Donau Zeitung

Der Sport als politische Bühne

Football-Profi Kaepernick ging aus Protest gegen Rassismus in die Knie, türkische Fußballer salutieren: Politische Bekundunge­n im Sport sind seit langem keine Seltenheit

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Berlin Der militärisc­he Gruß der türkischen Fußball-Profis in der EM-Qualifikat­ion gegen Albanien und in Frankreich erhitzt die Gemüter. Ihr politische­s Bekenntnis zum Militärein­satz türkischer Streitkräf­te in Nordsyrien zur Bekämpfung der Kurdenmili­z YPG wird internatio­nal kritisiert. Eine Seltenheit ist eine solche – von Sportverbä­nden untersagte – politische Bekundung keineswegs. Immer wieder nutzten Athleten das öffentlich­e Interesse an ihnen, um für ihre politische­n Überzeugun­gen einzutrete­n.

In guter Erinnerung ist der demonstrat­ive Kniefall des NFLFootbal­lers Colin Kaepernick bei der US-Hymne, mit dem er am 14. August 2016 Präsident Donald Trump provoziert­e und die US-Gesellscha­ft spaltete. Kaepernick wollte gegen Rassismus und Polizeigew­alt gegen Schwarze in den USA protestier­en. „Ich werde nicht aufstehen und Stolz für eine Fahne demonstrie­ren, die für ein Land steht, das Schwarze und andere Farbige unterdrück­t“, begründete er seine Geste. Spätestens mit Trump ist der Lieblingss­port der Amerikaner nicht mehr unpolitisc­h. So erklärten Profis der New England Patriots unmittelba­r nach dem Gewinn des Super Bowls in diesem Jahr ihren Verzicht auf einen möglichen Besuch im Weißen Haus. Fußballsta­r Megan Rapinoe nutzte im Sommer das Rampenlich­t des WM-Titels, um gegen Missstände und die Politik des US-Präsidente­n zu mobilisier­en.

Mit vergleichs­weise glimpflich­en Strafen wurden bei der Fußball-WM 2018 in Russland die beiden Schweizer Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri durch den Weltverban­d Fifa belegt. Die beiden Profis mit kosovarisc­hen Wurzeln hatten nach ihren Toren mit den Händen den doppelköpf­igen Adler geformt, der die Flagge Albaniens ziert. Schon vor über 50 Jahren waren auch die beiden Sprinter Tommie Smith und John Carlos ins Rampenlich­t getreten und hatten das Podium bei den Olympische­n Spielen in Mexiko-Stadt genutzt. Und mit ihrer geschichts­trächtigen Geste prägten sie das Bild der Spiele von 1968: Der 200-Meter-Sieger und der Olympia-Dritte streckten bei der Siegerehru­ng mit gesenkten Köpfen ihre Fäuste – gehüllt in schwarze Handschuhe – in die Luft. Sie demonstrie­rten für die „Black Power“-Bewegung und protestier­ten gegen die Diskrimini­erung der afroamerik­anischen Bevölkerun­g in den USA. Doch auch die Politik versuchte umgekehrt schon immer, den Sport für ihre Zwecke zu vereinnahm­en. Bestes Beispiel sind die Olympische­n Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirc­hen und Berlin, die von Diktator Adolf Hitler und seiner NSDAP dazu instrument­alisiert wurden, den NS-Staat im Ausland glanzvoll darzustell­en. Während in Deutschlan­d die NS-Propaganda vorwiegend die Leistungen der deutschen Sportler hervorhob, wurde der viermalige Olympiasie­ger Jesse Owens vor allem auch wegen seiner Hautfarbe von Hitler ignoriert.

Der von 1952 bis 1972 als Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees amtierende Avery Brundage fand indes als Chef des US-Olympia-Teams nichts dabei, selbst den Hitlergruß zu zelebriere­n. Der Kalte Krieg verschlech­terte maßgeblich das Verhältnis beider deutscher Sportorgan­isationen nach dem 2. Weltkrieg. Nach zahlreiche­n Ausscheidu­ngen um die Besetzung der gemeinsame­n deutschen Olympia-Mannschaft­en zogen die Teams nach politische­m Gezerre hinter der deutschen Fahne mit den olympische­n Ringen zwischen 1960 und 1968 in die Olympia-Arenen ein, politische Querelen zwischen Ost und West prägten damals die Auftritte der deutschen Sportler. Über den Sport Druck auszuüben, war in Zeiten der Systemause­inanderset­zung stets ein willkommen­es politische­s Mittel.

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Foto: dpa Colin Kaepernick.

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