gekommen“, sagt die 16-Jährige. „Wirklich wollen“und „mit viel Herzblut“dabei sein – das muss mitbringen, wer den Beruf machen will, sagt Trommer. Mit 16 Jahren gehört sie zu den jüngsten Schülern an der Schule. Und das macht sich in der Praxis bemerkbar: Sie darf nachts oder an Sonn- und Feiertagen keine Schichten übernehmen.
Die überschaubare Größe der Berufsfachschule hat auch seine Vorteile. Die Schulleiterin sagt: „Wir kennen hier jeden Schüler“. Und meint damit, dass dadurch eine noch individuellere und intensivere Betreuung der Schüler möglich ist. Das ist eine Eigenheit in Bayern. In analt deren Bundesländern seien die Berufsfachschulen für die Pflege deutlich größer, weiß die gelernte Altenpflegerin.
Seit über 30 Jahren werden in Wertingen Fachkräfte ausgebildet. Wolf ist selbst bereits seit 27 Jahren an der Schule tätig. In diesem Schuljahr hat Wolf zudem die Leitung der Einrichtung übernommen. Zuvor war sie stellvertretende Leiterin. Ihre Vorgängerin Christine Vogel verabschiedet sich in fünf Monaten in den Ruhestand, bis dahin unterstützt sie Wolf bei der Übergabe.
Die einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer umfasst 800 fachtheoretische und fachpraktische Unterrichtsstunden im Klassenzimmer. Zusätzlich stemmen die Schüler noch weitere 650 Praxisstunden in einer externen Pflegeeinrichtung.
Die Auszubildenden zum Altenpfleger müssen hingegen insgesamt drei Jahre lang die Schulbank drücken. Zudem sind sie fest in einer Einrichtung untergebracht, um dort praktische Erfahrungen zu sammeln, erklärt Wolf die Unterschiede.
In diesem Herbst haben vorerst die letzten speziellen AltenpflegeAnwärter ihre Ausbildung begonnen. Der Grund ist die geplante Umstrukturierung. „Auf die Pflege kommen schwere Zeiten zu“, sagt Schulleiterin Wolf. Ab 2020 greift die große Reform, die auch die Ausbildung der Fachkräfte komplett umkrempelt. Dann ist in den Pflegeberufen noch größere Flexibilität gefragt. Gab es bisher eine spezialisierte Ausbildung zum Alten- oder Krankenpfleger, werden die Berufe künftig generalisiert. Dann werden Berufseinsteiger zu sogenannten Pflegefachfrauen und -männern ausgebildet. Der große Vorteil ist, dass die Berufseinsteiger in der Zukunft noch breiter und flexibler ausgebildet und eingesetzt werden können, urteilt Wolf.
„Wir kennen hier jeden Schüler, so ist eine intensive Betreuung möglich.“
Angelika Wolf, Schulleiterin