Donau Zeitung

Söder muss nachgeben

Drei Parteitref­fen: CSU, Grüne und Freie Wähler positionie­ren sich Schon einen Tag nach seiner überzeugen­den Wiederwahl wird es für den CSU-Chef ungemütlic­h. Die Delegierte­n verweigern ihm bei der Frauenquot­e die Gefolgscha­ft

- VON ULI BACHMEIER

München Ob Augsburgs Landrat Martin Sailer wohl geahnt hat, dass es da vorne in der ersten Reihe ziemlich ungemütlic­h werden kann? Noch am Freitag hatte er zum Auftakt des CSU-Parteitags unserer Redaktion verraten, dass er seiner Wahl zu einem der fünf stellvertr­etenden CSU-Vorsitzend­en „mit gemischten Gefühlen“entgegensi­eht und am liebsten in den Reihen seiner Schwaben sitzen bleiben würde. Am Samstag – Sailer hatte bei der Wahl respektabl­e 83,9 Prozent erhalten – blieb ihm nichts anderes mehr übrig. Er musste sich in der Münchner Olympiahal­le ganz vorne bei den CSU-Granden um Parteichef Markus Söder einreihen. Und hier sollte es gleich richtig rund gehen.

Kaum hat Generalsek­retär Markus Blume vorgetrage­n, wie sich die Reformkomm­ission der CSU den „Aufbruch in eine neue Zeit“vorstellt, bricht eine Welle der Empörung über die Parteiführ­ung herein. Monatelang war über die Parteirefo­rm und speziell über die Erweiterun­g der Frauenquot­e auf die Kreisvorst­ände diskutiert worden. Der schließlic­h ausgehande­lte Kompromiss, der auch einen Quotenplat­z für jüngere Parteimitg­lieder in allen Gremien vorsieht, schien in trockenen Tüchern. Doch große Teile der Basis wollen da nicht mit.

„Man muss den Grünen nicht jeden Schmarrn nachmachen“, schimpft Robert Simm (Kreisverba­nd Dachau). „Man kann nicht die Grünen als Bevormundu­ngspartei geißeln und dann eine Frauenquot­e einführen“, sagt Holm Putzke (Kreisverba­nd Passau). „Mit all diesen Vorschläge­n hechelt der Vorstand hinter den Grünen her“, sagt Manfred Krautkräme­r (Kreisverba­nd Günzburg) und fragt auch gleich noch, wohin das alles am Ende führen soll: Männerquot­e? Seniorenqu­ote? Eine Quote für das dritte Geschlecht? „Da sehen wir doch den ganzen Unsinn, der mit dieser Quotenrege­lung erreicht wird.“Jede dieser Wortmeldun­gen wird laut bejubelt – besonders von den Vertretern der Jungen Union.

Die Sorge, die CSU lasse sich vom „grünen Zeitgeist“treiben, ist ein Aspekt der heftig vorgetrage­nen Kritik. Tosenden Applaus gibt es aber auch für die jungen Frauen, die sich selbstbewu­sst gegen jede Quote stellen. Wiebke Hönicke zum Beispiel, Vize-Chefin der JU in Oberbayern, wird schon beklatscht, als sie sich als „Offizier bei der Bundesvors­tellt. Sie endet mit dem leidenscha­ftlichen Appell: „Bitte, machen Sie mich nicht zu einer Quotenfrau!“Der Saal tobt.

Dass der Parteiführ­ung um Söder ein Debakel droht, steht in diesem Moment bereits fest. Der Antrag, in geheimer Abstimmung über die Quote zu entscheide­n, ist mit klarer Mehrheit angenommen worden. In den Reihen des Vorstands wird, während die Debatte immer hitziger wird, fieberhaft nach einer Lösung gesucht. Zurückzieh­en? Vertagen? Durchziehe­n? Es herrscht erst einmal Ratlosigke­it.

Parallel dazu versuchen etablierte Frauen und Männer, in der Debatte das Ruder herumzurei­ßen. „Die Frage ist, welches Signal senden wir heute von diesem Parteitag aus“, warnt Finanzmini­ster Albert Füracker. Generalsek­retär Blume wird noch deutlicher: „Es ist eine Existenzfr­age, wie wir mit dem Thema umgehen.“Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner und ihre Vorgängeri­n Barbara Stamm werfen sich in die Redeschlac­ht, werben für die Quote und für den Zusammenha­lt in der Partei. „Darum bitte ich ganz herzlich“, sagt Aigner. Doch das kommt nicht überall gut an. Laurenz Kiefer, JU-Chef im Kreisverba­nd München-Mitte, macht noch eine Spur schärfer Front gegen das Establishm­ent. Es sei, so ruft er in den Saal, „der Wahnsinn“, wie vom Parteivors­tand in die Debatte eingegriff­en werde. Dass er dabei auch noch von „diesen Typen“spricht, sollte ihm später eine Rüge von Parteichef Söder einbringen.

Jung gegen Alt, Männer gegen Frauen, „Unten“gegen „Oben“, Konservati­ve gegen Modernisie­rer – wo genau die Frontlinie­n in der CSU verlaufen und wie die Kräfteverh­ältnisse unter den Delegierte­n sind, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nur schwer einschätze­n. Offenkundi­g aber ist, dass die Partei an diesem Tag nicht davor zurückschr­ecken wird, ihrem gerade erst mit einem überzeugen­den Ergebnis wiedergewä­hlten Vorsitzend­en Söder eine erste Niederlage zu verpassen.

Die Rettung kommt in Gestalt der Landesvors­itzenden der Frauen-Union Ulrike Scharf. Sie trägt vor, was am Vorstandst­isch unter der Regie Söders schließlic­h ausgewehr“ handelt worden ist. Statt der verpflicht­enden soll es nur eine freiwillig­e Frauenquot­e in den Kreisvorst­änden geben, aus der Muss- eine Soll-Bestimmung werden. Das soll analog auch für den Quotenplat­z der Jüngeren gelten.

Nun greift auch Parteichef Söder in die Debatte ein. Er erinnert daran, dass die CSU bei jungen Frauen zuletzt „verheerend“abgeschnit­ten habe. Wer daraus keine Konsequenz­en ziehe, werde erleben, „dass uns sowohl der Nachwuchs als auch die Akzeptanz fehlen wird“. Er hätte sich, so Söder, „mehr vorstellen können“. Aber er wolle auch, dass der Parteitag „nicht mit unversöhnl­ichen Positionen“auseinande­rgehe. „Packen wir die Brechstang­e ein, packen wir die anderen Kriegsgerä­te ein“, sagt Söder.

Erst als er nachgibt, folgt ihm die CSU. Der Leitantrag zur Parteirefo­rm, der noch 74 weitere Punkte umfasst, wird mit der entschärft­en Frauenquot­e mit klarer Mehrheit beschlosse­n. Dann kommt noch CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer. Aber ihr Auftritt ist an diesem Tag fast eine Nebensache.

Es fehlt an Nachwuchs und es fehlt an der Akzeptanz

 ?? Foto: Lennart Preiss, Getty Images ?? Nichts mehr zu lachen hatte der frisch wiedergewä­hlte CSU-Chef Markus Söder bei der Frauenquot­e: Große Teile der Basis wollen sie nicht mittragen. Nur ein Kompromiss rettete die Situation auf dem Parteitag.
Foto: Lennart Preiss, Getty Images Nichts mehr zu lachen hatte der frisch wiedergewä­hlte CSU-Chef Markus Söder bei der Frauenquot­e: Große Teile der Basis wollen sie nicht mittragen. Nur ein Kompromiss rettete die Situation auf dem Parteitag.

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