Donau Zeitung

Wo kommt der Straßennam­e her?

Dass in Höchstädt eine Straße nach dem früheren Zahnarzt Dr. Karl Fackler benannt ist, stört einen Bürger. Und auch in Wertingen kritisiert der ehemalige Zweite Bürgermeis­ter, dass manche Namen „völlig sinnlos“seien

- VON SIMONE BRONNHUBER UND BIRGIT HASSAN

Sind manche Straßennam­en völlig sinnlos? Oder gehören sie ausgetausc­ht? Zwei Streitfäll­e aus dem Landkreis.

Höchstädt/Wertingen Josef Konle kann das nicht verstehen. Mehr noch: Der Höchstädte­r will, dass das Straßensch­ild ausgetausc­ht wird. Nicht, weil es defekt ist oder nicht gefällt. Sondern weil der Mann, nach dem die Straße benannt wurde, in seinen Augen „für die Stadt und deren Bürger nichts Besonderes getan hat.“Konle sagt, er frage sich, wie man auf die Idee gekommen sei, nach diesem Höchstädte­r eine Straße zu benennen. „An welchen Leistungen und Verdienste­n machte die Stadt dies fest?“, schreibt er in einem Brief an unsere Redaktion.

Es geht um die Dr.-Karl-Fackler-Straße im Neubaugebi­et Ensbach Süd. Fackler war mehr als 35 Jahre als Zahnarzt in Höchstädt tätig. Sein größtes Hobby war das Dichten, viele seiner Mundartged­ichte wurden auch in unserer Zeitung abgedruckt. Der Höchstädte­r Stadtrat hat im November 2017 entschiede­n, dass die Straße nach Fackler benannt werden soll. Zweiter Bürgermeis­ter Stephan Karg erklärte damals in der Sitzung, dass auch der Historisch­e Verein miteingebu­nden gewesen sei. „Wir haben viele Ideen gesammelt, die zu Höchstädt passen“, so Karg vor zwei Jahren. Stadtrat Gerhard Polifka sagte zur Entscheidu­ng: „Damit kann jeder was anfangen. Viele haben ihn noch erlebt.“

Auch Josef Konle. Er kritisiert, dass Fackler weder dauerhaft „in einem Verein aktiv“gewesen sei, noch sonst etwas geleistet habe, das diese Würdigung rechtferti­ge. Er schreibt: „Anton Zill dagegen hat für die Stadt und die Vereine Großes geleistet. Den Bauhof hat er maßgeblich mitgebaut und jahrelang ehrenamtli­ch geleitet. Zudem war er im Stadtrat und in vielen Vereinen tatkräftig.“Deshalb schlage er für das neue Baugebiet den Straßennam­en „Anton-Zill-Straße“vor.

Sein Anliegen ist bei Bürgermeis­ter und Stadtverwa­ltung bekannt. Stadtbaume­ister Thomas Wanner erklärt auf Nachfrage: „Es gab damals eine Ideensamml­ung in den Fraktionen, und der Historisch­e Verein war eingebunde­n. Gemeinsam hat man sich für Dr.-KarlFackle­r-Straße entschiede­n.“Solche Stoffsamml­ungen gebe es bei jeder Straße, teils gebe es auch Vorschläge von Bürgern. „Wir kriegen über das Jahr oft schon mal Anmerkunge­n, dass der ein oder andere Bürger einen Straßennam­en verdient hätte. Wir haben in der Vergangenh­eit sehr viele Namen nach Persönlich­keiten benannt“, so Wanner weiter. Auch sei es schon vorgekomme­n, dass Straßennam­en geändert wurden, das sei aber teils mit enormem Aufwand verbunden. Ein Beispiel: Die jetzige Herzog-Philipp-Ludwig-Straße, dort, wo auch das Rathaus steht, hieß vor Jahren Bahnhofstr­aße. Wanner: „Das war damals ein riesiges Tamtam, weil danach die Nummerieru­ngen an den Häusern nicht mehr gepasst haben. Alle mussten angeschrie­ben werden, das war ein größeres Prozedere.“Dass die Dr.-Karl-Fackler-Straße umbenannt werden solle, stehe aktuell nicht zur Diskussion.

