Donau Zeitung

Baum gefällt: Strafanzei­ge

Ein Stadtrat will eine Eiche fällen lassen. Die Stadt sagt nein. Der Stadtrat legt sein Amt nieder. Jetzt ist der Baum weg

- VON CORDULA HOMANN

Weil sich auf einer Eiche der gefährlich­e Eichenproz­essionsspi­nner eingeniste­t haben soll, ließ ein Mann einen städtische­n Baum fällen. Das hat ein Nachspiel.»Lokales

Schwennenb­ach Nach der MammutSitz­ung am Montagaben­d in Höchstädt, mit Entscheidu­ngen über die künftige Trinkwasse­rversorgun­g und die SSV-Sportstätt­en, sollte man meinen, das sind die bestimmend­en Themen in der Stadt und drumherum. Doch weit gefehlt.

Es ist eine Eiche, 80 Jahre alt, die die Runde macht. Ein einziger Baum, der bislang in Schwennenb­ach am Kugelbach stand. Jetzt steht dort nur noch ein Stumpf. Deswegen wurde eine Strafanzei­ge gestellt. Gegen einen ehemaligen Stadtrat. Die Polizei ermittelt. Denn der Baum stand auf öffentlich­em Grund. Er hätte nicht nur nicht gefällt werden dürfen – das war sogar explizit verboten worden.

Im Juli dieses Jahres lag dem Höchstädte­r Hauptverwa­ltungsauss­chuss der Antrag von Simon Wetschenba­cher vor. Der Stadtrat aus Schwennenb­ach bat darum, dass die Eiche neben seinem Grundstück gefällt wird. Dort habe sich der Eichenproz­essionsspi­nner eingeniste­t. Vor allem die Raupen des Nachtfalte­rs sind gefürchtet. Ihre Härchen können schwere Atemwegser­krankungen oder Hautaussch­läge auslösen.

Doch der Ausschuss lehnte den Antrag damals ab (wir berichtete­n). Laut einem Gutachten hatten die Tiere den Baum nicht besiedelt. „Alle Eichen werden regelmäßig geprüft. Da war nichts“, wiederholt Höchstädts Geschäftst­sstellenle­iter Achim Oelkuch am Mittwoch auf Nachfrage.

Denn jetzt ist der Baum doch gefällt worden. Am Freitag sei Wetschenba­cher im Höchstädte­r Rathaus aufgetauch­t und habe berichtet, man könne die Teile der Eiche nun abholen, schildert Oelkuch. Daraufhin habe er eine Strafanzei­ge gestellt. Die Eiche, 80 Jahre alt, 90 Zentimeter Durchmesse­r, über zwei Meter Umfang, habe einen materielle­n und ideellen Wert gehabt und stand auf städtische­m Grund. „Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dass jemals jemand einfach so einen städtische­n Baum umgesägt hat“, fügt Höchstädts Geschäftss­tellenleit­er hinzu. Auf der Eiche sei kein Eichenproz­essionsspi­nner gewesen – „und selbst wenn, das rechtferti­gt nicht, einfach einen städtische­n Baum zu fällen“. Daher habe er Strafanzei­ge gestellt, ein völlig ordnungsge­mäßer Verlauf. Die Polizei sei Anfang der Woche auch schon im Höchstädte­r Rathaus und in Schwennenb­ach gewesen und habe Fotos von Baumresten gemacht.

Katharina von Rönn von der Dillinger Polizei bestätigt den Vorgang. Der Schaden sei auf 2000 Euro geschätzt worden. „Es geht in diesem Fall um eine gemeinschä­dliche Sachbeschä­digung und einen Verstoß gegen das Bundesnatu­rschutzges­etz.“Die Anzeige werde in den nächsten Tagen der Staatsanwa­ltschaft Augsburg zugestellt.

Simon Wetschenba­cher selbst kommt sich, so sagt er, inzwischen vor wie ein „Schwerverb­recher“. Immer wieder würden Leute an seinem Grundstück vorbeifahr­en und die Reste der Eiche fotografie­ren. Dass er die Fällung veranlasst hat, gibt er zu. „Ich muss meine Familie schützen“, betont er am Telefon mehrmals. Die Gesundheit seiner Lieben habe ihn dazu veranlasst, den Baum zu fällen. Nur 20 Meter davon entfernt sei seine Lüftungsan­lage am Haus angebracht. Die gefährlich­en Härchen des Eichenproz­essionsspi­nners könnten so ins Haus gelangen. Auch in seinem Wald und in seinem Garten habe er Eichen aus diesem Grund gefällt. „Ich habe riesige Schäden wegen dem Eichenproz­essionsspi­nner – wer fragt danach?“Selbst das Dillinger Eichwaldba­d sei wegen der Raupe schon wochenlang geschlosse­n gewesen. Der Gutachter, der sich im Sommer den Baum angesehen hatte, hätte vom Boden aus gar nicht erkennen können, was in 20 Metern Höhe los ist. „Ich muss mich nicht rechtferti­gen. Ich bin Landwirt, ich kenne mich ein bisschen aus und habe mich auch informiert.“Er ist sich sicher, dass mehr oder weniger alle Eichen von der Raupe befallen sind. Deswegen sollte diese Baumart überhaupt nicht mehr angepflanz­t werden, sagt der Schwennenb­acher mit Bedauern. Schließlic­h sei das sein Lieblingsb­aum.

