Jetzt sind die Radler dran
Wer sich bisher aufs Fahrrad schwang, durfte sich fühlen wie ein Held. Wenn er Autos im Stau überholte, empfand er nicht nur den Stolz des Siegers. Er genoss zugleich das Ansehen des Umweltretters. Denn er verpestete nichts. Er glaubte, dass er mit jedem klimaneutralen Tritt in die Pedale der Zukunft der Menschheit einen Dienst erweist.
Aber diese Möglichkeit, auf beschwingte Weise ein kleiner Heiliger zu werden, wird nun in Frage gestellt. Missgünstige Forscher sehen im Fahrrad plötzlich eine Feinstaubschleuder. Vor allem der Reifenabrieb beim Bremsen schade der Umwelt. Wer radelt, arbeite nicht an einer besseren Zukunft, sondern am kräftigen Ausstoß von Metalloxiden.
Das ist ein harter Schlag auch für alle kleinen Leute, die bisher auf ihrem Rad dem großen Guten dienten. Und es ist zu befürchten, dass uns jetzt nicht nur die Lust am Autofahren, sondern auch jene Lust am Radeln genommen wird, die Joachim Ringelnatz in seiner Autobiografie gepriesen hat: „Ich stieg aufs Rad, wenn ich einen Brief in den Postkasten werfen sollte, obwohl der Kasten neben unserem Haustor befestigt war. Ich radelte zur Schule. Ich machte weite Ausflüge im Rasetempo. Ich konnte im Fahren die kühngeschwungene Lenkstange loslassen oder mich auf den Sattel stellen. Ich konnte mit einem verwegenen Schwung nach vorn abspringen. Ich stürzte hundertmal, oft auf groteske, bedrohliche Weise. Stets ohne inneren Schaden zu nehmen.“