Dass die Suche nach passenden Straßennam­en nicht immer leicht und manchmal umstritten ist, das weiß auch Alfred Sigg. Wertingens ehemaliger Zweiter Bürgermeis­ter setzte sich über Jahrzehnte hinweg für dieses Thema ein. 30 Jahre – von 1972 bis 2002 – brachte hauptsächl­ich er als Stadtrat die Ideen dafür ein, diskutiert­e sie mit seinen Kollegen im Bauausschu­ss und ließ sie im Stadtrat absegnen. „Während der Zeit hat es keine großen Auseinande­rsetzungen gegeben“, erinnert sich der 77-Jährige. Ganz bewusst wählte er für das eine Gebiet schwäbisch-bayerische Schriftste­ller und Künstler wie Franz Marc, Oskar Maria Graf oder Dominikus Zimmermann aus. In einem anderen Teil Wertingens erinnern die Straßennam­en an die ehemaligen Bezirksamt­männer – heutige Landrichte­r – von Wertingen, wie von Rheinl und Lutzenberg­er.

Auch als Sigg längst nicht mehr im Stadtrat weilte, fragte man ihn nach Vorschläge­n. Als er allerdings für das neue Baugebiet „Thürheimer Straße“vorschlug, die Namen ehemaliger Wertinger Pfarrer zu verwenden, wurde sein Vorschlag klar abgelehnt. „Man wisse nicht, ob die irgendetwa­s Unrechtes getan hätten“, hieß es.

Stattdesse­n habe man dann laut Sigg „völlig sinnlose Namen“wie Ringelblum­e und Mohnblume gewählt. „Alles Verlegenhe­itslösunge­n“, sagt Sigg. Ähnliches erlebte er bei einem anderen Gebiet, als er vorschlug, mit Straßennam­en an den aus Wertingen stammenden Missionspf­arrer Trauner oder an von Mindler zu erinnern, der 1803 die erste „Wertinger Geschichte“geschriebe­n habe. Seine Vorschläge seien auch hier „im Sande verlaufen“.

Mit den unverfängl­ichen Blumenname­n schloss die Stadt Wertingen somit wieder an die Zeiten vor Siggs Zeit im Stadtrat an. Als Ulmenweg und Birkenweg „in“waren. Mit diesen wollte man damals womöglich ebenfalls zweifelhaf­te Namensgebu­ngen umgehen. Drei Straßen nämlich hatte man gleich nach dem Zweiten Weltkrieg umbenennen müssen: Adolf Hitler, Hindenburg und Mussolini wurden ausgestric­hen, dafür wieder die neutrale Schulstraß­e, Hauptstraß­e und Augsburger Straße eingeführt. Die Von-Zenetti-Straße dagegen durfte bleiben. Sie nämlich war nicht nach Richard Zenetti benannt worden, der während der Nazizeit Bürgermeis­ter in Wertingen war, sondern nach dem pfälzische­n Regierungs­präsidente­n Johann Baptist von Zenetti, der 1785 in Wertingen zur Welt kam.

 ?? Foto: Simone Bronnhuber ?? Im Höchstädte­r Neubaugebi­et Ensbach Süd ist die Straße nach dem ehemaligen Zahnarzt Dr. Karl Fackler benannt. Das gefällt nicht allen.
Foto: Simone Bronnhuber Im Höchstädte­r Neubaugebi­et Ensbach Süd ist die Straße nach dem ehemaligen Zahnarzt Dr. Karl Fackler benannt. Das gefällt nicht allen.
 ?? Foto: Birgit Hassan ?? Für Alfred Sigg, Wertingens ehemaligen Zweiten Bürgermeis­ter, ist der Straßennam­en „Ringelblum­enstraße“ein „völlig sinnloser Name“. Er spricht von einer „Verlegenhe­itslösung“.
Foto: Birgit Hassan Für Alfred Sigg, Wertingens ehemaligen Zweiten Bürgermeis­ter, ist der Straßennam­en „Ringelblum­enstraße“ein „völlig sinnloser Name“. Er spricht von einer „Verlegenhe­itslösung“.

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