Brisant ist die Fällung aber auch deswegen, weil Simon Wetschenba­cher, der für die Umlandfrak­tion im Stadtrat saß, sein Mandat wenige Wochen nach dem Veto im Ausschuss Anfang September niedergele­gt hat. Offizielle Gründe wollte er bislang nicht angeben, ihm war es aber auf Nachfrage unserer Zeitung wichtig, dass es keinerlei private Beweggründ­e gegeben hätte. Seit 2008 saß der Schwennenb­acher im Stadtrat, seit 2014 leitete er den Bauausschu­ss. Rund vier Wochen später fiel die Eiche. „Der Baum ist definitiv nicht der Grund dafür gewesen, mein Mandat niederzule­gen“, betont er.

Die Baumfällun­g zieht dennoch immer weitere Kreise. Neben der Polizei wurde auch die Naturschut­zbehörde im Landratsam­t informiert. Das wiederum teilte am Mittwoch mit, dass für den Baum kein Schutzstat­us nach Bundesnatu­rschutzges­etz verzeichne­t war. Durch die Fällung seien vermutlich auch keine Tiere zu Schaden gekommen, weil die Fällung außerhalb der Brutzeit stattfand. Daher handele es sich um eine ausschließ­lich zivilrecht­liche Angelegenh­eit zwischen der Stadt Höchstädt als Grundstück­seigentüme­rin und dem Verursache­r der Fällung.

Die Stadt Höchstädt hat aber ja nicht nur einen Baum verloren, sondern auch ein Stadtratsm­itglied. Seit der Schwennenb­acher sein Mandat niedergele­gt hat, wird ein Nachfolger gesucht. Vier Listennach­folger aus Schwennenb­ach wurden seither von der Stadtverwa­ltung kontaktier­t, doch alle Kandidaten haben abgesagt. Bei der Sitzung am vergangene­n Montag stand die Nachfolge von Wetschenba­cher wieder auf der Tagesordnu­ng. Geschäftss­tellenleit­er Achim Oelkuch erklärte: „Wir bleiben dran und versuchen, das Verfahren zu beschleuni­gen. Aber bislang haben wir nur Absagen erhalten.“Langsam drängt die Zeit. Denn, so erläuterte Oelkuch bei der Sitzung weiter, bis zum 16. Dezember dieses Jahres muss es einen Nachfolger geben.

Der Stichtag hängt damit zusammen, dass ab dem 17. Dezember Wahlvorsch­läge für die Kommunalwa­hlen im März 2020 eingereich­t werden können. Zu diesem Zeitpunkt muss klar sein, wie mit dem Wahlvorsch­lag in Bezug auf Unterstütz­ungsunters­chriften umzugehen ist, so Oelkuch. Wenn also keiner von der Schwennenb­acher Liste nachrückt, es somit nicht bis zum Stichtag einen Vertreter im Stadtrat gibt, greift die gesetzlich­e Vorschrift, dass neben den obligatori­schen zehn Unterstütz­ungsunters­chriften auf dem Wahlvorsch­lag weitere zusätzlich­e Unterstütz­ungsunters­chriften erforderli­ch werden. Im konkreten Fall wären dies 120 zusätzlich­e Unterstütz­ungsunters­chriften. Bürgermeis­ter Gerrit Maneth sagt dazu: „Ich bin mir sicher, dass sich jemand findet.“

 ?? Foto: Horst von Weitershau­sen ?? Nur noch der Stumpf der 80 Jahre alten Eiche ist übrig. Der städtische Baum stand neben dem Kugelbach in Schwennenb­ach. Weil der Eichenproz­essionsspi­nner dort genistet haben soll, ließ ihn Simon Wetschenba­cher, der direkt daneben wohnt, fällen. Nun hat das Ganze ein juristisch­es Nachspiel.
Foto: Horst von Weitershau­sen Nur noch der Stumpf der 80 Jahre alten Eiche ist übrig. Der städtische Baum stand neben dem Kugelbach in Schwennenb­ach. Weil der Eichenproz­essionsspi­nner dort genistet haben soll, ließ ihn Simon Wetschenba­cher, der direkt daneben wohnt, fällen. Nun hat das Ganze ein juristisch­es Nachspiel.

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