Fußballrasen aus dem Spargelland
Die Firma Schwab aus Waidhofen baut Rollrasen auf 260 Hektar an. Vor allem Schweizer wissen das Produkt zu schätzen. Warum Gras nicht gleich Gras ist und es für jeden Logistiker einen Albtraum darstellt
Waidhofen In solch einem Rasen möchte man liegen und die Wolken am Himmel verfolgen. Weich ist er und fest zugleich. Das satte Grün ist dicht und flauschig wie ein Teppich und wenn man darauf hüpft, hat man fast das Gefühl, als würde er ein bisschen federn. Doch der Rasen ist nicht zum Faulenzen gemacht.
Im Gegenteil: Auf ihm werden einst Fußballer rennen. Er muss ihren Sprints genauso standhalten wie den Zweikämpfen, in denen sich die Stollen tief in die Gräser graben. Dass er den Belastungen standhält, ist für Günther Schwab keine Frage. Neun Monate hatten die Wiesenrispen Zeit zu gedeihen und zu wurzeln. Sie sind die Basis des Sportrasens, geben ihm Halt und Struktur. Erst wenn das Fundament steht, wird das Weidelgras dazu gesät, das der Rasenfläche ihre softe, schöne Optik gibt. „In dieser Kombination ist er lange haltbar und belastbar“, sagt Schwab. Der Mann muss es wissen: Seit 20 Jahren beschäftigt sich der 48-Jährige beruflich mit Gras und seinen Eigenschaften, und auch schon zuvor wusste er wohl mehr darüber als andere. Denn sein Vater Horst hat vor genau 50 Jahren einen Betrieb gegründet, der heute zu den größten Rollrasenherstellern in Deutschland gehört und den seit fünf Jahren er und sein Bruder Walter führen.
In Waidhofen, mitten im Schrobenhausener Spargelland, hat das Unternehmen seinen Sitz. Rund um einen Gutshof wachsen auf einer Gesamtfläche von 80 Hektar 18 verschiedene Rasensorten: Robuste für den Sportrasen, weiche für den Spielplatz, trockenresistente für den sonnigen Standort. Dazu kommen 160 Hektar Anbaufläche im 20 Kilometer entfernten Karlskron. Alles in allem gedeiht im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen also auf 2,6 Quadratkilometern feinster Rasen, der eines Tages Fußballstadien, Sportplätze, Golfanlagen, Freibäder, Parkanlagen und Gärten in Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Süddeutschland, im Baltikum und in der Schweiz verschönern wird. Schwab gehört damit zu den Top-Playern im deutschsprachigen Raum, was vor allem die Schweizer zu schätzen wissen: Sie gehören zu den besten Kunden des Waidhofener Unternehmens. Jeden Tag fahren zu den Eidgenossen drei bis vier Lastwagen vollgepackt mit Rollrasen. „Normalerweise dürften da nur noch die Bergspitzen rausschauen“, witzelt Günther Schwab über die vielen Flächen, die über die Jahre hinweg begrünt wurden.
Dabei hat alles im ganz kleinen Stil angefangen. 1969 hat Horst Schwab mit bescheidenen Mitteln einen Landschaftsbaubetrieb gegründet und in diesem Zuge auch Rollrasen angebaut – und zwar als Erster in ganz Deutschland. Gerade mal 400 Quadratmeter war die Anbaufläche damals groß und damit kleiner als die meisten Privatgärten zu jener Zeit. „In den USA war Rollrasen damals schon das große Ding, aber bei uns hat er kaum eine Rolle gespielt“, weiß Geschäftsführer Günther Schwab. Das vorgezüchtete Gras war quasi nur eine Art Notnagel, wenn es schnell gehen musste und für die konventionelle Ansaat keine Zeit blieb. Doch das änderte sich, als insbesondere in den Fußballstadien immer höhere Ansprüche an den Rasen gestellt wurden. Und diesen Anforderungen, das stellte sich schnell heraus, konnte ein Rollrasen deutlich gerechter werden als ein gesäter Rasen. „Wir haben den Bedarf geweckt“, sagt Günther Schwab.
Die Anbauflächen wurden deshalb immer größer und die Züchtungen immer ausgefeilter. Rund ein Jahr braucht ein guter Rasen, bis er geerntet werden kann. Bis dahin sieht es mitunter lange Zeit so aus, als würde nur Unkraut auf dem Feld wachsen. „Unsere Gräser wachsen sehr langsam, dafür sind sie aber strapazierfähiger und weniger krankheitsanfällig.“
Für den Anbau ist Bruder Walter zuständig. Er ist Landwirt und weiß genau, wie lange er die Pflanzen zum Wurzeln „trocken legen“muss und wie er ihr Wachstum beeinflussen kann. Dabei hilft dem 44-Jährigen auch der Mondkalender, nach dem schon Vater Horst gearbeitet hat. Ob Pflanzen gut anwachsen, wie viel Unkraut entsteht und wie sich Dünger auf das Wachstum auswirkt – all das lässt sich nach den Erfahrungen der Schwabs tatsächlich über die Mondphasen beeinflussen. „Wir sind keine Gurus, die mit der Rute übers Feld laufen. Wir merken das einfach am Geldbeutel, weil wir düngen oder spritzen müssen.“
Spätestens seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist Rollrasen bekannt. Dutzende von Stadien hat Schwab in allen europäischen Ländern mit Rasen ausgelegt, die innerhalb von zwei Taweniger gen mit dem Lkw zu erreichen sind. Denn Gras ist ein sensibles Produkt, das nur eine kurze Lebensdauer hat. „Ein Albtraum für jeden Logistiker“, sagt Günther Schwab. Damit der Rasen unversehrt beim Kunden ankommt, spielt nicht nur der Erntezeitpunkt eine Rolle. „Wenn wir im Oktober bei zehn Grad ernten, hält er drei, vier Tage. Im Sommer bei 30 Grad liegt das Zeitfenster bei nur etwa sechs bis acht Stunden.“Auch die Grenzöffnungszeiten müssen berücksichtigt werden, damit es zu keinen unnötigen Standzeiten kommt. Trotz aller Planungen können Zwischenfälle aber nicht vermieden werden. Und so musste die eine oder andere Fuhre schon einmal direkt auf die Deponie gefahren werden.
Günther Schwab hat alles in allem aber keinen Grund zum Klagen. „Wir sind auf der Insel der Glückseligen. Wir müssen mit dem Wetter kämpfen, nicht aber mit der Konkurrenz.“Der Klimawandel sei auch für den 25-Mann-Betrieb eine Herausforderung. Früher hätten sie die Felder nie beregnen müssen, heute gehe es ohne künstliche Bewässerung überhaupt nicht mehr. Für Günther Schwab und seinen Bruder Walter ist deshalb klar, wo die Reise hingeht: Rasensorten zu entwickeln, die längere Trockenphasen aushalten und sich schneller regenerieren. Und er möchte – trotz allen Anspruchs – seinen Kunden eine gewisse Gelassenheit mit auf den Weg geben: „Rasen hat halt hin und wieder einen braunen Fleck. Aber da muss man sich nicht verkünsteln. Der verzeiht und wächst auch wieder zusammen.“