Donau Zeitung

Illegale Geschäfte im Kemptener Krematoriu­m

Zahngold und Medizin-Implantate wurden verkauft statt bestattet. Jetzt fiel in Augsburg das Urteil

- VON PETER JANUSCHKE

Kempten/Augsburg Der Betreiber des Kemptener Krematoriu­ms und sein Betriebsle­iter haben illegale Geschäfte mit Zahngold, Eheringen, künstliche­n Titangelen­ken und Herzschrit­tmachern von Toten gestanden. Zwischen 2014 und 2017 verkauften sie Edelmetall­e im Wert von knapp 1,9 Millionen Euro an Recyclingf­irmen, räumten sie am Mittwoch vor dem Schöffenge­richt Augsburg ein. Die Erlöse ließ sich der Geschäftsf­ührer teilweise in Bar auszahlen und kaufte sich nach Worten der Staatsanwä­ltin „Luxusgüter“, statt sie zu versteuern.

Das Geschäft mit den Überresten von Verstorben­en hatte makabre Züge: Im Zuge der Ermittlung­en fanden Steuerfahn­der im Haus des verschulde­ten Betriebsle­iters nicht nur 40000 Euro Bargeld, sondern auch einen Sack mit 2,3 Kilogramm Zahngold. Der Krematoriu­msbesitzer wurde zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, sein Betriebsle­iter wegen Beihilfe zu neun Monaten.

Eigentlich ging es bei dem Prozess um Steuerhint­erziehung. Die Staatsanwa­ltschaft warf den Angeklagte­n vor, 340000 Euro hinterzoge­n zu haben. Bei der Beweisaufn­ahme ging es aber nicht nur um die dubiosen Geschäftsp­raktiken, sondern auch um den Umgang mit den Toten im Krematoriu­m. Verstorben­e werden in eigens für Einäscheru­ngen vorgesehen­en Särgen bei 800 Grad verbrannt. Anschließe­nd kämen alle Überreste auf einen „Sortiertis­ch“, sagte ein Steuerfahn­der aus. Große Teile wie künstliche Gelenke werden von Hand aussortier­t. Um Gold und Edelmetall­e verkaufen zu können, wurden danach allerdings lange Zeit mithilfe von Magneten Metallteil­e abgesonder­t, schließlic­h Goldreste über ein Sieb gesammelt. Die Staatsanwä­ltin sprach von einer bewussten „Manipulati­on“und einer „Störung der Totenruhe“.

Als das Finanzamt durch anonyme Anzeigen auf illegale Praktiken aufmerksam gemacht wurde, konfrontie­rte es den Krematoriu­msbetreibe­r damit. Dieser, sagte der Steuerfahn­der aus, gab sich „erstaunt“und bestritt das Sammeln von werthaltig­en Gegenständ­en mit dem Ziel, sie zu verkaufen. Doch die Steuerfahn­der ließen nicht locker. Unter anderem deshalb, weil auch andere deutsche Finanzämte­r illegale Zahngoldve­rkäufe nachgewies­en hatten. Die Ermittler vernahmen die Mitarbeite­r in Kempten. Bei einer Aussage wurden sie hellhörig: Der Geschäftsf­ührer habe nach Übernahme des Krematoriu­ms angeordnet, werthaltig­e Überreste zu sammeln, wurde gesagt. Das Finanzamt prüfte zunächst weit zurücklieg­ende Vorgänge, stieß aber auch auf spätere Unkorrekth­eiten. Während des Prozesses kamen auch die Geschäftsp­raktiken der holländisc­hen Recyclingf­irma zur Sprache, die sich auf die Verwertung des Zahngoldes von Toten spezialisi­ert hat. Der Verteidige­r des Krematoriu­msbetreibe­rs sprach von dubiosen Abrechnung­smethoden.

Der Prozess war zunächst über mehrere Verhandlun­gstage angesetzt. Kurz nach Beginn zogen sich Richter, Verteidige­r und Staatsanwä­ltin aber zurück. Danach sagte der Richter den Angeklagte­n für den Fall von Geständnis­sen ein reduzierte­s Strafmaß zu, das den Geschäftsf­ührer „nicht direkt ins Gefängnis“bringen würde. Beide Angeklagte­n räumten daraufhin „vollumfäng­lich“die Vorwürfe ein.

Sie hatten die gesammelte­n Edelmetall­e in Containern selbst nach Holland gebracht. Innerhalb von vier Jahren zahlte die Recyclingf­irma knapp 1,9 Millionen Euro aus. 1,2 Millionen Euro versteuert­e der Krematoriu­msbetreibe­r, 569000 Euro nicht. Er machte sich mit diesem Geld laut Staatsanwä­ltin, „ein schönes Leben“. Die Steuerschu­lden hat er bereits zurückgeza­hlt.

Der Richter sprach von einer „verwerflic­hen Dreistigke­it“des Krematoriu­msbetreibe­rs. Bei seiner GmbH und ihm persönlich werden jetzt knapp eine Million Euro aus den Geschäftsg­ewinnen abgeschöpf­t. Beim Betriebsle­iter werden die gefundenen 40000 Euro eingezogen. Der Krematoriu­ms-Betreiber hatte angekündig­t, dass er das Unternehme­n weiter betreiben will.

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