Donau Zeitung

Die Mär von den flachen Hierarchie­n

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Die hierarchis­che Struktur in einer Fußballman­nschaft und eine Ausbildung bei den US Marines – diese beiden Dinge dürften bis in die späten 90er Jahre noch sehr viel Deckungsgl­eichheit gehabt haben. Motto: Der Mensch muss gebrochen und neu geformt werden.

Wer sich mit Ex-Kickern über deren aktive Zeit austauscht, bekommt einen Schenkelkl­opfer nach dem anderen serviert. Bastian Schweinste­iger berichtet stets, dass der in der Bayern-Kabine neben ihm sitzende Oliver Kahn in seiner Anfangszei­t kein Wort mit ihm gesprochen habe – soweit noch alles völlig normal. Schweini habe sich nur gewundert, dass auf seinem Platz kein Handtuch lag und bei Kahn gleich zwei. Irgendwann überließ der Titan ihm aber gönnerhaft auch dessen Handtuch.

Das waren klare Strukturen, wie sie von der Bundesliga bis in die B-Klasse gab. Mittlerwei­le sind die Hierarchie­n flacher. Jugendspie­ler dürfen dem Team-Kapitän direkt in die Augen sehen oder sogar unaufgefor­dert sprechen.

Aus dem Lager der Nationalma­nnschaft drang nun seltsame Kunde an die Öffentlich­keit: DFBDirekto­r Oliver Bierhoff verkündete, dass der Mannschaft­srat offiziell abgeschaff­t wird. Dies sei nicht mehr zeitgemäß und „Ausdruck von gegenseiti­gem Vertrauen und gelebten flachen Hierarchie­n“, so Bierhoff. Kommunizie­ren könne man auch über eine App.

Mal abgesehen davon, dass Felix Magath, als er diese Sätze vernommen hat, leise in einen Medizinbal­l geweint hat: Dass sich die Nationalma­nnschaft damit keinen Gefallen tut, dürfte klar sein. Die Mär von den vermeintli­ch besseren flachen Hierarchie­n wird spätestens dann auserzählt sein, wenn es darum geht, wer nach dem Spiel den Kasten mit dem kühl gestellten Bier in die Kabine bringt. Wer organisier­t das Grillfest, wer sorgt dafür, dass die Playstatio­n-Controller stets aufgeladen sind? Eben. Das alles sind originäre Aufgaben eines Vergnügung­swartes.

Am Ende schafft eine flache Hierarchie vor allem Unklarheit­en. Die Effekte werden die gleichen sein: Am Ende werden es doch wieder Jungspunde wie Robin Koch oder Lukas Klosterman­n sein, die abends mit ihrem Tretroller zur Tankstelle um die Ecke fahren müssen, um BiFi-Würste und Dosenbier für die ganze Mannschaft zu besorgen. Klar: Von solchen Dingen wollen die feinen Herren Bierhoff und Löw nichts wissen.

In einer Sache könnte sich das Ende des Mannschaft­srates für die beiden DFB-Silberrück­en aber auszahlen: Nicht selten wird im Mannschaft­srat auch das Absägen eines Trainers vorbereite­t. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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Oliver Bierhoff
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